Schlagwort-Archive: Kunsthalle

Die visionären Erwartungs-Räume des Giorgio de Chirico – ein virtueller Besuch in der Hamburger Kunsthalle

Giorgio de Chirico: „Der Lohn des Wahrsagers“ (1913), Öl auf Leinwand. (Philadelphia Museum of Art, Louise and Walter Arensberg Collection, 1950 / VG Bild-Kunst, Bonn 2021 / Artist Rights Society (ARS), New York, SIAE, Rome – Foto: © Philadelphia Museum of Art)

Um mal positiv zu denken: Immerhin haben sich im Zuge der Corona-Pandemie die längst noch nicht ausgeschöpften Möglichkeiten des Digitalen auch hierzulande deutlich erweitert, besonders im Schulwesen und im Kulturbereich. Wäre ich gestern aus Dortmund zur Hamburger Kunsthalle angereist? Wohl kaum. Unter den obwaltenden Umständen: erst recht nicht. Wie gut also, dass es einen virtuellen Rundgang durch die neueste Ausstellung des Hauses geben konnte. Besser noch: Die Hanseaten haben eine famose Schau über die „metaphysischen“ Jahre des Giorgio … Weiterlesen

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Flimmern, Vibrieren, erhabene Ruhe: Die malerischen Farbforschungen des Kuno Gonschior in Recklinghausen

Kuno Gonschior: „Gelbtrans“ (2003), Mischtechnik auf Leinwand, 200 x 190 (Privatsammlung)

Vor manchen dieser Bilder bekommt man rasch Augenflimmern, so sehr scheinen die vielen kleinen farbigen Bildpunkte auf den Untergründen zu tanzen, zu pulsieren, zu vibrieren; all dies noch gesteigert, wenn der Künstler grelle Leuchtfarbe verwendet hat.

Doch dann wiederum, besonders im späteren Werk, verströmen einige Bilder eine geradezu erhabene Ruhe in Blau, Grün oder Gelb, die an gewisse Naturerlebnisse erinnert. Er hat sie dann auch gelegentlich „Landscapes“ genannt. Kuno Gonschior hat wahrlich weite Felder der Farbigkeit durchmessen. Anfangs im Banne von mancherlei Farbtheorien und nach eigenem Bekunden eher wie ein Chemiker oder Physiker zugange, ist er mit den Jahren zusehends den eigenen Emotionen gefolgt, bis hin zu kreativen Rauschzuständen. … Weiterlesen

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Recklinghausen: Franzose Daniel Buren verwandelt Ruhrfestspielhaus und Kunsthalle

Das Recklinghäuser Festspielhaus, versehen mit Daniel Burens Farbfolien. (Foto: Kunsthalle Recklinghausen)

Das Recklinghäuser Festspielhaus, versehen mit Daniel Burens Farbfolien. (Foto: Kunsthalle Recklinghausen)

Die Kunstausstellung der Ruhrfestspiele überschreitet diesmal das museale Gehege und erfasst die Architektur zweier markanter Gebäude in Recklinghausen: Festspielhaus und Kunsthalle.

Nach je eigenen Prinzipien hat der namhafte französische Künstler Daniel Buren (Jahrgang 1938) die Anmutung beider Bauten mit farbigen Folien grundlegend verändert. Besonders das serielle Raster der gigantischen Festspielhaus-Glaswand erhält durch die Farbrhythmen gänzlich neue Akzente. Festlicher und somit empfänglicher gestimmt, könnte man auch sagen: Buren verwandelt, ja verzaubert die Architektur, die im Falle des Festspielhauses (Entwurf Auer+Weber+Partner) ohnehin schon 2001 mit dem Deutschen Architekturpreis ausgezeichnet wurde.

Die Farbfolien hat Buren alphabetisch nach (deutschsprachiger) Bezeichnung auf die Scheiben des Festspielhauses gesetzt: Blau, Goldgelb, Grün, Rosa. Die Kunsthalle erstrahlt … Weiterlesen

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Langer Nachhall: Was Recklinghausen am Kunstpreis „junger westen“ hat

Wenn ein Kunsthaus einen Querschnitt durch den Eigenbesitz zeigt, so ist das vielleicht nicht sonderlich spektakulär, es hat aber doch etwas für sich. Zum einen sind die Kosten einer solchen Sichtung überschaubar, zum anderen schärft man den Sinn für Profil und Schwerpunkte der Sammlung. Mag sein, dass sich die künftige Ankaufspolitik danach neu ausrichtet. Die Kunsthalle Recklinghausen verdankt ihre Bestände ganz wesentlich dem Kunstpreis „junger westen“, der aus der gleichnamigen Künstlergruppe (Gründung 1948 / Auflösung 1962) hervorgegangen ist. Deren Mitbegründer Thomas Grochowiak war von 1953 bis Ende der 1970er Jahre Direktor der Kunsthalle. Kein Wunder, dass andere Künstler aus seinem Netzwerk hier Heimstatt und Hafen fanden.

Wenn jetzt ein Überblick zu den Preisträgern von 1948 bis 2011 gezeigt wird, so … Weiterlesen

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Yoko Ono: Kunst ohne jeden Umweg

Bielefeld. Die meisten kennen Yoko Ono als Witwe des Ex-Beatles John Lennon. Dass sie selbst schon seit 1961 auf der Kunstszene agiert, gehört nicht zum Basiswissen. Doch nun richtet ihr Bielefelds Kunsthalle die größte Werkschau aus, die sie in Europa je gehabt hat.

Das heißt: „Werkschau” oder Retrospektive sind vielleicht keine passenden Begriffe, Yoko Ono lehnt sie jedenfalls ab. Nennen wir’s also eine Häufung der Ausdrucksformen – vom Film bis zur Zeichnung, vom Objekt bis zur bloßen Ideen-Notiz. Kunsthallen-Chef Thomas Kellein: „Sie ist eine Künstlerin, die keine Ruhe gibt. Sie will und kann nicht abschließend einsortiert werden.” Aber schauen wir mal, was sie so macht.

Leichenwagen und Himmelsleitern

Bereits draußen vor der Kunsthalle legt die heute 75-Jährige ihre Spuren. Hier … Weiterlesen

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Ein scheuer Bewunderer der göttlich fernen Frauen – Retrospektive über den Surrealisten Paul Delvaux in Bielefeld

Von Bernd Berke

Bielefeld. Viel nackte Haut gibt es in dieser Ausstellung zu sehen. Doch die erotisshen Obsessionen des belgischen Surrealisten Paul Delvaux (1897-1994) sind keineswegs Zeichen einer befreiten Sinnlichkeit, sondern im Gegenteil: malerische Signaturen einer großen Beklemmung.

Delvaux hat, im Leben wie in seinen Bildern, dem „Geheimnis der Frau“ (Ausstellungstitel in Bielefeld) gehuldigt; allerdings stets aus gemessener Distanz, ja aus angsterfüllter Ferne.

Als 32-Jähriger erlebte dieser enorm zurückhaltende Mensch seine erste Liebesgeschichte: mit Anne-Marie Demartelaere, genannt „Tam“. Seine dominante Mutter verbot ihm die Partie, er ließ es sich gefallen. Erst nach dem Ende einer lukrativen Zweckehe und dem Tod seiner Eltern kam er wieder mit „Tam“ zusammen – 19 Jahre nach der ersten Begegnung…

Natürlich lassen sich derlei biographische … Weiterlesen

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Ein Künstler, der die Gegensätze liebt – Ausstellung der Ruhrfestspiele präsentiert Günther Förg

Von Bernd Borke

Recklinghausen. Fast ist’s wie beim Dichter Ringelnatz, der einst diesen Werkstoff im Reime besang: Da gibt man den Dingern einen ganz kleinen Stips – und da sind sie aus Gips. Aus dem eher unedlen Material, geradezu unförmig aufgeschichtet, hie und da „wild“ bemalt, wuchern zudem in schönster Regellosigkeit solche Fragmente hervor: Dichtungsgummi, Latex-Fetzen, Bruchstücke eines Sägeblatts oder zerbeulte Getränkedosen.

Trash-Kunst von der Müllhalde, Überbleibsel vom Baumarkt? Was die puren Materialien anbelangt: ja, irgendwie schon. Es sind spontan verwendete Fundstücke. Doch der Künstler erhebt (ironischen) Geltungs-Anspruch, denn diese Skulptur-Collagen quellen auf hehren weißen Podesten vor sich hin – wie ferne klassische Vor-Bilder, doch so ganz anders geformt.

Günther Förg, 1952 in Füssen geborener documenta- und Biennale-Teilnehmer, scheut weder … Weiterlesen

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Bleierne Zeit im Museums-Bunker – Kunsthalle Recklinghausen zeigt Arbeiten von Joachim Bandau

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Auch dies ist ein Weg, die Skulptur vom hehren Sockel zu holen: Wenn man sie einfach auf Rollen setzt und damit signalisiert, dass dies alles jederzeit ins Gleiten geraten könnte.

Joachim Bandau (1936 in Köln geboren) hat seit den bewegten späten 60er Jahren solche im Prinzip mobilen Plastiken gefertigt. Doch sein Werk umfasst auch hermetische, gleichsam still in sich gekehrte und starr wirkende Fügungen aus Blei und Stahl.

Einen Querschnitt durch derlei Vielfalt dokumentiert jetzt mit einer „Gegenüberstellung“ (Untertitel) von Skulpturen und Schwarz-Aquarellen die Bandau-Retrospektive in der Kunsthalle Recklinghausen. Gerade dieser Weltkriegs-Bunkerbau am Bahnhof ist ein passendes Gehäuse für des Künstlers strenge Bunker-Bilder aus den späten 70er Jahren. Sie leiten sich nicht nur aus der fortwährenden … Weiterlesen

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Frauen als unheimliche Wesen – Bielefelder Ausstellung zur „Weiblichkeit im Surrealismus“

Von Bernd Berke

Bielefeld. In einer allseits verspiegelten Vitrine bewegt sich eine Hand auf und ab, immer wieder. Die Finger wölben sich um einen schmalen Hohlraum. Offenbar fahren sie an einem imaginären „Ding“ hoch und nieder. Das Rätsel löst sich schnell, wenn man den Titel der Kunst-lnstallation liest.

Er lautet derb und simpel „Wichser-Schicksal“ (1999). Welch eine barsche weibliche Reaktion auf all die lüsternen (doch auch angstvollen) Männer-Phantasien etwa des Surrealismus und seiner Nebenströmungen. Sarah Lucas stellt mit ihrem Vitrinen-Objekt die emotionale Leere und öde Mechanik der bloßen Geilheit denkbar grell heraus.

Derlei wütende Werke, mit denen Frauen seit den späten 1960er Jahren den Spieß umdrehten, stehen am Schluss der Bielefelder Ausstellung „Die unheimliche Frau – Weiblichkeit im Surrealismus“. Diese … Weiterlesen

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Henri Laurens und die Frau als „Bauwerk“ – eine Ausstellung in Bielefeld

Von Bernd Berke

Bielefeld. Er war ein „Späteinsteiger“ der Kunst: Erst mit etwa 30 Jahren fertigte der Franzose Henri Laurens (1885-1954) seine erste Skulptur.

Picasso hatte seine streng kubistische Phase schon vollendet und betrieb seine Formen-Analysen nun eher spielerisch, da begann Laurens gerade erst mit konzentrierten Untersuchungen dieser ästhetischen Materie. Vielleicht wollte er nachträglich und äußerst geduldig zur kubistischen Substanz vordringen, die den drangvoll-mühelosen Schöpfer Picasso nicht mehr zu interessieren schien.

So deutet es jedenfalls Bielefelds Kunsthallen-Direktor Thomas Kellein, der jetzt rund 60 Laurens-Arbeiten (überwiegend Plastiken) unter dem Titel „Frauenbilder, Frauenkörper“ präsentieren kann. Ungewohnt freigebig zeigte sich das Pariser Centre Pompidou: Sonst verleiht man nur ein bis zwei Werke pro Schau, diesmal sind es gleich elf.

Das Weibliche zog ihn … Weiterlesen

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Der Kult um den Besitz – Düsseldorfer Ausstellung erkundet Wechselströme zwischen Geld und Kunst

Von Bernd Berke

Düsseldorf. „Wir zeigen keine Aktenkoffer“, stellt Jürgen Harten gleich klar. Der langjährige Chef der Düsseldorfer Kunsthalle, inzwischen im Ruhestand, hat noch einmal eine große Schau an früherer Wirkungsstätte inszeniert: „Das fünfte Element – Geld oder Kunst“.

Der Titel sagt’s: „Mammon“ wird als so elementar begriffen wie Feuer, Wasser, Luft und Erde. Er breitet sich überall aus, macht sich alles Untertan – so mitleidlos das Lebendige niederdrückend wie auf jenem Gemälde von George Frederick Watts (1884). Gewiss: Geld setzt die Werte, doch Kunst setzt die Zeichen.

Keine Aktenkoffer also. Es wäre ja auch zu naheliegend. Nein, hier geht es ungleich subtiler zu: Zwischen archäologischen Kostbarkeiten, älteren und neueren Kunstwerken sowie Alltagsdingen werden Wechselströme im Spannungsfeld zwischen Kunst und … Weiterlesen

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Mitten ins Herz der Angst – Die ganz besondere Welt der Louise Bourgeois in der Kunsthalle Bielefeld

Von Bernd Berke

Bielefeld. Wann erlebt man das schon: eine geradezu vibrierende Ausstellung, deren Aura einen sogleich erfaßt und betrifft? Wann? Jetzt in Bielefeld. Die Kunsthalle präsentiert eine famose Schau mit Werken der mittlerweile 87jährigen Louise Bourgeois.

Die in Paris geborene Amerikanerin war um 1949 Miterfinderin des Environments: Sanft und nachdrücklich eroberten ihre Kunst den umgebenden Raum. Wahrhaftig „entdeckt“ wurden sie erst in den späten 60ern, als bewegte Frauen sie dem Umkreis des Feminismus zurechnen wollten. So schnurgerade verhält es sich allerdings nicht. Louise Bourgeois hat sich vielfach dankbar über ihre Erfahrungen als Ehefrau und Mutter geäußert…

Gleichwohl attackierte sie die Kunstszene als Männerdomäne. Pioniere und Patriarchen wie André Breton, Max Ernst und Marcel Duchamp mißfielen ihr grundsätzlich. So mag … Weiterlesen

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Ganz fremd ist die Natur – Max Beckmanns selten gezeigte Landschaftsbilder in der Bielefelder Kunsthalle

Von Bernd Berke

Bielefeld. Selbst der Frühling oder Gestade unter südlicher Sonne leuchten hier nicht. Sie dämmern in aschig verfinsterten, vergrübelten Mischfarben vor sich hin. Manchmal ist’s noch schlimmer: Dann mutiert das vormals Liebliche in der Landschaft gleich zum unheilschwangeren Drama. Was ist bloß mit der Natur geschehen, die Max Beckmann (1884-1950) gemalt hat?

Landschaften? Jawohl. Beckmann wurde oftmals als Schöpfer kraftvoller Menschen-Bildnisse gewürdigt, besonders seine Selbst-Darstellungen gehören zum Kernbestand der Kunst dieses Jahrhunderts. Doch von den Ausstellungsmachern wurde fast gänzlich übersehen, daß nahezu ein Drittel des Gesamtwerks im weiteren Sinne unter den Begriff „Landschaft“ fällt. Mit einer aus Hamburg kommenden, rund 70 Gemälde umfassenden Schau wird nun auch in der Bielefelder Kunsthalle Versäumtes nachgeholt. Etliche Stücke dieser bedeutsamen Auswahl … Weiterlesen

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Krachlederne Verwirrung – Rauminszenierungen des Belgiers Guillaume Bijl in Recklinghausen

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Der Raum ist rundum mit roter Tapete ausgeschlagen, darauf prangen hier und da goldene Schriftzüge in altehrwürdiger Fraktur. Über der ganzen Szenerie liegt dezent gedämpftes Licht. Welch eine feierliche Einstimmung. Hier wird man bestimmt edle Dinge zu sehen bekommen. Und dann? Dann erkennt man an den Wänden acht alte und abgewetzte Lederhosen hinter Glas. Nanu?

Es will fast so scheinen, als trieben die Ruhrfestspiele mit ihrer Kunstausstellung diesmal argen Schabernack. Denn tritt man näher an die Schaustücke heran, so sieht man auch noch Messing-Schildchen, mit denen besagte Lederhosen bekannten Menschen zugeordnet werden: Eine soll angeblich der Verhaltensforscher Konrad Lorenz getragen haben, eine zweite habe der Dichter Stefan Zweig angezogen, weitere hätten dem Bergfex Luis Trenker oder … Weiterlesen

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Wo Deutschland am schönsten war – Reise-Impressionen von William Turner in Mannheim

Von Bernd Berke

Mannheim. „Deutschland ist schön.“ So tönte es uns sonor aus einer bayerischen Bierwerbung entgegen. Im 19. Jahrhundert, als die germanischen Gegenden wohl noch viel schöner gewesen sind, muß der berühmte englische Maler William Turner ähnlich gedacht haben.

Ob der des Deutschen kaum kundige Künstler vor den Landschaften zwischen Rhein, Donau und Elbe „marvellous !“ oder „wunderbar !“ ausgerufen hat, wissen wir nicht. Wir wissen aber, daß er in der nachnapoleonischen Zeit zwischen 1817 und 1844 gleich sieben Deutschland-Reisen unternommen und dabei Hunderte von Bildern angefertigt hat. Rund 150 Beispiele, vorwiegend Zeichnungen und Aquarelle, zeigt jetzt die Mannheimer Kunsthalle. Die Ausstellung (Versicherungswert: rund 80 Millionen DM) lohnt auch weitere Wege.

Im Verbund mit dem vorzüglichen Katalog vermittelt die … Weiterlesen

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Emigrant zwischen Entsetzen und Idylle – Bilder von Oskar Kokoschka in Bielefeld

Von Bernd Berke

Bielefeld. Auch wenn man gern lebt, wo man lebt, wird einem manchmal die eigene Welt zu eng. Dann muß man hinaus ins Weite. Man kann den Reisedrang des Künstlers Oskar Kokoschka (1886-1980) also verstehen, der schon in jungen Jahren aus der vermeintlichen Starre Wiens ins damals so bewegte Berlin flüchtete und den es dann auch in Dresden nicht hielt.

Seine späteren Fluchten (nach Prag und London) wurden ihm allerdings von den Nazis aufgezwungen. Doch Kokoschka wurde mit der Situation seelisch besser fertig als andere Emigranten. Vor allem um diese Zeit geht es jetzt in einer Ausstellung der Bielefelder Kunsthalle.

In den frühen 30er Jahren ergeht sich Kokoschka noch in schieren Idyllen: „Mädchen mit Blumen“, „Mädchen mit Gans … Weiterlesen

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Im Schattenreich der Lüste – Ausstellungen über Toulouse-Lautrec und Hopper in Bremen

Von Bernd Berke

Bremen. Die Dame hat ihre Lippen ganz leicht gekräuselt und gestülpt. Zeichen einer bloßen Augenblickslaune? Nicht, wenn einer wie Henri de Toulouse-Lautrec hingeschaut hat. Sein Blatt „In den Vierzigern“ fängt den Zustand einer ranzig gewordenen Ehe in der unscheinbaren und doch vielsagenden Mimik eines Moments ein.

234 Lithographien umfaßt die großartige Ausstellung der Kunsthalle Bremen: Da sind sie alle beisammen – die verderbten Königinnen der Nacht, die etwas schäbigen Priesterinnen der Gier, dazu ihre Kunden und Kavaliere, zumeist fettwanstige Wüstlinge. Manche der Frauen wirken, als seien sie – nach vielerlei Ausschweifung – tief in ihrer Seele über alles Weltliche und Männliche erhaben.

Fasziniert und und angewidert

Das Panoptikum der „Pariser Nächte“ zwischen 1890 und 1901 zeigt keineswegs … Weiterlesen

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Auf übermalten Bildern sieht man mehr – Arnulf Rainer, sein „Markenzeichen“ und die brachialen Witzbolde von Wien

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Solche Kapriolen schlägt der Kunstbetrieb: Da hat Arnulf Rainer sich zum Markenzeichen erkoren, fremde Bilder zu übertünchen – und dann kommen just in seiner Heimatstadt Wien schurkische Scherzkekse daher, die seine längst teuer gehandelten Übermalungen ihrerseits übermalen. Jetzt sind 64 Arbeiten Rainers in Recklinghausen zu sehen – willkommene Lehrstücke zu einer Geschichte, die sich wie ein Witz anhört.

Arnulf Rainer (Jahrgang 1929) ist nicht irgendein vom Markt gehätschelter Schmierfink, der sich über die Sachen anderer Leute hermacht und sie wahllos zukleistert. Die Übermalung ist zunächst sein probates Mittel, die in der Malerei seit jeher grassierende Angst vor der leeren Leinwand zu überspringen. Außerdem verwendet Rainer als Bildgrund fast immer Reproduktionen, z. B. von Fotos oder alten … Weiterlesen

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Von der Pflanzung zur Mauer aus Backstein – Neuere Arbeiten von Per Kirkeby in Recklinghausen

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Wer kann aus 8800 Backsteinen ein Kunstwerk fabrizieren? Natürlich Per Kirkeby. Der mehrfache documenta-Teilnehmer aus Dänemark ist mit machtvollen Skulptur-Bauten aus diesem Material zu einiger Berühmtheit gelangt. Die Ausstellung der Ruhrfestspiele gibt Einblicke in den Entstehungsprozeß solcher Werke.

Die Kunsthalle Recklinghausen ist als ehemaliger Weltkriegsbunker sehr geeignet für die schwere und steinige Kunst, denn eine tragfähigere Statik dürfte kaum zu finden sein. Und so war es denn auch kein technisches Problem, im ersten Stockwerk besagte Tausendschaften von Backsteinen nach Kirkebys Anweisungen zu einem kreuzförmigen Geviert zu mauern.

Könnte man das Werk von oben betrachten, sähe man vier steinerne Arme, die ausgreifen wie Windmühlenflügel. Da aber die mit Türdurchbrüchen versehenen Mauerteile vor dem Betrachter vier Meter hoch … Weiterlesen

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Die Lust am Weibe und die Angst dabei – „Picassos letzte Bilder“ in der Kunsthalle Bielefeld

Von Bernd Berke

Bielefeld. Der Mann war 1966 immerhin schon 85 Jahre alt und hatte eine schwere Operation hinter sich. Doch kaum war er halbwegs genesen, ergriff auch schon wieder seine alte Passion von ihm Besitz: die Lust am Weibe, vermischt mit allerlei Angst. Und natürlich die unbändige, unerschöpfliche Lust an der Kunst. Der Mann hieß Pablo Picasso.

„Picassos letzte Bilder“ aus den Jahren 1966 bis 1972 präsentiert jetzt die Bielefelder Kunsthalle. Das Institut kann an eine spezielle Tradition anknüpfen. In den letzten Jahren zeigte man die Ausstellungen „Picassos Todesthemen“, „Picassos Klassizismus“ und „Picassos Surrealismus“. Doch von Übersättigung kann keine Rede sein. In diesem Werk lassen sich eben immer wieder neue Aspekte freilegen.

Nun also das bildnerische Finale eines reichen … Weiterlesen

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Einen Turm bis in die Wolken bauen – Wladimir Tatlin: Der Künstler und die russische Revolution

Von Bernd Berke

Düsseldorf. Einen Turm bis in die Wolken bauen oder auf einem geflügelten Fahrrad durch die Lüfte segeln – solche übermenschlichen Träume weckte die Sowjet-Revolution bei dem Künstler Wladimir Tatlin (1885-1953). Die Düsseldorfer Kunsthalle zeigt als „Weltpremiere“ (Direktor Jürgen Harten) eine umfangreiche Werkschau des Russen.

Große Überraschung: Tatlin, der doch weithin als Bannerträger der Revolution galt, hat – bis auf eine recht begrenzte Phase – vorwiegend konventionell gearbeitet. In seiner Frühzeit versenkte er sich in Blumen-Stilleben, vertrat dann heftig Positionen der Moderne, wandte sich aber schon nach einigen Jahren wieder Porträts und Landschaften zu. Es war offenbar eine erzwungene Anpassung an die Zeitläufte: Kühne Traum-Konstruktionen waren im erstarrten Sowjet-Reich nicht mehr genehm. Sie hätten die Menschen daran erinnern … Weiterlesen

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Jannis Kounellis: Die Kunst erhebt sich aus der Asche

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Wir sind hier nicht in der Luxus-Abteilung: Drahtgitter, verschmutzte Leinensäcke, rostender Stahl, nackte Glühbirnen. Bruchstücke von Kohle. Bei Jannis Kounellis scheint die Kunst beinahe buchstäblich in Sack und Asche zu gehen.

Ist Kounellis ein Büßer inmitten der genußsüchtigen Konsumwelt, eine asketische Gegenfigur etwa zu Andy Warhol, dem Schöpfer der schicken Oberflächen; hingegen ein Bruder des Herrn Joseph Beuys mit Fett und Filz?

Der weltbekannte Kounellis, dem die Ruhrfestspiele jetzt eine große Einzelausstellung widmen, stammt aus Piräus/Athen. Seit vielen Jahren lebt er in Rom. Zeugnisse der Antike umgeben ihn, seit er die Augen aufschlug. Vielleicht wirken deshalb manchmal die Materialien, die er benutzt, als seien sie aus vagen Vorzeiten übrig geblieben, als habe keine Künstlerhand sie je … Weiterlesen

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Durch die Hölle in das sittsame Leben – Graphik von Hogarth und Chodowiecki in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. Die Tugend kann man den Menschen auf zweierlei Art beibringen: Entweder malt man die Freuden sittsamen Lebens aufs Schönste aus (und flunkert dabei notfalls ein bißchen) – oder aber man läßt die Leute tief in den Höllenschlund des Lasters blicken, auf daß sie womöglich zurückschrecken.

William Hogarth (1697-1764) hat den zweiten Weg gewählt und damit allzeit gute Geschäfte gemacht. Als Raubdrucke seiner Bilder überhand nahmen, setzte er sogar ein frühes Copyright durch.

Nehmen wir Hogarths Radierungszyklus „Die Stufen der Grausamkeit“ als Extrembeispiel. Schon im ersten Bild quälen einige Rabauken Katzen und Hunde. Die weitere Beschreibung ersparen wir uns. Weiter als das vierte Bild gehen wohl auch Horrorvideos nicht. Ein gravierender Unterschied: Hogarth wollte den heilsamen Schock, … Weiterlesen

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Solche Farben können einen Menschen ändern – Zur grandiosen Cézanne-Ausstellung in Tübingen

Von Bernd Berke

Tübingen. Am Ende scheint diese Frau eine wächserne Maske zu tragen. Immer mehr, von Bild zu Bild, hat sich ihr Gesicht verhärtet. Die Liebe des Malers zum Modell erkaltet zusehends. Auch als Betrachter friert man ein wenig vor diesen eisig-objektiven Porträts.

Die Schrecknisse des genauen Blicks – auch dafür steht das Lebenswerk von Paul Cézanne (1839-1906), der seine Geliebte und spätere Frau Hortense Fiquet derart ansah. In einer grandiosen Überblicksausstellung – seit Paris anno 1936 (!) ist es die umfassendste überhaupt – wird sein malerisches Oeuvre jetzt von der Kunsthalle Tübingen präsentiert.

Kunsthallen-Chef Götz Adriani hat die millionenschwere Schau auch errechnet, nicht nur finanziell: Jedes Genre (ob Landschaft, Porträt, Badeszenen oder Stilleben) ist fast exakt mit dem … Weiterlesen

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Mit Leichtigkeit über das Leben hinwegtanzen – Bilder von August Macke in der Kunsthalle Emden

Von Bernd Berke

Emden. Die Frau näht. Auf dem Porträt ist sie ganz in sich versunken. Sie blickt nicht auf. Doch man sieht sogleich: Zu ihr muß der Künstler ein ganz inniges Verhältnis gehabt haben. In der bloßen Linienführung liegt unendlich viel Zärtlichkeit. Tatsächlich: Die Frau, die wir da sehen, ist August Mackes Elisabeth, eine „Sandkastenliebe“, die er später geheiratet hat.

So ist es meistens. Mackes Bilder bringen tiefen Frieden, bringen Schönheit ohne Beschwernis. Daher wohl auch die fulminanten Ausstellungs-Erfolge – zuletzt vor ein paar Jahren in Münster, als sich Hunderttausende durchs Landesmuseum schlängelten. Sollte in Emden, wo man nun mit Macke erneut einen „Gesang von der Schönheit der Dinge“ (Ausstellungstitel) anstimmt, auch nur halb so viel Andrang herrschen, so … Weiterlesen

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Himmel und Hölle des Bildschirms – Nam June Paik in Düsseldorf

Von Bernd Berke

Einerseits ist diese Ausstellung die schiere Medienhölle: Da dröhnt es aus ungezählten Lautsprechern, da gibt es ein wahnsinniges Bildergewitter auf hunderten von TV-Geräten, da flirren irrwitzige Großprojektionen über die Wände. Hier kann man wirklich einmal testen, wie lange man dem elektronischen Terror standhält.

Andererseits findet man sich in Zonen der Ruhe und der Meditation wieder, die von den selben Medien erzeugt werden: Eine Buddha-Figur „betrachtet“ göttlich-geruhsam ihr eigenes Erscheinungsbild; eine Kamera nimmt ein Ei auf, dessen perfekte Form synchron auf verschieden große Bildschirme übertragen wird. In einem abgedunkelten Raum erstreckt sich sodann ein Garten mit echtem Grün, dessen „Blüten“ freilich aus lauter Video-Farbbildern bestehen.

All dies sind Werke von Nam June Paik, dem großen Anreger der Video- … Weiterlesen

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Festspiel-Schauen in Recklinghausen: Deutlich näher an der Gegenwart

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Museums-Chef Dr. Ferdinand Ullrich machte am Samstag die Probe vor versammelter Presse. Erst Klopfzeichen, dann: „Wolfgang, hörst du mich?“ – Beuys-Schüler Wolfgang Wendker (alias „IGADiM“) hörte. Dumpf kamen seine Antworten („Mir geht’s gut“) aus einem mit Stahldeckel verschlossenen Erdloch. Der unterirdische Künstler (die WR berichtete über das Projekt) setzt den wohl auffälligsten Akzent bei der Ausstellung der Ruhrfestspiele.

Doch auch sonst hält die gestern eröffnete „Europäische Werkstatt Ruhrgebiet“ einiges bereit. Sicher: Es gibt da einige Kopfgeburten, die ihre Deutung gar zu offensichtlich nahelegen. Doch das Gros der Arbeiten hält auch dem kritischen zweiten Blick stand. Vorbei jedenfalls die Zeiten jener Festspiel-Schauen, bei denen pflichtschuldigst die montanindustrielle Vergangenheit bemüht wurde, meist mit Gemälden aus der ersten Hälfte … Weiterlesen

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Der tiefste Ernst ist ein Verwandter des Lachens – Frankfurter Schirn-Kunsthalle zeigt erste große Retrospektive seit dem Tod von Jean Dubuffet

Von Bernd Berke

Frankfurt. Jean Dubuffet (1901—1985) gilt heute meistenteils als Hauptvertreter der sogenannten „art brut“ (etwa: rohe Kunst), einer Richtung, die auf alle großen Traditionen (auch die der Abstraktion) pfeift und sich z. B. an bildnerische Hervorbringungen von Geisteskranken anlehnt. In der Kunsthalle Schirn zu Frankfur/Main ist jetzt, bei der ersten großen Retrospektive nach Dubuffets Tod, festzustellen, wie wenig mit solch einer Schubladen-Zuordnung gesagt ist – bestenfalls ein Körnchen der Wahrheit.

Richtig ist, daß Dubuffet (von seinen frühen und erzkonventionellen Anfängen in den 20er Jahren abgesehen) die Tradition aggressiv von sich wies. Bei seinen Angriffen auf die intellektuell hochgezüchtete Moderne hat er Beifall von falscher Seite riskiert. Dubuffet hat seinen ureigenen Weg gesucht. Dieser Weg hatte freilich viele Gabelungen. … Weiterlesen

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„Engelsburg“ soll Kunsthalle zur Spitzenadresse machen – Riesenchance fürs Museum / Rätsel um Heyme-Äußerung

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Allerbeste Aussichten auf eine repräsentative neue Ausstellungsstätte hat jetzt die Kunsthalle in Recklinghausen. Das Institut, das nach dem Krieg notdürftig in einem Bunker gegenüber dem Hauptbahnhof angesiedelt wurde und dort bis heute mehr schlecht als recht residiert, könnte in etwa zwei bis drei Jahren die historische „Engelsburg“ beziehen.

Dieses in ursprünglicher Gestalt um 1700 errichtete Gebäude dient derzeit noch als Nobelhotel, doch der Pächter zieht sich zurück. Unterdessen hat die Stadt Recklinghausen den Bau für 3,8 Mio. DM erworben. Für den Umbau zum Museum müßten etwa 15 bis 20 weitere Millionen veranschlagt werden. Die politischen Entscheidungen darüber sind bereits auf gutem Wege.

„Phantastische Chancen für die Zukunft“ sieht Kunsthallen-Leiter Ferdinand Ullrich. In der „Engelsburg“ werde man … Weiterlesen

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Rhythmen der Arbeit und der Kunst

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Eigentlich soll, so müßte man meinen, der Mensch sich die Welt mittels Arbeit nach seinen Bedürfnissen zurichten. Doch die Geschichte verlief größtenteils anders: Die Arbeit richtete sich „ihren“ Mensehen zu. Nach ihrem – natürlich letztlich von Menschen bestimmten – Rhythmus hat er sich zu strecken.

Immer wieder haben sich bildende Künstler dieses Themas angenommen. Kein Wunder, da „Rhythmus“ ja auch eine künstlerische Kategorie und also bildkräftig ist. Daran konnten denn auch die Ruhrfestspiele über kurz oder lang kaum vorbeigehen. Über 100 bildnerische Beispiele zahlreicher Stilrichtungen und Kunstmedien (Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen, kinetische Objekte, Karikaturen und Fotos) zur Entwicklung von „Arbeit und Rhythmus“ (Titel) präsentieren die Festspiele nun in der Kunsthalle Recklinghausen. Das Thema ist gut gewählt, die … Weiterlesen

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Joan Miró: Träume und Alpträume

Von Bernd Berke

Düsseldorf. Joan Miró? Dessen Werk kennt „man“ doch nun wirklich zur Genüge; seine federleichte Symbolsprache ist schließlich in unzähligen Drucken verbreitet. Miró, das ist doch – wie war das noch gleich? – ach ja: das spielerisch-spontane „Kind“ unter den Meistern der Klassischen Moderne, ein froher Traum-Poet, der Nachdenklichkeit abhold…

Derlei Vorurteile könnte man munter weiter pflegen, würde nicht jetzt eine Ausstellung in der Düsseldorfer Kunsthalle (in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen sowie dem Kunsthaus Zürich) eine Fülle von Gegenbeweisen oder zumindest Infragestellungen liefern.

Die größte deutsche Retrospektive des Werk von Miró (1893-1983) seit 1969 zeigt mit ihren 180 Gemälden, Zeichnungen und Objekten vor allem zweierlei: Miró hat keineswegs nur spontan gearbeitet, sondern sich … Weiterlesen

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Farben und Formen erklingen wie Musikstücke – Kunsthalle Recklinghausen zeigt Arbeiten ihres früheren Leiters Thomas Grochowiak

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Anstöße zur Kunst findet Thomas Grochowiak auch auf überraschenden Umwegen. Mehrmals kam es vor, daß er die durchschimmernde Farbverteilung auf der Rückseite seiner Bilder kompositorisch gelungener und inspirierender fand als die Schauseite. Also drehte er die Arbeiten um und zäumte die Sache sozusagen umgekehrt auf. Daß so und anders unter Grochowiaks Händen lebendig-spontane, aber keine pure Zufallskunst entsteht, macht jetzt die Werkschau „Reflexionen“ in der Kunsthalle Recklinghausen (2.-30. November) deutlich.

Zwei wichtige Quellen seines Schaffens gaben der Retrospektive den Untertitel „Bilder wie Musik und Reisebilder“. Bildunterschriften wie „Im Fluß der Zeichen und Strukturen“ oder „Im Dickicht der Rhythmen“ sind Programm: Musikalische Strukturen sind der stark rhythmisierten, informellen Bildsprache Grochowiaks von jeher verwandt und einbeschrieben. Subtile Strukturanklänge … Weiterlesen

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Kunst zum Wohle der Kommune – Recklinghausen zeigt seinen Eigenbesitz

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Wenn eine Stadt 750 Jahre alt wird, dann müssen auch die Kulturinstitute zeigen, wie und womit sie das Wohl der Kommune gemehrt haben. In diesem Sinne präsentiert die Kunsthalle Recklinghausen jetzt (bis 19. Oktober) einen Querschnitt durch den Eigenbesitz.

1927, damals noch im „Vestischen Museum“, begann man in Recklinghausen systematisch zeitgenössische Kunst zu sammeln. Aus diesen Anfängen ist eine achtbare Kollektion von insgesamt rund 250 Gemälden, 120 Skulpturen und Objekten sowie 3000 Handzeichnungen und Druckgraphiken geworden. Noch weit mehr wären es, hätten nicht die lokalen NS-Kunstfeinde nach 1933 große Teile der Sammlungen geplündert und zerstört.

Die jetzt getroffene Auswahl aus dem (zum Leidwesen von Museumsleiterin Brigitte Kaul über die ganze Stadt verstreuten) Magazinen kann sich gleichwohl … Weiterlesen

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Ruhrfestspiele: Auswahl aus sechs Hamburger Museen als Loblied auf die Hansestadt

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Das Loblied einer Stadt „singt“ diesmal die Kunstausstellung der Ruhrfestspiele. Nein, nicht auf das just 750jährige Recklinghausen wird angestimmt, sondern auf „das Hoch im Norden“: Hamburg.

Künstler aus der Hansestadt waren es, die vor 40 Jahren – als geistige Gegenleistung für dringend benötigte Ruhrkohle – ihre kaum weniger begehrten kulturellen Spitzenleistungen in Recklinghausen zeigten. Der Tausch „Kunst für Kohle“ war eine Keimzelle der Ruhrfestspiele. Dafür ist man im Revier heute noch dankbar. Die Zuneigung teilt sich jetzt auch in der Ausstellung mit.

Die Kunsthalle Recklinghausen bietet (bis 29. Juni) eine Welt- und Zeitenreise in Form eines Querschnitts durch Bestände aller sechs Staatlichen Museen Hamburgs. Die dortige Kunsthalle hat z. B. ebenso Exponate beigesteuert wie das Museum … Weiterlesen

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Nuancen des Rot – Retrospektive über Rupprecht Geiger

Von Bernd Berke

Düsseldorf. Solche, die sich wie Rupprecht Geiger über weite Phasen des künstlerischen Schaffens auf Nuancen einer einzigen Farbe konzentriert haben, dürfte es selten geben.

Nachdem Geiger lange Jahre mit der quasi-musikalischen „Kontrapunktik“, dem Spektrum zwischen Widerstreit und Gleichklang mehrerer Farben experimentiert hatte, widmete er sich immer ausschließlicher dem Rot, dessen Dimensionen er rundum ausgeschritten und das er konsequent bis zum Farb-Raum vorangetrieben hat.

In der Düsseldorfer Kunsthalle, wo jetzt die bislang größte Retrospektive auf das Lebenswerk des heute 77jährigen zu sehen ist (bis 21. Juli), ist ein solcher Farb-Raum ganz real vorhanden: ein voluminöses, blutrotes Zelt („Rote Trombe“, 1985).  Auf daß man ganz und gar in der Farbe „baden“ kann, empfiehlt sich die Benutzung einer bereitliegenden Decke. … Weiterlesen

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Als Michelangelo für Rock-Stars werben musste – einschlägige Plakatsammlung in Recklinghausen

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Wer heute zwischen 25 und 35 ist, erlebt zunehmend häufiger, wie seine Jugendjahre bereits der Historie zugeschlagen werden. An diesem Vergessens- und Erinnerungsprozeß nimmt jetzt auch die Kunsthalle Recklinghausen teil – mit einer für die Bundesrepublik bislang beispiellosen Ausstellung von 350 Plakaten zur Rock-Musik der 60er Jahre. Selbst US-Museen beginnen dieses Genre eben erst zu entdecken.

Die seit 1972 „tätigen“ Sammler Tomm Klatt (Recklinghausen) und Rainer Knorr (Neubeckum) haben sich auf Plakate von der US-amerikanischen Westküste konzentriert. Daher ist die einschlägige Produktion hier fast komplett beisammen. So gut wie alle mittlerweile legendären Namen, die damals den West Coast-Sound prägten, kommen vor: Allen voran „The Grateful Dead“. Im Umkreis dieser großen Rock-Family hat sich offenbar das größte … Weiterlesen

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Mit dem Messer der Leinwand die dritte Dimension eröffnen – Werkschau über Lucio Fontana in Bielefeld

Von Bernd Berke

Bielefeld. Aufs Neue mehrt die Kunsthalle Bielefeld ihren Ruf, ein Ort der „stillen Sensationen“ zu sein, den sie jüngst vor allem mit Ausstellungen der Zeichnungen Seurats und der „Todesthemen“ Picassos gefestigt hat. Diesmal widmet man einem weiteren wichtigen Neuerer der Moderne, Lucio Fontana (1899-1968), eine beachtliche Retrospektive (bis 23. 9. – Katalog und Beiheft 35 DM).

Ursprünglich sollte die Werkschau (über 120 Arbeiten) nur in München und Darmstadt präsentiert werden, doch unter sanftem Hinweis aufs eigene Renommee gelang es den Bielefeldern, die Zusammenstellung auch noch in ihr Haus zu lotsen. Wohl zum letzten Mal ergibt sich damit die Gelegenheit, Fontanas Oeuvre ohne konservierende Bildverglasung und somit möglichst unverfälscht zu betrachten.

Bekannt geworden ist der in Argentinien geborene … Weiterlesen

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Eine Epoche der Plastik wird neu besichtigt – „Skulptur des Expressionismus“ in der Kölner Kunsthalle

Von Bernd Berke

Köln. Ein Ausstellungs-Glücksfall in der Domstadt: Die meisten gezeigten Arbeiten sind so gut wie unbekannt, die Epoche, aus der sie stammen, ist jedoch allgemein anerkannt. „Skulptur des Expressionismus“, ab heute in Gestalt von 125 plastischen Arbeiten von 33 Künstlern in der Kölner Kunsthalle zu sehen (bis 26. August, Katalog 38 DM), schließt eine bislang kaum bewußt gewordene Lücke in der Kunstgeschichte.

Vermutlich kein Zufall, daß dies gerade jetzt geschieht. Allerneueste Bildhauerei knüpft ja – wie jetzt in der bewußt parallel zur Kölner Ausstellung gezeigten Duisburger Schau „Bella Figura“ zu sehen –nicht selten beim Expressionismus an.

Wohl zählt die Malerei jener Stilrichtung längst zum unverzichtbaren Grundstock aller größeren Museen, doch daß z. B. Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner … Weiterlesen

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Anbetung und Ausbeutung – der Wald in der Kunst

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Zwischen Anbetung und Ausbeutung – so haben Künstler in den letzten zwei Jahrhunderten Natur gesehen und dargestellt.

Reichliches und hochkarätiges Anschauungsmaterial zur historischen Entwicklung des Naturverständnisses bietet ab heute die Kunstausstellung der Ruhrfestspiele ’84, die als Titel eine ironisch abgekürzte Eichendorff-Zeile trägt: „Wer hat Dich Du schöner Wald…“ „…aufgebaut so hoch da droben“, heißt es bei Eichendorff weiter. Schon das Katalog-Titelblatt (der „Holzfäller“ des jüngst wieder enorm aufgewerteten Schweizers Ferdinand Hodler) läßt ahnen, daß aufbauende Kräfte sich dem Wald nur selten widmeten.

Wohl noch nie hat die Kunsthalle Recklinghausen mit so vielen großen Namen aus der Kunstgeschichte aufwarten können: Cézanne, Corinth. Corot, Courbet, Max Ernst, C.D. Friedrich, Heckel, Klee, Kirchner – und so weiter im Alphabet.… Weiterlesen

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Einöden der Historie – Werkschau von Anselm Kiefer in Düsseldorf

Von Bernd Berke

Düsseldorf. Jahrgang 1945, und schon eine nennenswerte Werk-Rückschau – Anselm Kiefer, Schüler des einstweilen noch berühmteren Joseph Beuys, ist schon ein Jemand in der Kunstwelt. 50 Gemälde, zumeist in den Kiefer-typischen Riesenformaten, dazu 100 Aquarelle, Gouachen und Buchobjekte zeigt jetzt die Düsseldorfer Kunsthalle (bis 5. Mai, Katalog 30 DM).

Kiefer bezieht seine Stoffe teilweise aus heiklen Bezirken: Germanische Mythen, deren Umformung durch Richard Wagner, „hehre“ Historie: Auf einem Bild namens „Wege der Weltweisheit“ werden führende Köpfe deutscher Geistesgeschichte zu einem mythischen Reigen rund um eine Feuerstelle arrangiert: Dichter und Denker, die (Kiefer zufolge) die „Hermannschlacht“ des Cheruskers immer wieder zum Zentrum nationaler Identifikation gemacht haben.

Gegen Kiefer ist wiederholt der Vorwurf erhoben worden, „faschistische Kunst“ zu produzieren. … Weiterlesen

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