Nicht nur Vulkanasche – Die Lesenation Island war Ehrengast der Frankfurter Buchmesse

Riesige Leinwände mit den Porträts Lesender vor gut bestückten Bücherregalen geben Einblicke in isländische Wohnzimmer. Und wie da gelesen wird! Island ist das Land mit den meisten Büchern pro Einwohner. Die Projektionen im Island-Pavillon auf der Frankfurter Buchmesse, die man auf den ersten Blick für Dias hätte halten können, bewegen sich. So viel oder so wenig sich jemand bewegt, wenn die Lektüre ihn fesselt.
„Wir wollen das Wohnzimmer der Messe sein“, hatte sich Thomas Böhm, Literatur-Programmleiter des diesjährigen Buchmesse-Ehrengasts, vorgenommen. Das ist ihm gelungen. Der Island-Pavillon, eine komplette Etage des weitläufigen Forums, wurde mit Sesseln, Sofas, Perserteppichen, Kronleuchtern, einem Café und natürlich mit jeder Menge Bücherregalen ausgestattet, in denen die zahlreichen Neuerscheinungen isländischer Literatur bereitstehen – darunter 230 Übersetzungen, die in 111 deutschsprachigen Verlagen allein in diesem Jahr erschienen sind.
Island beweist der Welt, dass es auch anderes produzieren kann als Wolken von Vulkanasche. Das Land des höchsten Bücherkonsums pro Kopf bildet nicht nur eine Kultur von Lesenden, Island ist auch eine Nation produktiver Schriftsteller. Sehr viele von ihnen sind am Freitagabend zur großen Party im Island-Pavillon erschienen: Kristof Magnusson, Hallgrímur Helgasson, Steinunn Sigurdadottir, Sjón, Steinar Bragi standen im Gespräch mit deutschen Autoren wie Martin Mosebach oder dem Schauspieler Joachim Król, mit nationalen und internationalen Verlegern, Übersetzern, mit den Kritikern Denis Scheck, der Kritikerin Sigrid Löffler oder einem anderen der zahlreich erschienenen Medienvertreter.

Das Wohnzimmer der Buchmesse – der Island-Pavillon

Ab 17 Uhr, wenn sich die Frankfurter Buchmesse zur Partymeile wandelt, war der Island-Pavillon am Freitag das größte Ereignis. Ohne dabei zu protzen oder in staatlich verordneten Ritualen zu erstarren wie beispielsweise der Ehrengast China vor zwei Jahren. Man fühlte sich behaglich in der ungezwungenen Atmosphäre des Pavillons, der unaufdringlich für die Vorzüge des Gastlands zu werben verstand. Mit Fischsuppe, die Islands bekanntester Fernsehkoch auftischte, mit dem Schnaps, den Thomas Böhm verteilte, mit der Jazzband in einer Unterhaltungen eher fördernden als unterbindenden Lautstärke. Wer sich dennoch zum Chillen zurückziehen wollte, konnte in einem großen Kubus die isländische Landschaft von fünf Seiten auf sich einwirken lassen, konnte über Vulkankegel fliegen, zwischen Fischschwärmen im sicherlich eiskalten Wasser tauchen, um gleich darauf in heißen Quellen zu baden oder bei Streicherklängen im Licht der Mitternachtssonne durch Rejkyavík zu flanieren.

Infos und Schnaps teilt Thomas Böhm (rotes Jackett) freigiebig aus

Gegen 21 Uhr verlagerte sich die Party in den legendären „Sinkkasten“, eine Uraltdisko nahe der Zeil, wo die Independent-Verlage ihr Fest feierten. Nachdem dort Charlotte Roche (souverän) und Jakob Augstein (schlecht vorbereitet) die Preisverleihung der Hotlist moderiert hatten – den Hauptpreis erhielt die Frankfurter Verlagsanstalt für ein Buch von Nino Haratischwili; den Melusine-Huss-Preis bekam Stroemfeld für Peter Kurzecks neuestes Buch –, ging es auch im „Sinkkasten“ mit Island weiter. Der DJ, der die Gäste bis halb sechs morgens am Tanzen hielt, kam aus Rejkyavík.