Köstliches am Wegesrand (2): Wir sind Currywurst!

Vor Jahren verschlug es mich beruflich zur Bochumer Straße 96 in Wattenscheid, dessen glorreiche Tage innerer und äußerer Selbstständigkeit zwar offiziell längst gezählt sind, inoffiziell, also im Lebensalltag, jedoch nach wie vor zählen, weil die Wattenscheider eben nie Bochumer werden. Und das ist gut so!

Also, wie viele wissen, unternimmt es nun schon seit vielen Jahren Raimund Ostendorp, in einer Pommes-Bude namens „Profi-Grill“ einer ganzen Region und weit darüber hinaus zahllosen Revier-Gästen zu belegen, dass Pommes Rot-Weiß und Currywurst mit Bohnensalat „aussem Eimer“ köstlich sind – und das mit was? Mit wachsendem Erfolg.

Damals war Raimund noch recht frisch im Frittenbudenführen, war noch bundesweit als der irre Spitzenkoch berühmt, der den Herd im Edelschuppen mit der Fritteuse tauschte, weil auch Köche, wenn sie zu viel arbeiten, zum Burnout neigen. Als wir in einer Gruppe von 26 Teilnehmern und –innen seinerzeit einfielen, konnte ich bewundern, wie Raimund beinahe karajanisch seine drei Assisstentinnen dirigierte, handgelenkig Körbe schwenkend Pommes frittierte und in professioneller Windeseile die 26 Teller unserer Reisegruppe (delikat belegt mit allem, was zur Currywurst gehört) nach längstens 15 Minuten auf die Tische des kleinen Gastraumes platziert hatte.

Und welch ein Raunen der Bewunderung, als das erste Wurststück – umhüllt von Raimunds Soße – in den Mündern seiner Gäste genüsslich zerkaut und nachgeschmeckt wurde. „Gedicht!“ Klar: Raimund Ostendorp hatte zu Beginn seiner Grill-Karriere einen kompletten Monat am Soßenrezept getüftelt, bis das Endergebnis sowohl seiner Feinstschmeckerzunge als auch dem Urteil der Gäste standhielt. Zur Sicherheit hält er aber noch heute die Soßen-Version vor, die sein Vorgänger mit dem schönen Namen Ruhrgebietsnamen Kurt Kotzlowski kredenzte, damit auch die Nachbarschaft als Kundschaft gebunden blieb und Gewohntes zu sich nehmen konnte.

Nun, es blieb viele Jahre dabei, dass ich überall Raimunds Kreation als das Nonplusultra der Currywurstsoße rühmte, als das einzig Wahre, wenn ein Revierbewohner zu einem kräftigen „Kea is datt lecka“ angeregt werden soll. Bis ich irgendwann bei den Streifzügen durch die Industriekultur in Hattingen im Schatten der Hochofen-Konstruktionen einen schnellen Imbiss zu mir nahm, und schnalzte: „Wow!“ Die Soße hatte offenbar zu lange die Warmhalte-Tortur ertragen müssen, was ihr schmeckbar gut tat und dafür sorgte, dass sie recht nahe an das heran kam, was Raimund Ostendorp gemixt hatte – aber wirklich nur recht nahe.

Und dann kostete ich in diesem Herbst die Variante, die im Wittener Muttental von den Bistrobetreibern des LWL-Museums „Zeche Nachtigall“ (siehe Foto) über die Würste gegossen wird. Und da waren die verwöhnten Geschmacksnerven fast so weit, Flic-Flac zu schlagen wie sie es im „Profi-Grill“ einst taten. Das ist ein Geniestreich von Currysoße, da hat jemand mutig den Kampf ums „Cordon bleu“ der Grill-Stationen des einzig wahren Ruhrgebietes aufgenommen. Und selbst die schönste aller Frauen stellt sich nun immer wieder tapfer den Bratwurststückchen, die sie sonst gern verschmäht, als Trägermaterial für Soße aber rückhaltlos akzeptiert. Einziges Bedauern: Diese Köstlichkeit wird zwar ausreichend aber nicht zu üppig über die braun gebrannten Grillgüter gegossen, gerade mal genug, dass man die Reste mit den Resten des dazu gereichten Brötchens wegtunken kann. Mhhhhh!!!!!

Ich verspreche, falls mir noch mal Gleichwertiges unterkommt, unterrichte ich Sie alle.