Lachen über „kuriose Kundschaft“

Gewiss: Meine grippale Fieberkurve steigt kontinuierlich. Doch noch schreibe ich dies bei klarem Verstand. Zur Sache:

Über Amazon kann man sagen, was man will. Beispielsweise, dass der Riesenkonzern seine Mitarbeiter nicht immer gut behandelt, um es mal vornehm auszudrücken. Als Versandkunde hingegen kann man sich kaum beklagen. Da orientiert sich die Weltfirma am Servicegedanken, wie nur je im US-amerikanischen Handelsgeiste üblich.

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Wie ich darauf komme? Was hinter den Kulissen geschieht, weiß ich nicht. Aber nie und nimmer würde sich Amazon öffentlich über seine Klientel lustig machen. Das überlassen sie beispielsweise einer Klamotten-Klitsche wie www.WeAre.de, die ihren neuen (gedruckten) Katalog damit einleitet, dass sie aus Mails und Briefen an den „Kundenservice“ (och!) zitert, in denen sprachlich und/oder semantisch etwas schief gegangen ist. Ha-ha-ha, wie überaus lustig.

Das Ganze läuft unter der Zeile „Auszüge aus dem WeAre.de Kuriosenordner“.

Also, Folks. Entweder „aus dem kuriosen Ordner“ oder „aus dem Kuriositätenordner“. Die selbstgefälligen Schlaumeier, die offenbar selbst linguistische Dilettanten sind, zitieren anschließend aus Zuschriften einiger Leute, die vielleicht nicht die ganz großen Bildungschancen hatten oder sich als Migranten vielleicht sehr um die deutsche Sprache bemühen, z. B. so: „Ich wollte fragen ob meine Bestellung ist schon im weg“. Will man einen solch unschuldigen Satz, bei dem man doch wohl weiß, was gemeint ist, dermaßen bloßstellen, muss man schon ziemlich zynisch sein.

Ein paar verschrobene Beschwerden über geliefertes Schuhwerk werden sodann ebenso weidlich ausgekostet wie kleine bis mittlere Sprachschnitzer oder Ungeschicklichkeiten im Umgang. Hie und da scheint es auch Menschen zu geben, die den Versand bei Retouren und dergleichen übers Ohr hauen wollen. Doch selbst solche Befunde sollte man nicht offen zu Markte tragen; erst recht nicht in einem Höker-Verzeichnis, das als schickes Trendmagazin aufgemacht ist.

Das Fazit scheint zu lauten: Seht her, auch so beschränkte und impertinente Leute kaufen bei uns. Die so hämisch angesprochenen (klügeren?) Kunden sollen wohl gemeinsam mit der Firma lachen. Doch worüber eigentlich?

Ganz früher hätten sie uns ermahnt: Das gehört sich einfach nicht. Manchmal, heute, schätze ich solche altmodischen Sätze.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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3 Antworten zu Lachen über „kuriose Kundschaft“

  1. Michaela sagt:

    Gibt es überhaupt mangelnde Ausdrucksweise? Ich fürchte nein. Wehe, ihr lacht jetzt über mich!

  2. Michaela sagt:

    Wenn es sich um holpriges Deutsch und/oder mangelnde Ausdrucksweise bzw. Orthographie handelt, finde ich es auch geschmacklos und gemein. Wie Bernd schon sehr treffend anmerkte: Das gehört sich nicht!

    Aber die Sache mit dem Sweater-Umtausch ist schon sehr lustig.

  3. mt sagt:

    Falls sich ein Leser selbst ein Bild machen möchte, kann er dies auch online.

    Das besagte Kundenmagazin gibt es auch in elektronischer Form:

    http://issuu.com/weareshop/docs/weare_4_fullpreview_es

    Ich find’s auch reichlich geschmacklos, wie dort zahlende Kunden vorgeführt werden.

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