Ein Maler mit vielen Talenten – Haus Opherdicke zeigt Bilder von Oskar Kurt Döbrich

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Schön bunt und fast ein bißchen wie von Hundertwasser: Aquarell „Tecklenburg, Tor rechts vom Museum“ aus dem Jahr 1929 (Foto: Kreis Unna)

In der Bretagne entstanden 1970 seine letzten Bilder, formenreiche, zerklüftete Landschaften, sorgfältig in Tusche auf das Papier gebracht. Im selben Jahr starb Oskar Kurt Döbrichs mit 59 in Münster. Er hinterließ ein eindrucksvolles Oeuvre, aus dem nun rund 120 Arbeiten in Haus Opherdicke zu sehen sind.

Seit etlichen Jahren ist es in Schloß Cappenberg wie auch in Haus Opherdicke guter Brauch, Künstler zu präsentieren, deren Schaffen durch den deutschen Nationalsozialismus eine jähe Unterbrechung erfuhr und die danach oft nicht an ihre frühere Entwicklung anknüpfen konnten.

Wer um sein Leben fürchten mußte, floh, andere gingen in die „innere Emigration“. Doch auch Maler wie eben Oskar Kurt Döbrich, die für sich nicht den Rassenwahn der Nazis fürchten mußten und auch politisch unauffällig blieben, wollten ihre Kunst nicht verraten. Döbrich, so der Eindruck, rettete sich mit Portraits, Akten oder Landschaften über die Zeit, blieb im Stil konventionell, ohne sich indes ästhetisch anzubiedern.

Fünf Jahre lang war Döbrich Soldat, und es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, daß sein Talent zwischen dem 22. und dem 34. Lebensjahr gleichsam auf Sparflamme kochte. Nicht vielen Künstlern gelang es, nach einer solchen Zeit durchzustarten, zumal die informelle abstrakte Kunst, die im Westdeutschland der Nachkriegszeit bald schon als das Moderne schlechthin galt, auch für sie meistens ganz neu war. In der Nazizeit hatte ihnen ja nicht nur die freie, künstlerische Betätigung gefehlt, sondern auch der Kontakt zu nationalen und internationalen Entwicklungen. (Manche schafften es trotzdem noch, Emil Schumacher, 1912 geboren, ist dafür ein Beispiel. Aber dies nur am Rande.)

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Die „Kleinstadtgasse“ (1935) aus der Sammlung Brabant machte die Museumsleute des Kreises Unna auf den Maler Oskar Kurt Döbrich aufmerksam. (Foto: Kreis Unna)

Er wollte immer Lehrer werden

Ob Oskar Kurt Döbrich nun viel berühmter geworden wäre, wenn es den deutschen Nationalsozialismus nicht gegeben hätte, steht dahin. Offenbar war sein Wunschberuf stets der des Gymnasiallehrers, und in seiner Soldatenzeit – als Unteroffizier – legte er in Münster sein Biologieexamen ab. Flott war er nach dem Krieg entnazifiziert, wurde Studienrat, später Oberstudienrat und das ist keineswegs zu tadeln, belegt aber auch nicht eben einen Karriereknick.

Döbrich hat gemalt und in Linoleum geschnitten, radiert und gedruckt, er hat mit harter Feder feine Tuschestriche gezogen, mit Kohle und Kreide Flächenstimmungen geschaffen, aber auch aquarelliert und manchmal einfach einen Bleistift genommen. Er hat es bei alledem zu früher Meisterschaft gebracht und war gewiß ein Lehrer, bei dem man etwas lernen konnte.

Bei so viel technischem Können den persönlichen Stil herauszufinden, fällt indes nicht leicht. Vielleicht hätte der sich stärker ausgebildet, wenn nicht die Zäsur der Nazizeit gewesen wäre, vielleicht aber auch entsprang die stilistische Vielfalt dem Selbstverständnis eines der Wissensvermittlung sich verpflichtet fühlenden Pädagogen. Fast ausnahmslos ist das Oeuvre geprägt vom Arbeiten nach der Natur. Landschaften und Gebäude haben Döbrich offensichtlich stets interessiert, Bäume und Blumen hat er mit Hingabe auf die Unterlage geworfen.

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Döbrich schuf auch sehenswerte Karikaturen: Frau mit Pelzkragen (1932) (Foto: Kreis Unna)

Manchmal hat er auch Gefallen daran gefunden, sein Handwerk auf die perfektionistische Spitze zu treiben. In mehreren Stilleben aus den 30er Jahren beispielsweise ist ein gewöhnliches Küchenhandtuch mit regelmäßigem rotem Streifenmuster so detailverliebt ins Bild drapiert, daß man sich fast vor dem Werk eines niederländischen Renaissancemalers wähnen könnte. Nur liegen hier nicht die sattsam bekannten Luxuslebensmittel jener Epoche, die Hummer, Wachteln, Trauben usw. auf dem Tisch, sondern profane Dinge wie eine Streichholzschachtel oder eine einzelne Orange. In diesem Bildern herrscht noch frohe Farbigkeit; in den späteren „braunen“ Jahren geht Farbe weitgehend verloren, dominieren die „schnellen“ Techniken Tusche, Kreide und Kohle, was natürlich auch den Umständen geschuldet sein kann, der Soldatenzeit zumal.

Zwei Bilder in der Sammlung Brabant

Die Bilder der 30er Jahre indes, die Sigrid Zielke-Hengstenberg und Thomas Hengstenberg vom Fachbereich Kultur des Kreises Unna vor etlichen Jahren in der Sammlung Brabant erblickten, hatte Oskar Kurt Döbrich 1935 noch als (farbige) Gouachen auf Papier ausgeführt. Sie gaben seinerzeit den Anstoß, die Ausstellung zu planen, die nun endlich in Opherdicke zu sehen ist. Stadtlandschaftsbilder sind sie alle beide. Die „Kleinstadtgasse“ ist eng und in einigen Details mit einer Andeutung von Kubismus ein wenig aus der Perspektive gedreht, die trostlose Häuseransammlung an der Landstraße, die auch zwei Werbeschilder für „Shell“ und „Sarotti“ nicht wirklich aufhübschen können, strahlt hingegen fast schon so etwas wie Hoppersche Tristesse aus (indes fehlt die gelangweilte blonde Schöne im Hotelzimmer, aber dies nur am Rande).

Reproduktion, Oskar Kurt Döbrich

„Stilleben mit Büchern“ (und einem extrem realistischen Küchenhandtuch) von 1935 (Foto: Kreis Unna)

Mehrfach fühlt man sich an andere Künstler erinnert, erstaunlicherweise indes an solche, die teilweise erst viel später kamen. So könnte ein quietschbuntes „Kornfeld“ von 1946 – grünes Gras, gelbes Korn, rote Dächer, blauer Himmel – auch auf Cy Twomblys iPad entstanden sein, läßt ein „Brauner Krug“ von 1928 an die langweiligen Büromaschinen Konrad Klaphecks denken. Gewiß, solche Ähnlichkeiten müssen zufällig sein. Doch zeugen sie von einer intensiven Auseinandersetzung mit Techniken, Formen und Farben, die diesem Maler in besonderem Maße eigen ist.

Anfang der 50er Jahre – auch an Oskar Kurt Döbrich gingen die Entwicklungen natürlich nicht unbemerkt vorüber – versuchte er sich an abstrakten Formen. Aus dem Jahr 1952 sind kurvige Flächenkompositionen mit den Titeln „Grau und Schwarz“ und „Rhythmische Studie 6“ zu sehen.

Doch bald schon ist er wieder auf dem Weg zum Gegenständlichen, wie mustergültig seine „Komposition mit Figuren“ von 1954 zeigt. Die „Komposition 17“ von 1960 läßt an Lyonel Feiningers Erfurter Dom denken, und in mehreren holländischen Stadtansichten bricht sich das konkrete Bauliche unter rhythmischen Schraffuren Bahn – gerade so, als ob ein Schleier fortgezogen würde. In den italienischen Aquarellen ist der Maler Mitte der 60er Jahre wieder ganz gefangen von der Anmut des Ambientes, der er seine Kunst widmet. Die Welt, scheint diese Kunst zu sagen, ist viel zu schön, als daß man sie nicht malen müsste.

  • „Oskar Kurt Döbrich – Das Leben als große Wanderung“
  • Haus Opherdicke, Dorfstraße 29, Holzwickede
  • 8. März bis 28. Juni 2015
  • Geöffnet Di-So 10.30 – 17.30 Uhr
  • Eintritt 4,00 €, Familienkarte 8,00 €, Jahreskarte 20,00 €, Kombikarte (mit Cappenberg) 30,00 €
  • Der umfangreiche, uneingeschränkt empfehlenswerte Katalog kostet 24,00 €.