Rätsel des Alltags (3): Problemkasse

Das rätselhafte Phänomen, von dem heute zu berichten wäre, ist nicht gänzlich neu. Es handelt sich aber um ein Weltgesetz, das sich immer wieder aufs Scheußlichste entfaltet.

Sobald ein Supermarkt oder ein vergleichbarer Ort des Konsums mehr als zwei Kassen hat, steht man mit Sicherheit an der Problemkasse. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um einen Sonderfall von Murphys Gesetz.

Es gibt verschiedene Varianten. Beispiele:

Du hast dich im Schweiße deines Angesichts bis auf Platz drei vorgewartet – und prompt stellt die Dame/der Herr an der Kasse just jetzt das Schild hin, auf dem steht, dass hier leider nicht mehr bedient werde. Feierabend. Nein, keine Ausnahme. Einmal muss eben Schluss sein.

Hier ist die Kassenwelt noch in Ordnung. (Foto: Bernd Berke)

Hier ist die Kassenwelt noch in Ordnung. (Foto: Bernd Berke)

Wo du stehst, kassiert ansonsten unter Garantie das bedauernswerte Geschöpf, das heute erst den zweiten Tag hier arbeitet.

Geschieht beides ausnahmsweise nicht, so bleiben immer noch etliche Möglichkeiten, um dich zur Verzweiflung oder in dumpfe Demut zu treiben:

Die extrem kurzsichtige Oma, die umständlichst ihre Ein- oder Zwei-Cent-Stücke hinlegt, um auch nur ja passend zu bezahlen, ist tausendfach beschrieben worden, kommt aber in Reinkultur nur noch recht selten vor. Manchmal freilich darf man ein solches Exemplar aus dem Reservat der bundesdeutschen Wirtschaftswundergeschichte bestaunen. Ausgiebig, versteht sich. Nostalgie erfasst dich. Gemischt mit Unmut. Eigentümlich.

Heute aber sind es eher die nassforschen Karten-Inhaber, die schon bei Minibeträgen für ärgerliche Verzögerungen sorgen. Da geht eigentlich immer etwas schief. Entweder arbeitet das Buchungssystem elend langsam. Oder die fühllosen Herrschaften tippen unverdrossen falsche Geheimzahlen ein. Oder die Karte ist nicht mehr frisch und muss daher an diversen Stoffen gerieben werden, ehe sie (wieder nicht) funktioniert. Egal. Zweite Karte vom anderen Institut gezückt – und neues Spiel riskiert. Fruchtet auch das nichts, so wird gegebenenfalls (nach paarpsychologisch hochinteressanten Dialogen) die widerspenstige Gefährtin bemüht, die schließlich zu nesteln beginnt.

Oft und gerne haben es die Menschen in der Schlange vor dir unterlassen, Obst und Gemüse auszuwiegen. Um keinen dröhnenden Streit zu entfachen, gehen die Kassierer(innen) still seufzend zum mindestens 40 Meter entfernten Grünzeugstand und legen jedes Teil eigenhändig auf die Waage. Irgendwann kehren sie erschöpft, aber unglücklich zurück.

Spontaner Umtausch oder Rückgabe auf Kassenhöhe sind gleichfalls ein elender Zeitfraß. „Ach, das sehe ich ja jetzt erst, das dieses Joghurt einen so ungesund hohen Zuckeranteil hat…“ Hin und her, schließlich Storno, am liebsten noch mit Unterschrift vom Ladenchef, der eigens herbeigerufen werden muss.

Die jugendliche Gruppe, die ohne Ausweispapiere harten Alkohol erwerben will und auf Misstrauen stößt, steht natürlich auch an deiner Kasse. Wenn’s beim lauten Palaver bleibt, ist es noch gut ausgegangen.

Nach all dem hast du es endlich, endlich geschafft, vornan zu stehen und die Ware aufs Band zu legen. Genau da eröffnet nebenan eine bislang verwaiste Kasse. Menschen, die Äonen nach dir die Szene betreten haben, schlüpfen behende hinüber. Fiese Schnäppchen- und Gelegenheitenjäger allesamt. Typisch deutsch. Steigen gleich draußen in ihre SUVs und nieten alles um.

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Bisherige Folgen der Reihe: Stöpsel-Spuk (1), Brezelschwund (2)

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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2 Antworten zu Rätsel des Alltags (3): Problemkasse

  1. Michaela sagt:

    Gehört man selber zu den Behende-hinüber-Schlüpfern (nein, bitte keine anzüglichen Witze an dieser Stelle!), kann man sicher sein, dass gerade, wenn man die lange Schlange vor der Problem-Kasse verlassen und beinah die kurze Schlange vor der Problemlos-Kasse erreicht hat, Letztere wie in der ersten von dir beschriebenen Variante schließt. Und will man nun reumütig zurückkehren in die (schier endlose!) Schlange vor der Problemkasse, sind natürlich alle aufgerückt, die von dir gerissene Lücke wurde alsbald geschlossen, und niemand, NIEMAND käme je auf die Idee, dich an deinen alten Platz zu lassen! Hättest ja nicht weggehen müssen. So!

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