Eine Marotte im Buchdesign

Bei Durchsicht der neuen Buchkataloge (Herbstprogramme 2012) ist mir eine Eigenart des Schriftdesigns aufgefallen.

Ich weiß nicht, ob das Kind in der Fachwelt einen Namen hat. Jedenfalls haben sich etliche Umschlaggestalter stillschweigend darauf geeinigt, Titelzeilen in mehr oder weniger willkürlich abgehackter Schreibweise zu präsentieren. Die einzelnen Buchstaben werden dabei gleichsam zu Hauptdarstellern, bildliche Elemente rücken in den Hintergrund oder fehlen ganz.

Da ich das Copyright an den aktuellen Entwürfen keineswegs verletzen möchte, stelle ich hier keine Originalcover ein, sondern habe zwei denkbar gewichtige Titel der Weltliteratur handschriftlich portioniert und das Ergebnis abgelichtet. Voilà!

Schriftdesign (Hihi) und Foto: Bernd Berke

Schriftdesign (Hihi) und Foto: Bernd Berke

Natürlich sind die wirklichen Buchumschläge typographisch und auch sonst ungleich gewiefter gestaltet, es gibt gar vereinzelt veritable „Hingucker“. Das Prinzip bleibt aber erhalten. Die Resultate sehen en masse mächtig gewollt aus, sie riechen sehr nach kurzlebigem Trend. Der kleine Überraschungseffekt verbraucht sich rasch; erst recht, wenn er dermaßen in Serie geht. In der nächsten Saison wird man das schon nicht mehr ernsthaft aufgreifen können.

Solange es aber noch währt, könnte man daran noch schnell ein paar Fragen knüpfen. Hat das etwas mit einst modischer, inzwischen aber etwas abgestandener Dekonstruktion zu schaffen? Oder wird gegen den Hang zur leichtgängigen Lektüre Einspruch erhoben? Fast überall sonst wird einem Lesestoff möglichst mundgerecht und übersichtlich dargeboten, selbst Romane werden mit Kurzkapiteln und zahllosen Zwischenüberschriften häufig häppchenweise verabreicht.

In diesem Umfeld bedeuten die zerhackten Titelzeilen vielleicht: Halt! Hier müsst ihr euch Mühe geben, hier gibt es keine schnellfertigen Verbrauchstexte, sondern wahre, lohnende Literatur, deren Sinn- oder Unsinnsgehalt man langsam umkreisen muss. Ach, wenn es tatsächlich so wäre, dann wollten wir ein paar Design-Marotten wohl gern ertragen.