Kirchenkunst: Gottes Bild wurde immer menschlicher – Prunkvolle Ausstellung „Imagination des Unsichtbaren“ in Münster

Von Bernd Berke

Münster. „Du sollt dir kein Bildnis machen.“ Ein ehernes Gebot aus früher Christenzeit. Wie prunkend sich später die Katholische Kirche darüber hinweggesetzt und der menschlichen Bilderlust nachgegeben hat, zeigt die Ausstellung „Imagination des Unsichtbaren“ in Münster.

Anlaß der durch Fülle und Pracht überwältigenden Schau ist das 1200-jährige Stadtjubiläum Münsters. Präsentiert werden rund 700 religiöse Kunstwerke, die seit der Zeit des ersten Münsteraner Bischofs Liudger (Amtsübernahme im Jahr 805) für das Bistum entstanden sind. Vielfach handelt es sich um sonst unzugängliche Leihgaben aus den Schätzen westfälischer Pfarreien. Doch das wohl kostbarste Exponat, das Stundenbuch der Katharina von Kleve (um 1440), kommt aus New York.

Aus dem religiösen Kontext gelöst, wird alles Augenschmaus: Kreuze aus purem Golde, wundervolle Altarbilder und Heiligen-Statuen, reich verzierte Handschriften, liturgische Gerätschaften, Monstranzen, Reliquien-Behältnisse und allerlei sonstiges Ornat.

Gleichsam im Zeitraffer läßt sich der Wandel des Gottesbildes in der Kunst nachvollziehen. In der Romanik wurde Christus noch als unnahbarer Weltenrichter dargestellt, in der Gotik betonte man seine Leidensgeschichte, wodurch auch irdisch-menschliches Mitgefühl ins Spiel kam. Im Barock ging es dann vollends sinnlich zu. Viele Künstler sahen Jesus nun als schönen, ja athletischen Mann, was zugleich als Ausdruck geistiger Vollkommenheit galt. War die Vorstellung von Gott bis dahin allgemeingültig, so wich sie in späteren Jahrhunderten einem bunten Pluralismus. Gott sah so aus, wie das Individuum es wollte.

Man findet in dieser Ausstellung nicht nur Kunst aus Westfalen. Auch auswärtige Künstler, etwa aus Augsburg oder Nürnberg, bekamen kirchliche Aufträge aus dem Bistum Münster. Die Westfalen wiederum nahmen Einflüsse aus Flandern oder Brabant auf. Wo so reger Austausch herrscht, stellen sich Phasen der Kunstblüte ein. Ausstellungsleiter Dr. Géza Jászai ist überzeugt, daß Westfalen sich in Sachen religiöser Kunst nicht hinter Zentren wie Prag oder Salzburg verbergen muß.

Wer zählt die Stücke, nennt die Namen? Man sollte keine Hierarchie der Werke aufstellen, es kommt hier vornehmlich auf ihr Zusammenwirken an. Regionalgeschichtlich ist sicher die Muttergottes aus Lünen (St. Marien-Kirche, um 1250) interessante, aber wer wollte sie einem Borghorster Kreuzreliquiar (um 1050), einem kunstvoll ornamentierten Münsteraner Taufbecken (um 1345) oder Heinrich Brabenders letzter Skulptur (Apostel Petrus und Paulus) vorziehen?

Selbst Atheisten dürfte hier so etwas wie Andacht anwandeln. Und auch wer nur noch in Zahlen denken kann, mag sich immerhin klarmachen, daß christliche Werte zumindest in materieller Hinsicht nicht geschwunden sind.

„Imagination des Unsichtbaren“ – 1200 Jahre Kunst im Bistum Münster. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster (Domplatz). 13. Juni bis 31. Oktober. Tägl. außer montags 10-18 Uhr. Eintritt 6 DM, zweibändiger Katalog 60 DM.