Kratzer am Bild von Ikea

Gibt es da draußen jemanden, der noch kein Ikea-Regal zusammengebaut hat? Wohl kaum. Eine Reportage über das „unmögliche Möbelhaus“ geht uns also alle an.

Ordentlich eingekauft: Eine Familie verlässt ein Ikea-Einrichtungshaus. (Bild: WDR/Thomas Brill)

Ordentlich eingekauft: Eine Familie verlässt ein Ikea-Einrichtungshaus. (Bild: WDR/Thomas Brill)

Viele verbinden mit Ikea eine entspannte, freundliche und familiäre Atmosphäre. Doch „Der Ikea-Check“ (ARD), der über weite Strecken überzeugte, fiel nicht ganz so schmeichelhaft aus. Ein erster Vergleichstest mit einem großen Kölner Möbelhaus ergab, dass der Einkauf bei Ikea offenbar deutlich stressiger ist – Körpersensoren brachten es an den Tag.

Die Lust am Zusammenbauen

Erstaunlich, wie Versuchsgruppen ein und dasselbe Nachtschränkchen teurer einschätzten, wenn es noch zusammengebaut werden musste, als wenn es schon fertig vor ihnen stand. Allen Flüchen beim Hämmern und Schrauben zum Trotz: Das Zusammenbauen macht letztlich meistens Spaß und bringt auch ein wenig Stolz mit sich. Ein raffiniertes Prinzip, das weltweit Kunden an die Firma bindet.

Ein bisschen Schwund…

Ein Klassiker wie das „Billy“-Regal ist mit den Jahren billiger geworden. Wie kann denn das angehen? Nun, ein Tischler prüfte nach: Die Maße sind geschrumpft, die Qualität von Holz und Schrauben ist gezielt gesenkt worden. In Dekra-Testreihen erzielten die untersuchten Ikea-Produkte gerade mal das Prädikat „ausreichend“.

Fabrik im Lande des Diktators

Schließlich die „Fairness“. Ikea behauptet beispielsweise, eine bestimmte Kommode werde in Litauen gefertigt. Verdeckte ARD-Recherchen ergaben hingegen, dass zumindest wesentliche Mengen im diktatorisch regierten Weißrußland produziert werden, wo Löhne und sonstige Kosten noch sehr viel niedriger sind und wo Gewerkschaften nichts zu melden haben. Ikea zeichnet jedoch ein ganz anderes Bild von den eigenen Gepflogenheiten. Darf man hier von Vortäuschung falscher Tatsachen sprechen?

Da mag die Pressesprecherin noch so sehr begütigen: Manche Leute, die diese Sendung gesehen haben, dürften beim nächsten Ikea-Einkauf vielleicht ein bisschen nachdenklicher werden.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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3 Antworten zu Kratzer am Bild von Ikea

  1. Michaela sagt:

    Oh je – auch ich habe vor nicht allzu langer Zeit das Gebühren-Argument strapaziert … du hast schon Recht, Bernd, es ist ein bisschen sehr wohlfeil.
    Mich stört an IKEA vor allem auch die faschistische Vergangenheit des Gründers. Er hat zwar vor einigen Jahren, als diese publik wurde, sich öffentlich distanziert. Aber auch Ausbeutung von Häftlingen und anderen Arbeitskräften ist faschistoid. Das macht den Gesinnungswandel doch eher zweifelhaft.
    Und auch der Steuerhinterziehung wurde er vor wenigen Jahren beschuldugt. Was daraus wurde, weiß ich allerdings nicht. Tja, ist ja heutzutage nichts Besonderes mehr. Höchstens ein halber Skandal, wenn überhaupt.
    Ich kaufe nichts mehr bei IKEA.

  2. Bernd Berke sagt:

    Ach ja. Mit solchen Pauschal-Ablehnungen kann ich wenig anfangen. Die Formel „mit unseren Gebühren“ lässt sich immer schön universell einsetzen. Es gäbe allerdings wahrlich andere Anlässe, sie anzuwenden.

    Übrigens: Dass einst auch DDR-Häftlinge für Ikea gearbeitet haben, hat gleichfalls die ARD recherchiert – für einen ersten Ikea-Check vor drei Jahren.

  3. vaikl sagt:

    Wie schon im SPON geschrieben – die „manchen Leute“, die das noch nicht wussten, dürften die letzten zehn Jahre ausschließlich im Bällebad verbracht haben.

    Was sich die ARD mit unseren Gebühren da wieder als Nachahmer der billigen „Undercover“-Serien der Privaten leistet, spottet jeder Beschreibung.

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