Kleistiana (1): „Der Zweikampf“

KLEISTIANA (1)

Verbrechen und Klarheit
Zu Heinrich von Kleists meist sträflich unbekannter Erzählung „Der Zweikampf“

Am Anfang der Geschichte steht – wie überliefert, so auch hier – ein Mord.
Wer ist der Mörder?
Indizien werden gefunden, Alibis und Gegenindizien auch.
Durch das plausibel erscheinende Alibi des Hauptverdächtigen gerät eine bisher unbescholtene, als unbedingt ehrenhaft geltende Person in Verdacht, den sich Neider und sehr schnell Überzeugte, will sagen, allzu schnell Überzeugt-sein-Wollende, zunutze machen.

Vordergründig um eine Kriminalgeschichte, um eine Detektivgeschichte handelt es sich in dieser heute immer noch spannenden Kleistschen Novelle, mindestens ebensosehr aber um ein von einem Vorgänger des Jorge Luis Borges stammendes, ihn darin gleichsam vorwegnehmendes Kapitel aus dessen „Universalgeschichte der Niedertracht“. Um eine (zumindest zeitweilig) verwirrende Verkettung von Verbrechen und Sühne, von Unschuld und Strafe geht es hier auch noch. Und um Sexualität und Liebe, um Vertrauen und Misstrauen, um Besitzgier und Hinterhältigkeit – all dies spielt teils sehr offen, teils auch nur untergründig in das Ganze hinein.

Sogar in ein metaphysisches Grübeln kann einen diese ins Mittelalter versetzte, kurze Geschichte bringen:
Ist das, was in Wahrheit Wahrheit zu nennen ist, zumindest zuguterletzt, also auch gegen den vorangegangenen Anschein, ein Fall für Gott? Oder: Etwas kleistischer gesprochen eine „ENTSCHEIDUNG“sfrage Gottes? Wahrheit als eine „Entscheidung“ Gottes? –
Und wenn es Gott nicht gäbe? Was wäre dann Wahrheit? –

Schnell fällt mir da noch eine mit Vornamen bezeichnete Intrigantin ein, die sich natürlicher und nicht etwa übernatürlicher Umstände halber gegen Ende der kleistschen Erzählung dazu gedrängt sieht, unverhohlen zu Wahrheit und Klarheit beizutragen bzw. konsekutiv und entscheidend (wie immer auch indirekt) dazu zu verhelfen.