Dem Ruhrpott seine Sprache

Mit de Sprache in unserm feinen Pott der Ruhr iss datt ja sonne Sache! Viele tun datt Ruhrie-Dialekt ja sowatt von schmähen und finden et einfach nur schäbich! Ich sach Euch hier und heute: Tutto kompletto zu Unrecht! Wochenlang ham wa hier geforscht und phänomenale sprachwissenschaftliche Erkenntnisse zutage gefördert. Iss ja klaar.: Hochmoderne Fördertechnik war schliesslich schon imma die Domäne in unserm Revier! Ergebnis: Wer nämlich die hochkomplexen Strukturen des Ruhrpott-Deutsch nicht verstehen tut, der offenbart unflexible Bildungsgeschmeidigkeit und mangelnde Lateinkenntnisse! Jaha. So sieht datt nämlichst aus.

Tun wa ma ganz banal mit de Aussprache anfangen: Gelsenkirchen-Buer oder Oer-Erkenschwick spricht der Nichtwissende gerne mal als Bür oder Ör aus. Der Lateiner hingegen weiss sofort Bescheid. Datt ist wie von janz früher. Wir hier, wir halten Traditionen hoch. Et heisst Bu-er wie im lateinischen pu-er, der Junge. Und erst die Endungen diverser Ortsnamen, sie zeigen ebenfalls tiefe romanistische Verwurzelung. Bochum z.B. – eine klassische Endung. Kann sogar dekliniert werden nach lateinischen Vorbild (Genitiv Bochi, Dativ Bocho). Stadttteile wie Styrum, Karnap, Fulerum, Ardey, wenn das keine römischen Ursprünge sind, die hier bis heute geehrt werden. Ach, und alleine das Wort Ruhr. Es kommt vom lateinischen Wortstamm rurus. Rure bedeutet auf dem Lande, Rus Ruris kann das Land bedeuten, aber auch die Weite und der Raum.

Richtig interessant wird es aber, wenn man in die Tiefen der Grammatik eintaucht. Das klappt bei einem Neuzugang im Ruhrpott ohne Latein Kenntnisse sowatt von gar nie nich. Wer im Lateinischen nie den Vokativ geübt hat, der wird niemals heimisch werden hier. Der nicht Ruhrie-Kundige würde jede Anrede einleiten mit einem „Ey, Du Doower!“ Datt aber, verehrte Freunde der Sprachjonglierkunst, geht sowatt von überhaupt gar nicht. Hier sacht man „Ey, Du Doowen“ und nix, aber auch nix anderet!

Sehr wichtig sind auch Kenntnisse fein abgestufter Zeitnuancen, sprich Gerundium und Gerundivum: Er iss am spinnen. Ich bin am machen dran. Wir sind am machen dran am tun. Eine der schwierigsten lateinischen Finessen, der Hortativ, wird ebenfalls bis heute im Ruhrpott verwendet. Anderswo schon längst verschwunden, wir hier sind dessen mächtig. Ergo klassische Übersetzung der lateinischen Aufforderung Dicemus: „Womma so sagen ……….“

Ebenso sind im Ruhrpott-Sprech Dativ und Akkusativ nicht so leicht vorauszusagen. Die Regel lautet: Bei den Verben des Setzens, Stellens, Legens fragt man im Lateinischen „Wo“, im Deutschen „wohin“. Aber nicht überall in deutsche Landen. Wir innem Pott, wir können die Hochform: „Stell mich ma datt Glas auffen Tisch“ oder „Ich gehma im Bett.“. Umgekehrt kommt oft da, wo im Deutschen ein Dativ steht, im Lateinischen unerwartet ein Akkusativ. Ganz wie bei uns. „Datt Bad iss hinter die Tür.“ Der aufmerksame Leser ahnt jetzt schon, dass manche angeblich falsche Verwendung des dritten oder vierten Falls in Wirklichkeit der Ablativ ist. „Komma bei mich bei“ oder „ich geb ihm datt mit bei!“ Auch die Diskussion, ob es „zu Aldi oder nach Aldi“ heissen muss – überflüssig. Der Pötter iss da ganz Partizip Präsens Aktiv und geht ma flugs „ebent beim Aldi einkaufen“.

Fazit : Wer hier bei uns kommen will, der hat mit nem kleinen, feinen, schicken Latinum ’ne solide Basis. Den Rest, den kricht er von uns locker gelernt!