Vom Hörspiel zum Buch: „Task Force Hamm“ als Sammelbecken polizeilicher Problemfälle

E_Schmidt_Task Force Hamm_02.indd Tatort Hamm? In der ARD? Noch nie gesehen? Aber gehört vielleicht schon. Die „Task Force Hamm“ gehört zu den Ermittlerteams des ARD Radio-Tatorts und wird im Rahmen dieser Hörspielserie vom WDR ins Rennen geschickt. Jeden Monat gibt es in den Rundfunkanstalten der ARD ein neues Tatort-Hörspiel, in denen ein Ermittlerteam mit starken regionalen Bezügen Verbrechen aufklärt. Zu den beliebtesten Teams dieser Radio-Reihe gehört die Task Force Hamm.

Der Erfinder des Hammer Teams, Dirk Schmidt, verfasste bisher zahlreiche Kriminal-Hörspiele und Drehbücher. Seine „Task-Force Hamm“ fand großen Anklang und hat eine Reihe treuer Fans. Mit „Ertränkt, Erhängt, Erschossen“ liegt nun der erste Fall in gedruckter Form vor. Adaption mal andersrum. Meistens liegt ja erst ein Buch vor, welches dann verfilmt oder vertont wird. Aber das Wagnis hat sich durchaus gelohnt. Von kleinen Einschränkungen abgesehen.

Ausgerechnet Hamm, mag sich nun so mancher denken. Hamm – die unbekannte, unspektakuläre, gerne ignorierte Stadt. Nicht mehr ganz Ruhrgebiet, noch nicht so ganz Münsterland und auch sonst fallen einem dazu allenfalls die Stichworte Kraftwerk und Elefant ein. Aber genau aus diesem Grund ist Hamm für den WDR der Ort des Geschehens.

Hochgestellte Herren der Landespolizeibehörde haben beschlossen, es ist Zeit für eine Konzentration. Es gehe nicht länger an, dass in Ungnade gefallene Polizisten, die man aus den verschiedensten Gründen nicht einfach rausschmeißen kann, dauernd quer durchs Land und somit diverse Abteilungen in Unruhe versetzt werden. Vielleicht macht es das Ganze handelbarer, wenn man sich einfach eine Behörde ausguckt, in die man all diese gescheiterten Existenzen versetzt. Dann hat man zwar noch immer ein Problem, aber man versucht es mal mit der Losung: Besser ein großes Problem als viele kleine.

Und so erwischt es die kreisfreie Polizeibehörde Hamm. Sie wird zum Sammelbecken für die ungelösten Problemfälle der Polizei. In der zur „Strafkolonie“ gewordenen Mordkommission finden sich zusammen: der spielsüchtige Hauptkommissar Scholz, der Haus, Hof und seine Ehe dem Gott des Rouletts geopfert hat. Der gutmütige, aber ziemlich schlicht gestrickte Hobby-DJ Latotzke, der einzige gebürtige und somit ortskundige Hammer – bei der Polizei nur dank „Vitamin B“. Der zu Aggressionen neigende Kollege Ditters, der nicht so recht weiß, ob er Männlein oder Weiblein oder vielleicht einfach nur schwul ist.

Zusammengehalten wird diese Chaoten-Truppe mehr schlecht als recht vom Dienststellenleiter Vorderbäumen. Der Chef wartet auf dem Abstellgleis, während seine Klage gegen vorzeitige Pensionierung läuft und beschäftigt sich derweil vorzugsweise mit einem Nebenerwerb als Möbelhändler.

Kommissar Scholz jedenfalls nimmt trotzig die Herausforderung Hamm an und setzt all seinen verbliebenen Ehrgeiz darein, den ersten Mord, der auf seinem Tisch landet, restlos aufzuklären. Die „Task Force Hamm“ wird zur Leiche des Metzgers Terjung gerufen. Zunächst weiß man nicht einmal, ob der arme Mann erhängt, erschossen oder ertränkt wurde. Klar ist zunächst nur: der Verdächtigen gibt es viele und starke Emotionen sind im Spiel. Vom enttäuschten Vater über die aus dem Katalog georderte mit dem Metzger ganz frisch verheiratete Thailänderin bis hin zum verschwundenen Zockerkumpel, der sich gemeinsam mit Terjung wohl mit Geldgebern angelegt hat, denen man besser nicht im Dunkeln begegnet. Scholz besinnt sich auf seine durchaus respektablen Fähigkeiten als Ermittler und bringt erstmal seine Truppe auf Trab…

Dass es sich hier um ein ausformuliertes Drehbuch handelt, merkt man durchaus. Dies stört aber vornehmlich nur an Stellen, an denen man das Gefühl hat, die Handlung wurde unnötig in die Länge gezogen. Die ARD-Radio-Tatort-Hörspiele dauern lediglich 55 Minuten und um das Ganze auf normale Buchlänge zu bringen, wurden hie und da Erklärungen eingefügt, die man jetzt auch als Leser nicht unbedingt zum Verständnis gebraucht hätte.

Aber davon abgesehen, ist der Krimi gut zu lesen. Subtiler Wortwitz wechselt sich ab mit brachialem Humor, die Grenzen zur Stammtisch-Peinlichkeit werden aber recht geschickt eingehalten. Bierernst ist der Krimi nicht zu nehmen, was der Vielzahl der behandelten Themen und teilweise auch sehr aktuellen Problemen nicht immer gut bekommt. Was es gar nicht gebraucht hätte: Den Ton des Märchenonkels auf den letzten Metern, als es um die Katharsis des zweifelnden Ditters geht. An dieser Balance dürfte zu arbeiten sein, aber grundsätzlich betritt mit der Task Force ein etwas anderes, durchaus liebenswertes Team die Krimi-Bücherszene.

Dirk Schmidt: „Ertränkt, erhängt, erschossen – Task Force Hamm“. Grafit-Verlag Dortmund, 205 Seiten, € 9,99

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