Ruhrtriennale: Duisburg sagt Gregor Schneiders Installation „Totlast“ ab

Duisburg fürchtet sich. Nicht ganz Duisburg, doch zumindest der Oberbürgermeister: Sören Link hat entschieden, das Projekt „Totlast“ des Künstlers Gregor Schneider in Duisburg nicht realisieren zu lassen. Die begehbare Rauminstallation war als Projekt der Ruhrtriennale für das Lehmbruck Museum vorgesehen.

Für Duisburg nicht geeignet? "Liebeslaube" aus Schneiders Arbeit "Totes Haus u r". Copyright: Gregor Schneider/VG Bild-Kunst Bonn

Für Duisburg nicht geeignet? „Liebeslaube“ aus Schneiders Arbeit „Totes Haus u r“. Copyright: Gregor Schneider/VG Bild-Kunst Bonn

Link hat den Intendanten der Ruhrtriennale, Heiner Goebbels, am 7. Juli telefonisch von seiner Entscheidung unterrichtet. Begründung: Duisburg sei – vor dem Hintergrund der Geschehnisse bei der „Loveparade“ 2010 – „noch nicht reif für ein Kunstwerk, dem Verwirrungs- und Paniksituationen immanent sind, welches mit dem Moment der Orientierungslosigkeit spielt“.

Er habe sich die Entscheidung „nicht leicht gemacht und sehr schlecht geschlafen“, bevor er abgesagt habe, ließ der Duisburger Oberbürgermeister in einer Pressemeldung verbreiten. Doch die Wunden der „Loveparade“ seien noch nicht geschlossen und die juristische Aufarbeitung stehe erst am Anfang. „Mir ist völlig klar, dass bei dieser Thematik andere Bewertungen möglich sind. Letztendlich habe ich meine Entscheidung jedoch auf Basis meiner persönlichen Erfahrungen mit dem Thema Loveparade getroffen und werde diese auch so vertreten“, heißt es in der Erklärung von Sören Link.

Entschiedene Kritik meldeten die Ruhrtriennale und der Künstler an. Eine Sprecherin des Lehmbruck Museums wollte sich nicht äußern, sondern verwies auf das Referat für Kommunikation und Bürgerdialog der Stadt Duisburg.

Vor der Ablehnung durch den Oberbürgermeister hatten die Stadt und die Veranstalter im Rahmen des Genehmigungsverfahrens konstruktiv zusammengearbeitet, meldete die Ruhrtriennale. Das bestätigt die Stadt: „Im Rahmen des Genehmigungsprozesses kam es zu einer konstruktiven und deutlichen Annäherung an die Anforderungen der Bauordnung“, heißt es in der Pressemeldung.

Link betont, er habe unabhängig von der baurechtlichen Bewertung entschieden. Die Ruhrtriennale prüft jetzt, ob eine andere Arbeit Schneiders kurzfristig in einer anderen Stadt realisiert werden könne. Bereits gekaufte Eintrittskarten für „Totlast“ bleiben für ein eventuelles Alternativprojekt gültig oder können zurückgegeben werden. Das Erstattungsformular steht zum Download bereit.

Gregor Schneider. Foto: Linda Nylind/Ruhrtriennale

Gregor Schneider. Foto: Linda Nylind/Ruhrtriennale

Der in Rheydt lebende Gregor Schneider wurde er international durch sein „Totes Haus u r“ bekannt, das auf der Biennale Venedig 2001 den „Goldenen Löwen“ gewann. Noch mehr mediales Echo bereitete Schneider, den der „Spiegel“ als einen „der manischsten und gleichzeitig verschlossensten Künstler der Gegenwart“ bezeichnete, sein Plan, zur Biennale 2005 einen schwarzen Kubus von der Größe der Kaaba in Mekka auf der Piazza San Marco aufzustellen. Der Plan war Biennale-Kurator Davide Croff zu politisch. Schneider, 1969 geboren, ist seit 2012 Professor für Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München.

Der Titel der geplanten und jetzt verhinderten Rauminstallation bezieht sich auf einen Fachbegriff: „Totlast“ bezeichnet das Eigengewicht von Gegenständen, die Lasten transportieren. Gregor Schneider spielt mit seinem Titel auf einen riesigen Baukörper an, den NS-Architekt Albert Speer aus Beton gießen ließ, um zu prüfen, wie tief seine Monumentalbauten im märkischen Sand absacken würden. Noch heute findet man den undurchdringlichen Monolith in Berlin-Tempelhof.

Schneider baut seine Räume so, dass der Besucher nicht bemerkt, sich in einer Art begehbaren Skulptur zu befinden. Sie lassen sich nicht überblicken, verändern sich teilweise allmählich, wirken gerade wegen ihrer vermeintlichen Alltäglichkeit unheimlich. So lassen sie den Besucher an seiner Wahrnehmung und an seinen selbstverständlichen Begriffen von Raum und Welt zweifeln. Das hermetisch Geschlossene, das Unterirdische, das Verborgene spielen in Schneiders Arbeiten eine zentrale Rolle“, heißt es in einer Präsentation der Triennale.

Die eingangs skizzierten Argumente des Duisburger Oberbürgermeisters mögen subjektiv verständlich sein, sind aber weit hergeholt. Denn bei Schneiders begehbaren Installationen gibt es keinen unkontrollierten Massenandrang wie bei der „Loveparade“. Für „Totlast“ werden Eintrittskarten verkauft; der Besucherstrom wäre jederzeit zu überblicken gewesen. Bei einem eventuellen Anflug von Klaustrophobie oder Panik hätte ein Besucher keine anderen Menschen anstecken und jederzeit das Objekt durch Notausgänge verlassen können. Vergleichbar mit einer Situation, wie sie auf der Massenveranstaltung 2010 zur Katastrophe geführt hat, ist Schneiders Installation nicht. Insofern wackelt die Begründung für die Absage auf sehr dünnen Beinen daher.