Von Bernd Berke
Dortmund. Bei diesem Künstler war wirklich alles im Fluß, auch die Schreibweise seines Namens: Arthur Köpcke, Koepcke oder KOpke (1918-1977), gebürtiger Hamburger, später dänischer Staatsbürger, hielt ab 1958 mit seiner Kopenhagener Galerie einen Stützpunkt der damaligen Kunstavantgarde.
Zur ästhetischen Vorhut gehörte Köpcke seit den 50er Jahren selbst, anfangs mit aktionsgeladenen, informellen Bildern, später mit Beiträgen zu Pop- und Konzept-Kunst. Stets hielt er sich dabei abseits von Gruppierungen, stand kaum je in „vorderster Linie“. War er auch kein Medienstar wie Joseph Beuys; dieser und viele andere „Kollegen“ zollten ihm Hochachtung.
Die erste größere Retrospektive des Köpcke-„Werks“ (mit dem Werk-Begriff muß man hier vorsichtig umgehen) ist jetzt, fast elf Jahre nach dem Tod des Künstlers, im Dortmunder Ostwall-Museum zu sehen (bis 10. April, täglich außer montags 10-18 Uhr). Ein kleinerer Teil der Arbeiten, überwiegend aus Privatbesitz, ist zuvor in der Berliner daad-Galerie gezeigt worden. Doch Dortmund sorgt für den eigentlichen Beginn einer „Tournee“, die noch nach Den Haag und Kiel führen wird.
111 Exponate führt der Katalog auf – man wird sie beim besten Willen nicht vollständig besichtigen können;,denn Köpcke läßt vor allem in seine Ideenskizzen und Material-Collagen ein ursprünglich-lebendiges Chaos einfließen. Wer allein die zahlreichen Bilder-Schriften (meist englische Texte) lesen wollte, müßte sich tagelang im Museum aufhalten. Auch beschäftigt Köpcke den Betrachter mit verzwickten Bild-Rebus-Rätseln, die freilich nach keiner Lösung, sondern nach Phantasie verlangen.
Die meisten Arbeiten Köpckes können nicht als abgeschlossen gelten, sie sind offen für Veränderung, sind eben „im Fluß“ (kunstgeschichtliches Etikett: „Fluxus“-Kunst). Zu Lebzeiten ließ Köpcke die Ausstellungsbesuche seine Kunst weiterführen. So wucherten etwa Köpckes Materialbilder, indem zahllose Besucher ihre Taschentücher oder Seifestücke daran hefteten. Ausdrücklich fordert der Künstler die Leute zu solchem „Frevel“ auf: „Sie nehmen nur teil, wenn Sie dieses Aktionsstück, dieses Prinzip fortsetzen, sonst sind Sie nur ein Zugucker.“
In Dortmund bleibt man „Zugucker“. Zwar darf man – auf Kopien einer Köpcke-Skizze – eine Sprechblase mit eigenen Spontan-Gedanken füllen, die Ergebnisse werden der Ausstellung beigefügt; doch ansonsten gilt: „Berühren verboten!“ Das ist natürlich ein Dilemma, wenn man (im verständlichen Interesse der Leihgeber) im Prinzip unfertige Kunst als fertige präsentieren muß. Und so ist denn unsere Beteiligung hier eher im abstrakt-gedanklichen Sinne gefragt: Schon im Lichthof empfängt den Besucher eine weiße Wand, auf der nur ein Köpcke-Spruch prangt: „Fill with your own imagination“ — Füll’s mit deiner eigenen Vorstellungskraft.