Das Gewicht von Lüdenscheid

Von Bernd Berke

Lüdenscheid. Der rührige Uwe Obier, Leiter der Städtischen Galerie Lüdenscheid, steht dafür ein: In der Kunstlandschaft hat die Stadt ihr Gewicht. Das nimmt der Künstler Peter Freese – mit Anhauch von Ironie – ganz wörtlich.

Aus Holzlatten hat Freese ein schematisches Autobahnnetz von NRW angefertigt; die Stadt-Punkte werden mit Eisengewichten, wie man sie vom Wochenmarkt her kennt, markiert. Was schon die Anschauung offenbart, wird auf der zugehörigen Skizze präzisiert: Lüdenscheid kommt ein sattes 10-Kilo-Gewicht zu. Daneben nehmen sich Dortmund (ein Kilogramm), ja selbst die Kunstmetropolen Köln und Düsseldorf als Leichtgewiçhte aus. Bochum ist sogar nur durch eine Leerstelle repräsentiert. Wo ein Gewicht stehen müßte, tut sich das blanke Nichts auf.

Klar: Das ist stark übertrieben, ist Chuzpe, eine Frechheit. Doch der „Standort Lüdenscheid“, den Freeses Arbeit so gewichtig versinnbildlicht, wird auch in der Ausstellung gleichen Namens seinem Ruf gerecht, ein bemerkenswertes Kulturzentrum Südwestfalens zu sein.

Anlaß der Ausstellung „Standort Lüdenscheid“ ist das zehnjährige Bestehen des „Märkischen Stipendiums“, hier desjenigen für Bildende Kunst. Gezeigt werden in der Städtischen Galerie (Alte Rathausstraßel) insgesamt rund 50 Arbeiten jener Künstler, die während dieser zehn Jahre eines der (mit 24 000 DM und freiem Atelier in Lüdenscheid dotierten) Stipendien erhielten. Der Überblick macht deutlich, daß die Juroren keine bestimmte Richtung über die Jahre hinweg favorisiert und schon gar keinen Modeströmungen nachgegeben haben, sondern nur dem Argument der Qualität.

Wer vielleicht Schwellenangst vor gegenwärtiger Kunst verspürt, bekommt dies Gefühl in Lüdenscheid auf spielerische Weise „gespiegelt“: Der einzig gangbare Weg in die Ausstellung führt nämlich über die „Markierungsarbeit“ von Hannes Forster – eine Aufpflasterung, die man  wohl oder übel beschreiten muß. Wer das tut, der „steht auf Kunst“. Auch das mag man wörtlich nehmen. Eine weitere Bodenplastik, von Nikolaus Gerhart, ist stummes Zeugnis einer „Rettungsaktion“. Es handelt sich um ein Wandstück, das Gerhart beim Abriß einer alten Lüdenscheider Werkstatt beiseite bringen konnte. Ein minimaler Rest von Vergangenheit. Doch es gilt zu retten. was zu retten ist.

Den allermeisten Arbeiten (rare Ausnahme: Freese) kann man sich kaum auf einer bloßen Inhaltsebene nähern; man muß sich schon auf Form-Sprachen einlassen. Das gilt etwa für die Lineaturen der Schrift-Bllder von Rolf Nickel, für die antennenartigen Installationen von Günther Zins und die metallischen Schwingungsgebilde von Erwin Herbst.

Die Ausstellung ist bis 3. Juli zu sehen (Katalog: 25 DM).