Zum Tod von Claus Peymann – ein paar Worte von „damals“

Claus Peymann, seinerzeit Intendant des Berliner Ensembles, im Mai 2013 bei der Berliner Konferenz „Theater und Netz“ der Heinrich-Böll-Stiftung. (Wikimedia Commons, Foto Stephan Röhl) – Link zur Lizenz:https://www.creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Mit Claus Peymann (geb. 7. Juni 1937 in Bremen, gest. 16. Juli 2025 in Berlin-Köpenick) ist einer der wirkmächtigsten deutschsprachigen Theatermacher der letzten 60 Jahre gestorben. Hier noch einmal eine kurze Würdigung zu seinem 60. Geburtstag, erschienen in der Westfälischen Rundschau und eben auch schon 28 Jahre her. Um jetzt spontan einen Nachruf zu schreiben, wenn nichts von langer Hand Vorbereitetes in der Schublade (sprich: Festplatte) schlummert, ist „man“ denn doch zu bewegt. Auch darum dieser Rückgriff:

Von Bernd Berke

Es war die „Publikumsbeschimpfung“, mit der Claus Peymann erstmals weithin Aufsehen … Weiterlesen

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Wenn alles verloren geht – Marlene Streeruwitz‘ Roman „Auflösungen“

Marlene Streeruwitz ist eine der politisch profiliertesten Autorinnen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Ihr neuer Roman heißt „Auflösungen“.  Denn alles löst sich auf: gesellschaftliche Zusammenhänge, soziale Strukturen, politische Gewissheiten, kulturelle Übereinkünfte, familiäre Beziehungen.

Der Soziologe Andreas Reckwitz hat kürzlich den „Verlust“ als „Grundproblem der Moderne“ beschrieben. Der Roman von Marlene Streeruwitz ist der Versuch, das Gefühl des Verlusts literarisch einzufangen und zu demonstrieren, wie ein Individuum komplett aus der Bahn geworfen wird, zu einem modernen weiblichen Odysseus mutiert und nirgendwo mehr Halt und Heimat findet.

In den Ruinen ihres Lebens

Nina Wagner lebt als Lyrikerin in Wien und steht vor den Ruinen ihres Lebens. Ihre Ehe ist geschieden, ihre Tochter will kaum noch etwas von ihr wissen. Ihre Versuche, sich als bisexuelle … Weiterlesen

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Sinnlich, saftig, manchmal faulig: Ahlen zeigt „Früchte in der Kunst“

Pierre-Auguste Renoir: „Nature morte aux pommes et grenades“ (Stillleben mit Granatäpfeln), um 1910, Öl auf Leinwand (Courtesy Kunststiftung Rainer Wild, Heidelberg © VG Bild-Kunst, Bonn 2025)

Es dürfte sozusagen die saftigste Ausstellung des Jahres sein, auf jeden Fall ist es die fruchtigste: Mit „Ein Genuss! Früchte in der Kunst“ präsentiert das Kunstmuseum Ahlen – erstmals in NRW – Ausschnitte der einzigartigen Sammlung des Heidelberger Unternehmers und Wissenschaftlers Prof. Rainer Wild, der sich just auf künstlerische Darstellungen von Früchten spezialisiert hat. Eigentlich kein Wunder, importiert und verarbeitet seine Firma doch Früchte aus aller Welt.

Über 100 Arbeiten von 77 Kunstschaffenden des 20. und 21. Jahrhunderts sind in Ahlen zu sehen. Da finden sich reihenweise große Namen aus der neueren Kunstgeschichte, beispielsweise … Weiterlesen

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Zehn Jahre nach dem Weltkrieg: Als deutsche Abstrakte in Paris reüssierten

Karl Otto Götz: Ohne Titel (9.9.1954) (Drouin-Bild, 1954) / Sammlung von Morgen, Berlin (Foto: Oskar Lee / Emil Schumacher Museum, Hagen)

Abstrakte deutsche Kunst in Paris zeigen – nur zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs? Das muss ein heikles Unterfangen gewesen sein. 1955 sah man darin von Staats wegen auch eine diplomatische Mission zur Annäherung ans vormals befeindete Nachbarland. Trotz vieler Streitigkeiten im Vorfeld wurde die Schau ein Erfolg und brachte manchen Künstlern den Durchbruch. Wer es in Paris geschafft hat, der damaligen Welthauptstadt der Kunst, konnte es überall vollbringen.

Jetzt, 70 Jahre später, ist die legendäre Ausstellung fürs Hagener Emil Schumacher Museum (ESMH) zu wesentlichen Teilen rekonstruiert worden. Sie führt auf eine Zeitreise in ästhetische Gefilde der 50er … Weiterlesen

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Wenn die Dinge immer schlechter werden: „Die Verkrempelung der Welt“

Der Titel dieses silbrig glitzernden Buches aus der ehrwürdigen edition suhrkamp ist ein Coup. Hätte der Band „Kritik der überflüssigen Dinge“ oder ähnlich betulich geheißen, hätte wohl kaum ein Hahn danach gekräht. So aber nennt er sich „Die Verkrempelung der Welt“. Da horcht man auf, da will man Näheres wissen.

Nicht alle Befunde des Autors Gabriel Yoran (umtriebiger, mehrfacher Startup-Gründer mit eher „links“ anmutendem geistigen Rüstzeug) sind brandneu, aber schon der Einstieg ist hübsch: Er dreht sich um einstmals bewährte Dinge wie Herdknebel (früher übliche Bedienknöpfe) und konventionell sinnreiche Duschschläuche. Heute muss oft für einfachste Verrichtungen ein komplizierter Touchscreen mit allerlei irrwitzig verzweigten Optionen herhalten.

Erstes Zwischenfazit: Um noch mehr Gewinn zu generieren, nehmen Konzerne ihren jeweils neuesten Produkten gute … Weiterlesen

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Salz im Nudelwasser und viele andere Küchenfragen

Gewichtige Frage, fürwahr: „Wann kommt das Salz ins Nudelwasser?“ Sofort oder etwas später? Das Magazin der Süddeutschen Zeitung (SZ) hat nach und nach eine Menge Fachleute (beileibe nicht nur mit professoralen Weihen) aufgeboten, um bei solcherlei Problemen Klarheit zu schaffen. Nun liegen die gesammelten Resultate in Buchform vor.

„Ein für alle Mal“ sollen hier – laut Untertitel – die wichtigsten Küchenfragen geklärt werden. Dabei zeigt sich doch rückblickend an etlichen Stellen, wie sehr solche Abwägungen zeitbedingt und dem Wandel unterworfen sind. Und gar manches Mal heißt es: „Die Antwort lautet Jein.“ Es lebe die feine Differenzierung.

Um den Titel gleich aufzugreifen: Das Salz gehört erst dann ins Nudelwasser, wenn Letzteres schon zu kochen beginnt. Es hat mit dem Siedepunkt zu … Weiterlesen

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Die Wahrheit hinter der Wahrheit – Ralf Rothmanns „Museum der Einsamkeit“

Als Prosaautor debütierte Ralf Rothmann 1986 mit der Erzählung „Messers Schneide“, sein erster Roman, „Stier“, kam 1991 heraus und wurde gleich im „Literarischen Quartett“ besprochen. Seitdem sind 20 weitere Bücher des in Schleswig geborenen, im Ruhrgebiet aufgewachsenen und seit vielen Jahren in Berlin lebenden Autors erschienen. Jetzt legt er unter dem Titel „Museum der Einsamkeit“ eine Sammlung von Erzählungen vor.

Menschen hadern mit ihrem Leben, brechen auf in neue Ungewissheit, fürchten sich vor dem Tod, verfallen in existenzielle Einsamkeit. Rothmann erzählt von den Mühen des Alltags, der Furcht vor dem Alter, dem Ärger mit Berufskollegen und Nachbarn, der Trauer um eine kaputte Ehe, von Ratlosigkeit und Verzweiflung eines Jungen, der allein zu Hause ist und auf seinen kleinen Bruder aufpassen … Weiterlesen

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Peppa Pig, die KI und der Rest

Familienaufstellung der kunterbunten Schweinchenfamilie, wie sie von der Firma Simba Toys hergestellt wird (von links): Mama Pig, Peppa Pig, George, Papa Pig. Mittlerweile ist noch das Baby Evie hinzu gekommen. (Foto: Bernd Berke)

Alle Welt schreibt und/oder podcastet über Künstliche Intelligenz (KI, anglophon bekanntlich AI abgekürzt). Jetzt hatte ich auch so ein kleines, aber bezeichnendes Erlebnis damit. Wie auf diesem Felde üblich, war es gleichermaßen faszinierend und erschreckend.

Es ging mir darum, eine bestimmte Szene (fröhliches Mädchen auf der Waage bei der Kinderärztin) mit dem berühmten Comic-Schweinchen Peppa Pig („Peppa Wutz“) darzustellen. Meines Wissens existierte eine solche Szene im Peppa-Kosmos noch nicht. Also habe ich mal bei ChatGPT angefragt, ob sich da was machen ließe…

Frau Mümmel als Kinderärztin

Und … Weiterlesen

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Flaschenpost aus finsteren Zeiten – Sebastian Haffners Roman „Abschied“

Ob Männer oder Frauen, alle umschwirren die geheimnisvolle Teddy wie Motten das Licht. Vor den strengen Eltern ist sie von Berlin nach Paris entflohen. Hier haust sie in einer Mansarde, flaniert auf den Boulevards, streift durch Museen, feiert mit Freigeistern und Lebenskünstlern das Jetzt.

Um seiner früheren Geliebten wieder nah zu sein, hat sich Rechtsreferendar Raimund Pretzel ein paar Tage von seinem tristen Berliner Alltag losgeeist und sich auf den Weg nach Paris gemacht, genießt das Glück des Augenblicks und freut sich über jeden Kuss, den er von seiner Angebeteten erbetteln kann. Die Zeit fliegt nur so dahin. So viel gäbe es noch zu erleben in dieser Stadt der Liebe und der Kunst! Doch der Zug, der Raimund zurück nach … Weiterlesen

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Erfolgreiche Spenden-Aktion: Münter-Gemälde kann für Dortmund angekauft werden

Um dieses Bild geht es in Dortmund: Gabriele Münter „Abend vom Fenster (Blick auf Rue Lamblardie, Paris“), 1930 (© VG Bild-Kunst, Bonn 2025)

Weiterer Nachtrag als neuer Vorspann, weil es einen entscheidend anderen, durchaus erfreulichen Sachverhalt gibt: Gabriele Münters Gemälde „Abend vom Fenster (Blick auf Rue Lamblardie, Paris) von 1930 kann fürs Museum Ostwall im Dortmunder U angekauft werden. Das entsprechende Crowdfunding-Projekt hatte – nach zögerlichem Beginn – doch noch Erfolg. Es wurden sogar etwas mehr Mittel als die benötigten 75000 Euro eingeworben, nämlich 77620 Euro = 103% (Stand vom 2. Juni, 14 Uhr).

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Blick zurück ohne Zorn: Anfangs hatte es nicht so rosig ausgesehen. Am 29. März hieß es (eher missmutig) bei den Revierpassagen:

Bleiben wir zunächst einmal … Weiterlesen

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Hol dir, gönn dir!

 

Genau! Alles, und zwar jetzt. Sofort! (Foto: Bernd Berke)

Wie war das noch, vor soundsovielen Jahren, als im 68er-Umfeld der „Konsumterror“ lauthals angeprangert wurde?

Damals lösten gerade erst einige Supermärkte die bis dahin gängigen „Tante-Emma-Läden“ ab. Welche eine vergleichsweise beschauliche Verbraucherwelt das noch gewesen ist! Was hätte man bloß gesagt, hätte man kommen sehen, was wir heute haben – mit allseits in letzte Winkel und Ritzen dringendem Internet-Wahnwitz und obenauf gesetzter „Künstlicher Intelligenz“, die sich in alles hineinfrisst und sich alles einverleibt. Nun, da man gar nicht mehr weiß, wo einem der Kopf steht und wo es noch Restbestände von vermeintlicher Wirklichkeit gibt.

Allüberall wird man verbal, bildlich und medial verfolgt, gnadenlos, ohne Unterlass: „Hol dir“, „Gönn dir“, „Sichere … Weiterlesen

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Zum Schunkeln und Mitsingen: „Carmen“ als Comic in Berlin

Szene aus „Carmen“ am Berliner Maxim Gorki Theater – mit (v. li.): Catherine Stoyan, Till Wonka, Lindy Larsson, Via Jikeli, Marc Benner. (© Foto: Ute Langkafel / MAIFOTO)

In einem pinkfarbenen, mit Rüschen verzierten und lässig über den Boden schleifenden Flamenco-Kleid bringt Carmen stolzen Schrittes und flammenden Blickes die zur Wachablösung versammelten Soldaten um den Verstand und die militärisch ohnehin ziemlich schlappe Parade völlig aus dem Tritt.

Die in zitronengelben Uniformen und mit kalkweißen Gesichtern wie computergesteuerte Wesen der Künstlichen Intelligenz fremdgesteuert herum zappelnden Soldaten haben nur noch Augen für die hünenhafte Drag-Queen, die da gerade im feinsten Fummel zur Mittagspause aus der Zigarettenfabrik schlendert und es auf José, den kleinen Kerl, abgesehen hat, der sich sichtlich unwohl fühlt in … Weiterlesen

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Trunk, Zeitreise, Einsamkeit und mehr – ein Stapel mit neuen Büchern

Was die Dichter im Glase hatten

Welch eine Idee, gegenläufig zum oft eher abstinenten Zeitgeist: vorwiegend alkoholische Lieblings-Drinks ruhmreicher Schriftsteller, wie sie in ihren Werken vorkommen, als Rezepte herauszubringen und mit anekdotischen Anmerkungen zu versehen. Das Resultat, übersetzt aus dem amerikanischen Englisch: „Trinken wie ein Dichter. 99 Drinks mit Jane Austen, Ernest Hemingway & Co.“ (Klett-Cotta, 217 Seiten, 24 Euro). Die größten Fraktionen bevorzugen – in allerlei Formen und Kombinationen – entweder Gin oder Whisky, dahinter folgen die Anhänger von Rum und Wodka. Einige Beispiele: Edgar Allan Poe hielt es mit Brandy, Rum und Schlagsahne. Gustave Flaubert bevorzugte Apfelcider mit Calvados und Aprikosenbrand. James Joyce nahm – wenig überraschend – gern Kaffee mit irischem Whisky zu sich. E. T. A. … Weiterlesen

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„Exil“ für die Kunst – Meisterwerke aus Odesa in Berlin (und später in Heidelberg)

Antwerpener Meister (Umkreis des Frans Floris): „Lot und seine Töchter“, um 1550. (Odesa, Museum für Westliche und Östliche Kunst)

Auch Helden haben ihre schwachen Momente. Überwältigt von allzu ausschweifendem Weingenuss, gerät sogar Herkules, verehrt wegen seiner übermenschlichen Kräfte, in eine hilflose Lage. Er kann sich kaum auf den Beinen halten und wird von einem Satyr und einer Nymphe gestützt. Keule und Löwenfell, die Attribute seiner Stärke, sind in den Händen eines Fauns, der sich die Löwenhaut übergeworfen hat, ein feistes Grinsen aufsetzt und freche Grimassen schneidet.

Peter Paul Rubens hat das lasterhafte Bild gemalt und damit sein 1612 erworbenes Privathaus in Antwerpen geschmückt. Das Original hängt zwar heute im „Zwinger“, der Gemäldegalerie der Alten Meister in Dresden. Aber der geschäftstüchtige … Weiterlesen

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Landschaft mit Goldrand: Ausstellung zelebriert „1250 Jahre Westfalen“

Der vergoldete Silberschrein des heiligen Liborius, des Paderborner Dom- und Bistumspatrons, sonst im benachbarten Diözesanmuseum beheimatet, gehört zu den prachtvollsten Schaustücken der Westfalen-Ausstellung des Museums in der Kaiserpfalz. (Foto: LWL / B. Mazhiqi)

Welcher Gedanke liegt wohl nahe, wenn eine große Ausstellung „775 – Westfalen“ heißt? Nun, dann wird der Landesteil wohl 775 Jahre alt werden? Weit, weit gefehlt: Er wird vielmehr stolze 1250 Jahre alt.

Die „775″ steht dabei für die Jahreszahl der allerersten Erwähnung des Namens in einer Urkunde, etwas genauer: in den Reichsannalen jener Zeit, verfasst am Hofe Karls des Großen. Nun ist das unschätzbar wertvolle Zeitdokument in einer frühen, aus der Pariser Nationalbibliothek geliehenen Abschrift (entstanden um 820, in einer Abtei bei Lüttich) im Paderborner LWL-Museum … Weiterlesen

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Der Maler, der die Frauen zerstört – Martin Mosebachs Roman „Die Richtige“

Louis Creutz ist ein Maler, der nach anfänglicher Mühsal längst internationalen Erfolg hat. Er lässt nur noch eigene Maßstäbe und Perspektiven gelten, die er häufig dozierend in gewundenen Sentenzen ausbreitet. Überdies betrachtet er sich selbst in jeglicher Hinsicht als unabhängig. Etliche Frauen zeigen sich davon beeindruckt.

Seine langjährig treuesten Käufer und Mäzene heißen Beate und Rudolf, Letzterer ist Mitinhaber einer weltweit operierenden Hydraulik-Firma. Deren Geschäfte führt vor allem sein Bruder Dietrich, ein unscheinbarer Mensch, der jedoch durch Beständigkeit und Verlässlichkeit ungemein gewinnt. Seine Abgründe, die es durchaus zu geben scheint, werden durch bescheidene Liebenswürdigkeit ausbalanciert.

Damit hätten wir bereits wesentliches Personal aus Martin Mosebachs neuem Roman „Die Richtige“ beisammen. Die den Titel inspirierende Frau kommt hinzu: Es ist jene, vermeintlich … Weiterlesen

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Erst Rocksängerin, dann Bildhauerin – Pia Bohr: „In der Kultur haben es Frauen immer noch schwerer“

Im Atelier: Pia Bohr mit ihrer Skulptur „Big Engel“. (© Foto: Melanie Hoessel)

Geht’s um Frauen im Kulturbetrieb, so kann Pia Bohr (61) fundierte Auskunft geben. Zuerst hat die Dortmunderin sich über 25 Jahre lang als Sängerin der international gefeierten Kultband „Phillip Boa & the Voodooclub“ verdingt, dann ist sie nach und nach in die Kunstszene gewechselt und hat sich als Bildhauerin etabliert – zuerst mit Holzskulpturen, seit einiger Zeit mit ebenso organischen und biomorphen Schöpfungen in Bronze, weil die Arbeit mit diesem Material körperlich weniger aufreibend ist.

Besuch in ihrer Werkstatt im Dortmunder Klinikviertel, Dudenstraße 4. Hier blüht buntes Leben: Im selben Hinterhof befinden sich eine Kita und das BVB-Fanprojekt. Wir sitzen inmitten einiger ihrer neueren Arbeiten. Ihr Werkstatt-Raum … Weiterlesen

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Im Geniekult vergessen: Vor 200 Jahren starb der Komponist Antonio Salieri

Antonio Salieri auf einer um 1815 entstandenen Lithografie.

Er gehört zu den bedeutendsten musikalischen Figuren im Wien des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Aber die Nachwelt hat aus Antonio Salieri einen zweitrangigen Kleinmeister und Rivalen Mozarts gemacht. Noch in seinem Theaterstück „Amadeus“ – weltbekannt geworden durch Miloš Formans gleichnamigen Film von 1984 – benutzt Peter Shaffer die längst widerlegte Legende, Salieri habe Mozart mit Gift beseitigt.

Der Film erzählt, wie der Italiener das kindlich-amoralische Genie „Amadeus“ durch seelischen Druck langsam ums Leben bringt. Er will damit Gott seine Macht zeigen: Jenem Gott, der sich in Mozarts perfekter Musik offenbart. Ihn, Salieri, dagegen hat er dazu verdammt, als einziger zu erkennen, wie mittelmäßig seine eigenen Kompositionen in Wirklichkeit sind. Und das, obwohl sich … Weiterlesen

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Theatertiere, tragikomisch: Das Berliner Ensemble gastiert mit „Warten auf Godot“ bei den Ruhrfestspielen

Sie können nicht mit und nicht ohne einander: Estragon (Matthias Brandt, mit Brille) und Wladimir (Paul Herwig). (Foto: Jörg Brüggemann)

Die Gräuel des Zweiten Weltkriegs waren noch allgegenwärtig, als der Ire Samuel Beckett 1948 das Schauspiel „Warten auf Godot“ schrieb: jenes Endzeitstück um zwei tragikomische Landstreicher, die an einem undefinierten Ort zu unbestimmter Zeit auf einen Herrn warten, den sie gar nicht richtig kennen. Godot aber bleibt fern, seine Existenz bloße Behauptung, ein mythenumwobenes Hörensagen. Er könnte auch der Messias sein oder der Herrscher aus Franz Kafkas Roman „Das Schloss“. Oder ein Sinnbild für die immerwährende Hoffnung auf ein besseres Morgen.

Die Ruhrfestspiele Recklinghausen zeigen diesen Klassiker des absurden Theaters jetzt in einer Version, die der belgische Regisseur Luk Perceval … Weiterlesen

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Fünfmal glimpflich ausgegangen – und jetzt?

Aus der allzeit beliebten Reihe „Bebilderte Redensarten“: nur nicht gleich „auf die Palme bringen“ lassen, vieles erledigt sich wie von selbst. (Foto: Bernd Berke)

Seltsam: In den letzten Tagen hat sich manches „in Wohlgefallen aufgelöst“, wie man einst zu sagen pflegte. Dies und jenes ist glimpflich ausgegangen, keine Befürchtung hat sich bewahrheitet. Sollte es sich um eine Glückssträhne handeln? Oder soll man sich in Sicherheit wiegen, während hinter all den Kleinigkeiten insgeheim etwas weitaus Größeres lauert? Auch kommt einem vielleicht Goethes berühmtes Diktum in den Sinn, nichts sei schwerer zu ertragen, als eine Reihe von guten Tagen.

Doch der Reihe nach: Auf einer ohnehin schon elend langen Autofahrt (ca. 1300 km) drohte ganz am Schluss noch eine Straßensperrung in Richtung … Weiterlesen

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Duell der Giganten: Gil Mehmert inszeniert am Broadway ein Stück über Bernstein und Karajan

Gil Mehmert, der an der Folkwang Hochschule Essen lehrt, setzt Bernstein und Karajan am Broadway in Szene. Foto: Felix Rabas

Gil Mehmert goes Broadway: Der Regisseur, der seit 2003 im Fachbereich Musical an der Folkwang Hochschule in Essen lehrt und in den Theatern im Revier kein Unbekannter ist, hat sich in New York mit einem Stück über zwei Dirigier-Giganten des 20. Jahrhunderts vorgestellt.

Leonard Bernstein und Herbert von Karajan, jedem Musikfreund ein Begriff, trafen sich zum letzten Mal 1988 im legendären Hotel Sacher in Wien. Die beiden Rivalen um Marktmacht und musikalische Meinungen verbrachten eine Nacht in der „Blauen Bar“, mit einem einzigen Zeugen, dem Kellner. Der bemerkt dreißig Jahre später, wie der amerikanische Schriftsteller, Filmemacher und Komponist Peter Danish … Weiterlesen

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Im Bann der miesen Machenschaften – Andreas Maiers Roman „Der Teufel“

Eine Kindheit in den frühen 1970er Jahren, vermeintlich recht speziell und doch wohl typisch. Da wird der kleine Junge dauernd vor dem Fernsehgerät „geparkt“ und guckt schier alles weg – von der Sesamstraße bis zum „Blauen Bock“. Bald darauf bemisst sich die soziale Stellung unter Schulfreunden danach, ob jemand eine Carrera-Bahn hat oder nicht. Kommt einem irgendwie bekannt vor, wenn man ein paar Jährchen auf dem Buckel hat, nicht wahr?

Immer wieder lesenswert sind all die Episoden, die Andreas Maier so unprätentiös aus seiner Kindheit und Jugend hervorholt. Was muss der Mann für einen Schatz an Notizen und Tagebüchern haben! Oder ein untrügliches Gedächtnis, gepaart mir ausschmückender Phantasie… Jedenfalls hat er Friedberg, die Wetterau, Bad Nauheim und angrenzende Gebiete nachhaltig … Weiterlesen

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Haschisch, DDR, CSU und Afghanistan – Polit-Satire von Jakob Hein

Der damalige CSU-Chef Franz-Josef Strauß besuchte gern Diktatoren, um die Weltpolitik aufzumischen. 1983 verhandelte er mit DDR-Devisenhändler Schalck-Golodkowski auf einem Landgut im Chiemgau, reiste danach zu Honecker an den Werbellinsee und brachte als Geschenk einen Milliardenkredit mit. Als Gegenleistung versprach Honecker, die Selbstschuss-Anlagen abzubauen.

Es war ein Husarenstück mit Fragezeichen: Gerüchten zufolge bekam Strauß eine satte Provision für den Deal. Außerdem hatte die DDR längst ohnehin damit begonnen, die Selbstschuss-Anlagen abzubauen, weil sie unkontrolliert in der Gegend herumballerten und die eigenen Grenzsoldaten verletzten. Bis heute ist es ein Rätsel, was Strauß und Kanzler Kohl wirklich bewogen hat, der DDR den Kredit und damit noch eine Gnadenfrist bis zum endgültigen Zusammenbruch zu gewähren.

Der Schriftsteller Jakob Hein spürt mit einer Polit-Satire … Weiterlesen

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Wunderbare Welt der Waldameisen – Fotografien im Dortmunder Naturmuseum

In Hessen aufgenommene Fotografie einer roten Waldameise (Arbeiterin), die wissenschaftlich Formica polyctena heißt und in Lebensgröße etwa 7 Millimeter misst. (Foto: © Ingo Arndt)

Es sind phänomenale Bilder, die der international renommierte Tierfotograf Ingo Arndt von seinen Expeditionen in die Welt der Waldameisen mitgebracht hat. Da sieht man etwa eine größere Gruppe dieser Tiere, die Ameisensäure versprüht, als sei’s ein prächtiges Silvesterfeuerwerk. Oder man beobachtet – weit, weit überlebensgroß – wie eine Ameisenkönigin Eier legt. Einen solchen Moment muss man erst einmal erhaschen und sodann adäquat ins Bild setzen.

Derlei fotografische Kunststücke sind jetzt im Dortmunder Naturmuseum zu sehen. „Waldameisen – Superheldinnen auf sechs Beinen“ heißt die neue, in sieben Kapitel unterteilte Sonderausstellung.  Rund 41 großformatige Fotografien geben erstaunliche Einblicke … Weiterlesen

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„Interventionen aus dem Ruhrgebiet“: Gerd Herholz stellt sein Buch „Gespenster GmbH“ in Dortmund vor

Autor Gerd Herholz auf dem Podium einer anderen Veranstaltung. Das Namensschild auf dem Tisch vor ihm enthält leider einen Lapsus. (Foto: © Friedhelm Krischer)

Sonst haben wir’s ja nicht so mit bloßen Termin-Ankündigungen. Diesen kündigen wir aber gern an: Gerd Herholz, bis 2018 langjähriger Literaturvermittler beim Literaturbüro Ruhr (Gladbeck), zudem freier Autor und Journalist, kommt am nächsten Dienstag, 8. April (19.30 Uhr), nach Dortmund, um aus seinem Buch „Gespenster GmbH“ zu lesen, und zwar im Dortmunder Literaturhaus am Neuen Graben 78.

Gerd Herholz zählt dankenswerterweise auch zu den Autoren dieses Revierpassagen-Blogs. Noch besser und passender: Der Band „Gespenster GmbH“ (Untertitel: „Interventionen aus dem Ruhrgebiet“) enthält auch einige Texte, die Herholz ursprünglich just für die Revierpassagen verfasst und fürs Buch überarbeitet … Weiterlesen

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Ein Fest für alle soll es werden: Ruhrtriennale zielt 2025 auf Besucherrekorde

Was verbindet uns? Wie wollen wir morgen leben? Das fragt die Ruhrtriennale 2025. Hier ein Szenenfoto aus der Oper „We are the lucky ones“ des britisch-deutschen Komponisten Philip Venables. (Foto: Koen Broos)

Vorweg kommen die Loblieder, das ist wenig überraschend. Bei der öffentlichen Vorstellung des neuen Programms der Ruhrtriennale preist NRW-Kulturministerin Ina Brandes die im Vorjahr erreichten Resultate. Von 70.000 Besuchern und von einem „gigantischen Erfolg“ für das erste Jahr der Intendanz von Ivo Van Hove spricht sie. Wie praktisch, dass der Glanz zugleich auf den Initiator und größten Geldgeber ausstrahlen dürfte, mithin auf das Land NRW.

Die „Sehnsucht nach Morgen“ (Longing for Tomorrow) ist weiterhin Motto des Festivals. Es soll diesmal um die Frage gehen, wie wir morgen leben … Weiterlesen

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Wachsendes Interesse an Musik von Frauen: Warum der Weg ins Repertoire verwehrt blieb und was sich heute ändern muss

Zur „Wiederentdeckung des Jahres“ kürte das Fachmagazin „Opernwelt“ Louise Bertins Oper „Fausto“, die am Aalto Musiktheater im vergangenen Jahr ihre deutsche Erstaufführung feiern konnte. Jetzt war das Stück erneut in Essen zu erleben, mit Mirko Roschkowski (Fausto, rechts) und Almas Svilpa (Mefistofele). (Foto: Froster)

Komponierende Frauen gibt es, seit es die europäische Kunstmusik gibt, nur ist ihnen die Beachtung über den Tag hinaus versagt geblieben. Erst in jüngster Zeit gelingt es Komponistinnen, dauerhaft im Blick der musikalischen Öffentlichkeit zu bleiben. Die vor wenigen Tagen verstorbene Sofia Gubaidulina ist eine von ihnen, oder die Finnin Kaija Saariaho, die 2023 gestorben ist und deren letzte Oper „Innocence“ am Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen eine großartige deutsche Erstaufführung erlebt hat.

Für das Defizit … Weiterlesen

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Kraftvolles Schauspiel – Anna Drexler als wilde wie wohltätige Krähe in „Trauer ist das Ding mit Federn“

Anna Drexler ist die Krähe (Foto: Jörg Brüggemann/Ostkreuz/Schauspielhaus Bochum)

Wer Anna Drexler noch auf der Bühne des Schauspielhauses erleben will, sollte sich sputen. Denn in der kommenden Spielzeit wechselt diese großartige Künstlerin ihren Arbeitgeber, geht von Bochum ans Münchner Residenztheater. Im Zusammenspiel mit Maja Beckmann haben wir Anna Drexler (Jahrgang 1990) auf diesen Seiten früher schon bewundert und gepriesen. „Miranda Julys Der erste fiese Typ“ hieß das Stück, das im Mai 2023 Premiere hatte. Da spielt sie eine junge Frau, was nicht verwundern muß. In „Trauer ist das Ding mit Federn“ aber, dem Stück, von dem hier die Rede sein soll, ist sie eine Krähe. Und was für eine!

Tod der Mutter

Nach wenigen Minuten Bühnenpräsenz verschwindet die Frage, ob … Weiterlesen

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Diese ungeheure, schöpferische Wut – Biographie über Rolf Dieter Brinkmann

Eigentlich kommt sie reichlich spät auf den Markt, diese Biographie des – je nach Observanz – genialen oder genialischen Dichters Rolf Dieter Brinkmann. Der Mann starb bereits am 23. April 1975, als er in London von einem Auto erfasst wurde. Seither hat das Mythenwesen um seine Person unter mehr oder weniger Kundigen kaum abgenommen, ja, es hat mitunter kultische Züge getragen.

Die Lebensbeschreibung, die Michael Töteberg und Alexandra Vasa jetzt vorlegen, ist recht ausführlich geraten, sie geht in manchen Passagen gar sehr ins Detail und zitiert seitenweise aus Notizen, Briefen und sonstigem Nachlass, dessen Inhalt bislang noch weitgehend unbekannt war. Es gilt eben, manch Versäumtes nachzuholen und verborgene Quellen zu öffnen. Brinkmanns Lebensgefährtin Maleen und der langjährige Wegbegleiter Ralf-Rainer Rygulla … Weiterlesen

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Subtile Facetten, plakative Momente: Dmitri Schostakowitschs Elfte Sinfonie in Düsseldorf

Alina Ibragimova und Michael Sanderling nach dem Konzert der Düsseldorfer Symphoniker in der Tonhalle Düsseldorf. (Foto: Susanne Diener)

Bei Michael Sanderling, trifft zu, was oft nur als Lobpreis-Rhetorik zu klassifizieren ist: Er ist ein geborener Schostakowitsch-Dirigent. Zu erleben war die konzentrierte Rhetorik, der tiefinnerliche Ernst, den er den Sinfonien mitgibt, jetzt in der Düsseldorfer Tonhalle in einem Konzert mit den Symphonikern.

Michael Sanderling kam 1967 in Ost-Berlin zur Welt, er ist Sohn des Dirigenten Kurt und der Kontrabassistin Barbara Sanderling. Sein Vater hat nicht nur eine Reihe Schostakowitsch-Sinfonien mit dem Berliner Sinfonie-Orchester und anderen aufgenommen, er war auch eng mit dem Komponisten aus der Sowjetunion befreundet. Sanderling erinnert sich in einem Interview an die „sehr eindrückliche Persönlichkeit“ mit der besonderen … Weiterlesen

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Phantasien des Gehirnchirurgen – Leon de Winters Roman „Stadt der Hunde“

Seit einigen Jahren ist es still geworden um Leon de Winter, der einst mit „Hoffmanns Hunger“, „Sokolows Universum“, „Serenade“ und „Zionoco“ die Bestseller-Liste stürmte. Nach einer fast zehnjährigen Pause kommt ein neuer Roman des inzwischen 70jährigen Autors in die Buchläden: „Stadt der Hunde“.

Früher hat de Winter, dessen Familie fast vollständig im Holocaust umkam, einen an Woody Allen erinnernden leichten, witzigen Ton gepflegt, wenn er von den Alpträumen der Überlebenden sprach und sich über antisemitische Dummheiten lustig machte. Seit dem 7. Oktober 2023 ist er schockiert vom offenen Antisemitismus. „Ich glaube“, meint er in einem Interview, „dass das jüdische Leben in Europa bis 2050 der Vergangenheit angehören wird.“

Verschollen auf der Suche nach jüdischen Wurzeln

Jaap Hollander, die Hauptfigur des … Weiterlesen

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Wenn alle Dämme brechen: Takis Würgers tränenseliger Liebesroman „Für Polina“

Bevor Takis Würger Schriftsteller wurde, berichtete er als Journalist aus Afghanistan, Libyen und dem Irak. Sein erster Roman („Der Club“) wurde zum Bestseller. Sein zweiter Roman („Stella“) löste eine Feuilleton-Debatte über die Frage aus, ob es erlaubt sei, eine jüdische Gestapo-Kollaborateurin zum Mittelpunkt eines Liebesromans zu machen. Sein neuer Roman („Für Polina“) hält sich von allen Fallstricken fern.

Die literarischen Figuren müssen diesmal über kein politisches Glatteis schlittern und werden in keine historisch und ideologisch kontaminierten Handlungen verwickelt. Nachteil: Takis Würger hat einen tränenreichen, herzerweichenden Liebesroman geschrieben, der in all seinen Wegen und Irrwegen vollkommen voraussehbar ist.

Beinahe wie einst Beethoven

Gefüllt ist der Roman mit musikalischen und literarischen Verweisen, die den unglücklich verliebten Märchenkindern zeigen könnten, was sie tun … Weiterlesen

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Ein Prinzip wird Gestalt: Ilaria Lanzino deutet Mozarts „Don Giovanni“ in Dortmund als zeitlose Figur

„Don Giovanni“ in Dortmund: Gleich umzingeln die Schlangen eines Medusenhaupts den Titelhelden (Denis Velev); sein Kumpan Leoporello (Morgan Moody, rechts) ist fassungsloser Zeuge des unheimlichen Geschehens. (Foto: Björn Heckmann)

Ein großbürgerlicher Wohnsalon. Eine Dame sitzt da und langweilt sich, während nebenan im Raucherzimmer zwei Herren angeregt parlieren, offensichtlich der Komtur und Don Ottavio. Es ist zu vermuten, dass da die Konditionen der Verheiratung verhandelt werden.

Die Frau ist dabei nicht gefragt. Mit Staunen blickt sie auf einen Mann im Kostüm eines Kavaliers des 18. Jahrhunderts. Doch die Faszination weicht rasch nacktem Entsetzen: Donna Anna wird auf dem Tisch vergewaltigt.

Don Giovanni bricht in diese Welt ein wie ein Anachronismus, ein Dämon aus der Vergangenheit zwischen all die Menschen, die Emine … Weiterlesen

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Humor mit Fleiß und Akribie: Loriot-Werkschau in Oberhausen

Na, wenn das keine typische Loriot-Figur ist…. (© Studio Loriot)

In der etwas älteren Generation, so ungefähr ab 45 oder 50 Jahren, können eigentlich alle Leute aus Sketchen von Loriot herauf und herunter zitieren. Es reichen schon kleine Anspielungen auf Jodeldiplom oder Kosakenzipfel, auf die hochnotpeinliche Nudel im Gesicht, zwei Herren in derselben Badewanne („Die Ente bleibt draußen!“) oder ein schief hängendes Bild als Chaos-Auslöser – und schon ist man mittendrin im Schwelgen und Schmunzeln. Da könnte man glatt von einer „Generation Loriot“ sprechen.

Unter dem lakonischen Titel „Ach was“ (auch so ein unvergänglicher Loriot-Ausspruch) zeigt die Ludwiggalerie Schloss Oberhausen eine umfassende Werkschau dieses Großmeisters des feinsinnig distinguierten Humors, der 1923 als Vicco von Bülow in Brandenburg an der Havel … Weiterlesen

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Die Zähne des Haifischs: Vor 125 Jahren wurde der Komponist Kurt Weill geboren

Kurt Weill (li.) und Bert Brecht. (Foto: Kurt-Weill-Fest Dessau)

Ernste Musik? Unterhaltungsmusik? Dieser Unterscheidung gab es für Kurt Weill nicht. Für ihn gab es nur „gute und schlechte Musik“. Verwirklicht hat er dieses Konzept, mit dem er die Grenzen zwischen „hoher“ und „populärer“ Kunst niederriss, 1928 mit dem Sensationserfolg der „Dreigroschenoper“. Gemeinsam mit Bertolt Brecht schuf der 28-Jährige dieses Meisterwerk des musikalischen Theaters, das zu den größten Bühnenerfolgen des 20. Jahrhunderts gehört.

Von Anhalt an den Broadway

Der am 2. März 1900 geborene Sohn des Kantors der jüdischen Gemeinde in Dessau ging diesen Weg nicht freiwillig. Schon 1933 floh er vor den Nazis nach Paris; zwei Jahre später emigrierte er mit seiner Frau Lotte Lenya in die USA. Weill gelang … Weiterlesen

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Gegenentwurf zu Brecht: „Der Schnittchenkauf“ nach René Pollesch in der Berliner Volksbühne

Kathrin Angerer und Milan Peschel in „Der Schnittchenkauf“ nach René Pollesch. (Foto: Apollonia T. Bitzan)

Nach dem Abgang von Frank Castorf, dem Scheitern von Chris Dercon und dem Rauswurf von Klaus Dürr schien die Berliner Volksbühne künstlerisch am Ende. Dann übernahm Bühnen-Berserker René Pollesch und versuchte, den führungs- und ideenlos in den Kultur-Wogen schlingernden Theater-Panzerkreuzer am Rosa-Luxemburg-Platz wieder auf Kurs zu bringen. Als der Dramatiker und Regisseur am 26. Februar 2024 völlig unerwartet mit 61 Jahren starb, verfiel die Volksbühne in Schockstarre.

Nachdem auch noch im Zuge der radikalen Sparmaßnahmen des Berliner Senats die zu Interims-Intendanten ernannten Vegard Vinge und Ida Müller ihre Posten räumten, wurde bereits das Sterbeglöckchen für die Traditions-Bühne geläutet. Doch um den Theatertod zu bannen, haben … Weiterlesen

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O Kragenbär, o Elchin! Jetzt gibt es „feministische Tiergedichte“

Geht’s um neuere Tiergedichte, so denkt man vor allem an den unvergleichlichen Robert Gernhardt (Stichwort „Kragenbär“) oder auch den Vorläufer Heinz Erhardt (Kennwort „Made“). Nun schickt sich Ella Carina Werner an, solche Traditionslinien beherzt ins Feministische zu wenden. Sie ist übrigens langjährige Redakteurin des qualitativ arg schlingernden Satire-Magazins „Titanic“.

Verlagswerbung und Klappentext greifen in die Harfe des Lobpreisens: Die anglophile Verzückung kündet vorab von weiblichem „Empowerment“ und harscher, wenn auch humoriger Kritik an „Mansplaining“ oder „gender pay gap“. Zur Übersetzung, falls nötig, bitte fleißig die Suchmaschinen anwerfen.

In einer rasch rausgehauenen Rezension stand sinngemäß zu lesen, Werner stecke mit ihren Reimen Gernhardt locker „in die Tasche“. Nein, nein und nochmals nein! Das stimmt einfach nicht. Diese zuweilen recht bemühten Verse … Weiterlesen

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Das Böse hat Lust auf sich selbst – Michael Köhlmeiers Roman „Die Verdorbenen“

In diesem Roman mag man sich sogleich unheimlich heimisch fühlen, sofern man mit einer ähnlichen Biographie gesegnet (gepeinigt) ist und z. B. in den 1970er Jahren studiert hat.

Der Student Johann, Michael Köhlmeiers Hauptfigur und Ich-Erzähler in „Die Verdorbenen“, verdingt sich zu jenen Zeiten in Marburg nebenher als Tutor, Kneipenhelfer, Songschreiber und Zeitungskolumnist. Aufregend ist sein Leben freilich nicht, zumal in erotischer Hinsicht ist er ein blutiger Anfänger. Überhaupt weiß er nicht, was werden soll.

Allerdings hat der (wie Autor Köhlmeier) aus Österreich stammende Johann schon mit zarten 6 Jahren auf die Zukunftsfrage seines Vaters (Feuilleton-Journalist in der Provinz, glücklich-weltoffen liiert) geantwortet, er wolle einmal im Leben einen Mann töten. Daraus leitet sich der Spannungsbogen des Romans her: Ob er … Weiterlesen

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Ausflug nach Holland: Opern-Akademie zeigt Haydns Rarität „Die belohnte Treue“

Das Ensemble der Dutch National Opera Academy in Joseph Haydns „Die belohnte Treue“. (Foto: Reinout Boss)

Die Welt im ausgehenden 18. Jahrhundert kennt die großen Opernhäuser von Paris, Wien, Mailand, Neapel. Dort werden die Werke aufgeführt, die Geschichte machen. Dass abseits der Herzkammern der Opernwelt – am Eingang zur ungarischen Tiefebene – der Puls des Musiktheaters ebenso heftig schlägt, bleibt unbemerkt.

Dort in Esterháza, einem Nest mit gewaltigem Schloss, entstehen Opern, die wohl in London oder Venedig Furore gemacht hätten, wären sie dort einem Kenner-Publikum präsentiert worden.

Allein: Ihr Schöpfer, „Haus-Officier“ am Hofe des Fürsten Esterházy, hatte kaum eine Chance, sie der großen weiten Welt vorzustellen. Joseph Haydn schrieb für seinen Dienstherrn und dessen Entourage. Und so blieben Meisterwerke wie … Weiterlesen

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„Egal wohin, Baby“ – 70 Mikroromane von Christoph Ransmayr

Der Autor ist zu einer Lesung in Ingolstadt eingeladen, aber der Zug hat Verspätung. Also hetzt er im Laufschritt Richtung Kulturzentrum, das in einer Lagerhalle untergebracht ist. Da sieht er an einer Wand der Halle einen mit weißer Farbe gesprayten Spruch, der ihn innehalten und die Kamera zücken lässt: „Egal wohin, Baby“.

Stammen die Worte von einem Alltagsphilosophen, einem Dichter, der seiner Geliebten an jeden Ort der Welt folgen will? Oder will er sagen: Egal wonach man sich sehnt und wohin man flieht, man findet ohnehin überall dasselbe? Nach der Lesung zieht es den Autor zurück zur Wand und zum seltsamen Spruch, doch als ihm dort der vermeintliche Dichter mit Spraydose über den Weg läuft, hält der ihn für einen … Weiterlesen

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