Das Menschliche mit der Kamera suchen – Werkschau Herlinde Koelbls in Oberhausen

01 Schein und Sein, Andrea und Anita, München 2007 © Herlinde Koelbl

Schein und Sein, Andrea und Anita, München 2007. (Foto: Ludwiggalerie Schloß Oberhausen/Herlinde Koelbl)

Von Angela Merkel wird berichtet, dass sie die Fototermine mit Herlinde Koelbl in den ersten Jahren nicht so sehr schätzte. Nach einiger Zeit jedoch änderte sich das; dann habe sie ihre Sekretärin ab und an schon mal gefragt „War die Koelbl dieses Jahr eigentlich schon hier?“ Herlinde Koelbl erzählt es mit der ihr eigenen Fröhlichkeit, als sie sagen soll, wie sie denn so zurechtkomme mit den Mächtigen der Republik.

Gut kommt sie mit den Mächtigen zurecht, mit der Kanzlerin ebenso wie seinerzeit mit Joschka Fischer, Gerhard Schröder und etlichen anderen. Für ihre über Jahrzehnte laufende Arbeit „Spuren der Macht“ hat sie sie alle portraitiert, Jahr für Jahr, manche ein rundes Vierteljahrhundert lang. Nun hängen viele der Bilder in der Ludwiggalerie und erzählen vor allem vom Älterwerden. Und wer genauer hinguckt, erkennt vielleicht auch leichte Verschleißspuren. Doch alles in allem haben sich die Portraitierten gut gehalten – und Herlinde Koelbl wäre auch nicht der Typ, der um des Effekts willen mit der Kamera nach Kaputtheit und Ruin suchte. Die Fotografin schätzt das Positive, wie ihre große Werkschau auf drei Etagen jetzt erneut beweist.

02 Herlinde Koelbl, 2014 © Johannes Rodach

Die Fotografin Herlinde Koelbl, 2014 (Foto: Ludwiggalerie Schloß Oberhausen/ Johannes Rodach)

In Oberhausen gibt es ein Wiedersehen mit den Serien, die Herlinde Koelbl in den 70er und 80er Jahren bekannt machten: „Kinder“, „Männer“ und „Starke Frauen“, Blicke in „Das deutsche Wohnzimmer“, Blicke in die Schlafzimmer dieser Welt, auch in die einiger Prominenter. Da sehen wir dann zum Beispiel, dass das Bett des kolumbianischen Bildhauers Fernando Botero und seiner Frau von zwei prallen, überlebensgroßen, typischen Botero-Skulpturen flankiert ist. Erkennbar lebt der Meister in geradezu symbiotischer Nähe zu seinem Werk.

In einer weiteren Serie blicken wir in die Schreibzimmer deutschsprachiger Dichter – in das messihafte Chaos bei Friederike Mayröcker, in die klösterliche, nur mit Tisch und Stuhl möblierte Schreibklause Peter Handkes, in das voluminöse, aber gut geordnete Ambiente einer Christa Wolf. Ganz ähnlich hat die andere große Dame der deutschen Gegenwartsfotografie, Barbara Klemm, Künstler in ihrer Umgebung fotografiert – mit dem Unterschied, dass die Personen in Klemms Bildern anwesend sind. Trotzdem haben beide fotografische Positionen Ähnlichkeit, was für beidseitiges großes Einfühlungsvermögen spricht und daher letztlich nicht verwundern kann.

Mal sind Herlinde Koelbls Bilder eher klein und schwarzweiß, mal farbig, mal seriell gereiht, mal Einzelstücke. Warum mal so und mal so? Nun, die Freiheit nimmt sie sich eben und wählt den Stil, der ihr jeweils am besten zu passen scheint. Aus dem selben Grund auch werden einige Serien mit Interviewtexten ergänzt und andere nicht.

Am Anfang stand der Journalismus

Koelbls ungezwungener Umgang mit dem Formalen hat ihr hier und da allerdings den Vorwurf der Beliebigkeit eingetragen. Man weiß auch gar nicht so genau, als was man sie ansprechen soll: Bildjournalistin, Portraitistin, Konzeptkünstlerin? Ihre Anfänge jedenfalls haben eine unübersehbar journalistische Note. Die Schwarzweißbilder der „feinen Leute“ zum Beispiel, die zwischen 1979 und 1985 entstanden, zeigen die Lächerlichkeit vieler Rituale des sich selbst feiernden Blut- und Geldadels besonders deutlich, weil sie gut journalistisch zur richtigen Zeit am richtigen Ort in der richtigen Situation entstanden.

Spätere Koelbl-Arbeiten vermeiden den spontanen Beobachterstandpunkt; lieber spürt die Fotografin dem Menschlichen in mehr oder minder strengen formalen Setzungen nach und hütet sich vor allzu großer Nähe. Besonders radikal geschieht dies in ihrer Serie von Mündern. Ein machtvolles Tableau von 11 mal 13, mithin 143 gleich großen Mund-Bildern beherrscht den ersten Raum der Ausstellung.

Berühmte Serien und ein echtes Oberhausener Original

Haare und Körper sind ausgiebig ausgestellt, ebenso größere Teile der Serie „Kleider machen Leute“, die Menschen in Uniform und in Zivil zeigt und vor nicht allzu langer Zeit voll umfänglich in Dortmund zu sehen war. Ebenfalls sind einige ihrer „Jüdischen Portraits“ zu sehen.

Doch bietet die Oberhausener Schau mehr als ein sehenswertes „Best of“. Die Wand nämlich, auf der unter der Überschrift „Einmalige Begegnungen“ zahlreiche Promi-Fotos hängen, hat Herlinde Koelbl am Vorabend der Präsentation noch schnell mit Filzstift beschriftet, Name und Aufnahmejahr, Bild für Bild. So ist die Wand zu einem urigen Unikat geworden; man darf gespannt sein, ob es die Ausstellung überlebt.

Und woran arbeitet sie zur Zeit? Schon seit langem, antwortet die Fotografin, sei es ihre Gewohnheit, nicht über laufende Projekte zu sprechen. Auch eine „Lieblingsarbeit“ gebe es nicht. Fraglos liebt sie alle ihre Projekte, die in rund 40 Jahren entstanden. So unterschiedlich sie auch sind.

  • „Herlinde Koelbl – Fotografien von 1980 bis heute“, Ludwig Galerie Schloss Oberhausen. Bis 3.5.2015. Di-So 11-18 Uhr, Eintritt 8 €, Kombiticket m. Gasometer 11 €. Begleitheft (16 Seiten) 4 €. www.ludwiggalerie.de
image_pdfPDF öffnen / Open PDFimage_printDrucken / Print
Visited 8 times, 1 visit(s) today
Dieser Beitrag wurde unter Fotografie, Kunst & Museen abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert