Portraitist der jungen Bundesrepublik – Bilder von Hans Jürgen Kallmann in Haus Opherdicke

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Junger Orang-Utan, 1970, Tempera, Pastell (Bild: Kreis Unna)

Der Kopf von Bert Brecht ist so groß, daß er kaum auf das Blatt paßt; der Kopf von Franz Josef Strauß füllt kaum die Hälfte des Blattes und ähnelt in seiner halslosen Rundheit einer Bowlingkugel. Zufall? Vielleicht schon, zwischen den beiden Pastellen liegen fast 30 Jahre. Vielleicht aber auch nicht. Der Maler Hans Jürgen Kallmann, der von 1908 bis 1991 lebte und dem der Kreis Unna nun in Haus Opherdicke eine Ausstellung ausrichtet, hatte Humor.

Kallmanns Kunst ist anspruchsvoll, aber nicht sperrig, war es wohl auch zu keiner Zeit. Natürlich probierte der junge Mann vieles von dem aus, was in den 20er, 30er Jahren in der Malerei als modern galt, versuchte sich in impressionistischen und expressionistischen Bildauffassungen – doch wenn man durch die Bilderschau im Obergeschoß wandert, sieht man schnell, daß größte Stärken in der Abbildung von Menschen und Tieren liegen.

„Entarteter Künstler“

Den Tieren verdankt Hans Jürgen Kallmann sozusagen seine Einordnung als „entarteter Künstler“, 1937 bereits. Wenn Geschichten wie diese im mörderischen Rassenwahn der deutschen Nationalsozialisten nicht einen so ernsten Hintergrund hätten, müßte man über sie lachen. Eins der Kallmann-Bilder nämlich, die die Nazis aus Ausstellungen in Köln und Berlin entfernten, zeigte eine „Hyäne in der Nacht“, an der den Machthabern mißfiel, daß eine „rassisch minderwertige“ Tierart Hauptthema eines Bildes war. Auf so was muß man erstmal kommen. Hans Jürgen Kallmann konnte mit dem Stigma des „entarteten Künstlers“ einigermaßen leben, wenngleich er bis zuletzt Angst vor Diffamierung und weiterer Repression hatte.

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Bundeskanzler Konrad Adenauer, 1963, Pastell (Bild: Kreis Unna)

Und nach dem Krieg kam die große Zeit für den Künstler. Politisch unbelastet und dem angesagten Informel der Wirtschaftswunderzeit gegenüber eher ablehnend gestimmt, wurde er schnell zu einem der gefragtesten Portraitisten der jungen Bundesrepublik. Konrad Adenauer, der erste Kanzler, hatte mehrere Sitzungen bei Kallmann, in denen 17 Pastelle entstanden sowie das Ölbild, das im Bundeskanzleramt die Reihe der deutschen Kanzler eröffnet. Die Pastelle, die ähnlich wie Fotoserien verschiedene Perspektiven ausprobieren, gefielen „dem Alten“ – im Entstehungsjahr 1963 war Adenauer 89 Jahre alt – übrigens besser als das naturgemäß recht statuarische Endprodukt in Öl, erinnert sich die Witwe des Künstlers Dr. Gerda Haddenhorst-Kallmann. Sie hat er übrigens 1977 in Öl und im Profil gemalt und das Bild „Gerda in Burgunder“ genannt. Wahrscheinlich ist das burgunderfarbene Kleid der Gemahlin gemeint, doch läßt die Zubereitung „in Burgunder“ durchaus auch ans Essen denken. Ein „lecker Mädchen“ mithin in rheinischer Lesart. Der Maler hatte Humor.

Leuchtende Trompete

Den Bundespräsidenten Theodor Heuss (1884-1963) hat er gemalt, den Philosophen Ernst Bloch (1885-1977), Papst Johannes XXIII (1881-1963) und viele mehr. Nicht alle Bilder entstanden nach persönlichen Begegnungen in Sitzungen. Louis Armstrong beispielsweise malte Kallmann in starker expressionistischer Verknappung, ein konzentrierter Mensch vor dunklem Grund, dessen Trompete, mit großen Händen gespielt, gelbgolden hervorleuchtet.

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Der Schauspieler Max Proebstl in der Rolle des Falstaff, 1962, Öl auf Leinwand (Bild: Kreis Unna)

Überhaupt, die Künstler: Da geht die Reihe von der Opernsängerin Grace Bumbry bis zum Dirigenten Hans Knappertsbusch, vom Autor Rolf Hochhuth bis zur Schauspielerin Tilla Durieux (1880-1971).

Pastelle geraten nach der Natur, hin und wieder jedoch genehmigt sich der Künstler eine pointiertere Deutung seines Gegenübers, wenn er etwa den italienischen Schauspieler Lino Ventura (1919-1987) mit einer momenthaften, jedoch überaus charakteristischen abwägend-zögerlichen Gesichtsmimik zeigt, die optisch durch die vorgestülpte Unterlippe geprägt wird; oder wenn er sich – eine ungewöhnliche Anordnung – im Gespräch mit dem österreichischen Schauspieler Helmut Qualtinger (1928-1986) abbildet und Qualtingers Kopf in dem Bild viel, viel größer ist, als es nach der Natur sein könnte. Vermutlich ist dies eine tiefe Verbeugung des Malers vor dem intellektuellen Bühnenberserker, der an der Welt litt, dem Alkohol zugewandt war und zu früh starb.

Bilder aus Ismaning

Thomas Hengstenberg als Leiter des Fachbereichs Kultur und Sigrid Zielke-Hengstenberg als Kulturrefentin haben die rund 90 Arbeiten in Haus Opherdicke sinnhaft zusammengestellt und klug gegliedert. Die meisten von ihnen sind Leihgaben des Kallmann-Museums in Ismaning, wo der Künstler seit den frühen 60er Jahren lebte.

Bilder wie die jetzt gezeigten, die zahlreichen Pferdebilder zumal, gefallen vielen Menschen auch heute noch. Würde man sie deshalb gefällig nennen, wäre das ungerecht, weil dem Wort eine gewisse Geringschätzung anhaftet. Hans Jürgen Kallmanns Bilder sind harmonisch in Farbe und Strich, handwerklich untadelig, souverän proportioniert und, so weit es die Portraits betrifft, von psychologischer Genauigkeit. Außerdem bieten sie ein oft vergnügliches Wiedersehen mit berühmten Köpfen von früher. Ein großes Aufregerthema jedoch ist dieses Oeuvre nicht. Wer sich über Kunst aufregen will, braucht nicht nach Opherdicke zu kommen.

  • Hans Jürgen Kallmann, Haus Opherdicke, Dorfstraße 29, Holzwickede.
  • 23. August bis 22. November 2015
  • Geöffnet Di-So 10.30 – 17.30 Uhr
  • Eintritt 4 €, Katalog 24 €
  • www.kreis-unna.de, www.kulturkreis-unna.de
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