Die dreiste Markt-Strategie des Iman Rezai oder: Folter ist kein Mittel der Kunst!

Wäre Schweigen in diesem Fall eigentlich Gold? Warum dem Törichten eine öffentliche Plattform bieten?

Die Zeiten, in denen der Kritik das Wahre der Kunst von anderen Waren zu unterscheiden als Kernpflicht oblag, sind längst vorbei. Das System hat neben dem scheinbar reinigenden Meinungsgeblähe der Medien seinen eigenen Filter, um Qualität von, na sagen wir Scharlatanerie zu scheiden. Dennoch, wider den Stachel zu löcken ist im vorliegenden Fall einer unangenehmen Aktion von Iman Rezai angebracht, und zwar bewusst bildlos und linkfrei. Sie macht deutlich, dass eine neue Generation von Biografie-Designern am Werk ist, denen es vor allem um eins geht: PR. Und damit um Kohle. Hierbei sind die eingesetzten Mittel offensichtlich vollkommen zu Werkzeugen dieses Vermarktungssystems verkommen.

Das ist keine Kunst, das ist schlicht degoutant. Iman Rezai, 1981 im iranischen Schiraz geboren, im vergangenen Jahr Abschlusskandidat der Berliner Universität der Künste, tritt mit scheinbar provokanten Aktionen an die Öffentlichkeit. Neuester „Coup“: Er bietet – sofern es nicht ein Fake ist – dem geneigten Probanden zwischen dem 29.11. und 6.12. ein waschechtes Waterboarding an. Also diejenige Foltermethode, mit der das Opfer nicht getötet, sondern durch gewaltsames Untertauchen gequält und zermürbt wird. Diese menschenverachtende Perfidie kam während der Präsidentschaft George W. Bushs durch CIA und andere US-amerikanische Regierungsbehörden bei der Vernehmung von Terrorverdächtigen zum Einsatz und damit breiten Kreisen weltweit zu Bewusstsein.

Betroffenheitsklauseln aus der Hobbykiste

Man kann sich den ganzen hobbytheoretischen Begründungssermon hinter Rezais Pseudo-Polit-Anliegen sehr gut vorstellen. Denn seine PR-Maschine läuft wie geschmiert. In etwa so? „Der Berliner Künstler Iman Rezai kreiert Ausnahmesituationen, in denen Kunstbesucher mit einer Realität konfrontiert werden, die sie ansonsten nur aus den Medien zu kennen glauben…“ Noch ein paar Betroffenheitsklauseln in Fremdwort-Teig geknetet: Fertig ist die „große Kunst“. Besuche man nur die Webseite. Abstruse Sentenzen ummanteln in der Produktwerbung den eigentlichen Zweck mit billigen kulturhistorischen Behauptungen, um die Ausstellung – lasse man sich den verschwurbelten Titel auf der Zunge zergehen – „Die performative Postmoderne als Ausdruck moderner Austerität im Zeitalter der Prekarisierung Edition 1 – Illusion H2O“, in deren Kontext die Aktion stattfindet, zu bewerben. Neben Rezai bespielen zudem fünf weitere Nachwüchsler den Bereich eines Hotels am Checkpoint Charlie. Schaut man sich deren Werk an, wird die Lage auch nicht unbedingt interessanter.

Aktionen für den Boulevard

Wie unendlich differenzierter hat es 2006 Santiago Sierra mit „245 Kubikmeter“ in der von ihm mit Abgasen von sechs Pkw gefluteten Synagoge Stommeln vorgemacht, dass man – schockierend – Kunstbetrachter auf freiwilliger Basis in Extremsituationen bringen kann. Aber hier liegt der Fall anders, weil sinntragend und historisch kontextualisiert und auf die Gegebenheiten hin lokalisiert. Iman Rezai hingegen setzt ausschließlich auf Boulevard. Hinter ihm steht eine Agentur mit Namen „The Coup“, die sich selbst mit den Sätzen „Wir verstehen weder Fashion, Lifestyle noch Kunst als Charitybranchen. Im Fokus steht der Mehrwert und folglich der Profit des Kunden“ anpreist. Und wenn das kein Witz ist, heißt es: Wir verhökern jeden Dreck auf dreckige Weise, wenn’s nur Profit einbringt. Es geht also ausschließlich um Publicity und ums Kasse machen. Wie anders erklären sich die zwei törichten Vorläuferaktionen, mit denen Rezai sich ins Gespräch gebracht hat.

Zwischenruf: Sollen wir uns allen Ernstes an den Zustand gewöhnen, dass Modefotografen als Künstler proklamiert und von ein und derselben Agentur wie Rezai im gleichen sprachlichen Duktus vertreten werden? Der Künstler und die Kunst als gelabelte Luxushandtaschen. Und wie verkommen sind eigentlich diese „Nachwuchskünstler“, dass sie auf jene unverschämte Weise mit gestylter Dummheit in den Markt drängen und sich von PR-Schleudern wie „The Coup“ ein Image und Sprachgewand verpassen lassen?

Fingierte Guillotinen-Abstimmung

Doch zurück zur Sache: Das erste Mal fingierte Rezai im Internet eine Abstimmung über das Guillotinieren eines Schafs. Über 2,5 Millionen Klicks soll das eingebracht haben. Das Mordwerkzeug hat ein Sammler angeblich für 2,3 Millionen Dollar erworben. Anfang November verschickte er im Namen der der Neuen Nationalgalerie E-Mails, die behaupteten, Rezai habe den Server des Instituts unter Kontrolle gebracht. Täuschung wohin man schaut. Die Erregungsmaschinerie fand ihr Futter und der Schaumschläger seine billige Propaganda. Selbst gestandene Nachrichtenagenturen fielen auf den Blödsinn herein. Und nun dieses Wasserspielchen mit dem Publikum. Nein, das ist nichts. Das tut nur so, als ob es Kunst sei, dieses Deckmäntelchen niederer Interessen. Es ist ein albernes Spektakel für eine profitgeile Aufmerksamkeitsindustrie, das die niederen Instinkte einer ennuyierten Gesellschaft bedient, in der die Anliegen der künstlerischen Kritik und Aufklärung in Form rhetorischer Vehikel zum Rauschmittel des Glamours verkommen sind. Das einzig Kunsthafte an der Sache ist höchstens noch die Dreistigkeit, mit der Iman Rezai in den orchestrierenden Medien seine dürftige Karriere fingiert.

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10 Antworten zu Die dreiste Markt-Strategie des Iman Rezai oder: Folter ist kein Mittel der Kunst!

  1. Philipp sagt:

    @Charlotte von Graupenfeld: darf ich annehmen, hinter Ihrem Pseudonym verbirgt sich der verletzte „Künstler“ selbst?

  2. Michaela sagt:

    „Hätte ich doch nicht schreiben sollen?“
    Doch, doch – das musste schon alles mal gesagt werden. Ich finde gut, dass z. B. nicht alle (perversen, offensichtlich nur profitgeilen) Auswüchse moderner „Kunst“ unwidersprochen hingenommen werden. Gut, dass jemand den Mund aufmacht.

  3. Matthias Kampmann sagt:

    Diese Werbeeinblendungen möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, weil sie so bezeichnend für die Sache sind: Es müsse getan werden, was getan werden müsse, lässt Iman Rezai heute markig über seine PR-Maschine verbreiten. „Dass Kunst wirklich Schmerzen bereiten kann, ja sogar zu einer regelrechten Folter auszuwachsen bereit ist“, zeige Rezai, heißt es weiter. Quoi? Die Kunst ist also bereit, auszuwachsen. Zu einer Folter? Hier treibt augenscheinlich etwas ganz anderes, weil Altbekanntes aus: einfältiger, gedankenloser Männlichkeitswahn.
    Bereits am Montag, 3.12., verkündete seine Werbeagentur (lesen Sie sich am besten den Absatz laut und langsam vor):

    „Im Laufe der Ausstellung haben sich bereits 17 Menschen von dem Künstler Iman Rezai durch Waterboarding foltern lassen. Keiner hielt die Folterung länger als 6 Sekunden aus. Das Opfer hat sich bemerkbar gemacht, und Rezai hat das Experiment sofort beendet. In der Realität beginnt jedoch erst hier die wahre Folterung. Zur Finnisage am Donnerstag den 6. Dezember wird daher die Folterung um weitere 6 Sekunden verlängert, nachdem das Opfer sein Zeichen gibt, dass es abbrechen möchte. Iman Rezai wird im Selbstversuch die Zeit der Folterung verdreifachen: Er möchte die Folterung 18 Sekunden lang aushalten.“

    Dabei meint Rezai sogar zu wissen, dass Folter ein Instrument der Machtausübung ist. Wow, wer hätte das gedacht? Ok. Spaß beiseite. Worum geht’s? Um Kunst, Folter, Schmerz, Wasser, Authentizität, Macht, Missbrauch, Provokation? Oder geht es nicht doch um schiere Aufmerksamkeit? Man lasse sich folgenden Satz auf der Zunge zergehen, sofern man noch Geschmacksknospen nach dem obigen langen Zitat hat: „Ich weiß die Arbeit ist provokant für manche, für andere ist es auch keine Kunst. Was verstehen die von Kunst? Zucker zu malen und Zucker zu schmecken sind zwei verschiedene Welten.“

    So einfach scheint die Welt in den Augen von Herrn Rezai zu sein, der wie ein Mann tun muss, was ein Mann tun muss. Der Zuckerguss seiner fleißigen Phrasenschmiede garniert den gröbsten Macho-Unfug und vermittelt den Anschein, tja welchen, über diese schiere Torheit hinausgehenden bloß? Wenn ich das mal wüsste… Schwamm drüber und den Humbug am besten gleich vergessen. Hätte ich doch nicht schreiben sollen?

  4. Matthias Kampmann sagt:

    @ Michaela: Geht mir irgendwie auch so.

  5. Michaela sagt:

    Diese in übler Form vorgebrachten Anfeindungen wecken ziemlich ungute Erinnerungen in mir.

  6. Matthias Kampmann sagt:

    @ CvG, Jago: S. Max Horkheimer, Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Frankfurt/M 2003, S. 128-176.

  7. Bernd Berke sagt:

    @Samuel Jago: In die Sach-„Debatte“, die von einer Seite praktisch nur mit Beleidigungen geführt wird („Schwachsinn“, „dumm“), menge ich mich nicht ein.
    Ich kann Ihnen aber versichern, dass Matthias Kampmann nicht nur ausgebildeter Journalist, sondern darüber hinaus auch noch promovierter Kunsthistoriker ist. Sein theoretischer Hintergrund und seine Kunsterfahrung dürften bei weitem ausreichen, um ein Phänomen wie Iman Rezai einzuordnen.

  8. Samuel Jago sagt:

    Ein professioneller Journalist sind sie aber nicht Herr Kampmann. Dafür fliesst zuviel Hass in ihren Artikel und zu wenig Fakten! Und sie wollen einen Künstler urteilen. Dumm ist nur ihr Artikel geschrieben, aber sie wissen ja wenn sie die PR-Maschinerie so genau analysiert haben, das ein Verriss genauso wenn nicht nützlicher für die Karriere sein kann als Komplimente.
    Wirklich armselig ist aber ihre Unterstellung der Künstler würde Kasse machen! Bewisen sie das!

  9. Matthias Kampmann sagt:

    Hallo Frau von Graupenfeld,

    wenn Sie meinen Text lesen, werden Sie feststellen, dass ich kritisiere, wie Rezai in Komplizenschaft mit „The Coup“ den Bogen auf eine den Verstand beleidigende Weise überspannt hat. Klar kann einem eine Agentur helfen, neue Publikumsfelder zu erschließen. Aber das „Wie“ ist hierbei entscheidend. Und klar, unternehmen Künstler dauernd Aktionen, die die „ästhetische Grenze“ verschieben. Ich kann Ihnen Hunderte von Beispielen nennen. Hier ist sie meiner Auffassung nach jedoch überschritten worden – womit sich Kunst, frei nach Luhmann – als solche annuliert. Die Indizien im von mir nicht erlebten, aber eben textlich vermittelten, sprich bepreisten Werk sowie dieser billige, sich lauthals anheischig machende Kommunikationsodus der Agentur schreien einen förmlich an. Schauen Sie hin und prüfen Sie das Gesehene und Gelesene! Ziehen Sie sich doch einmal Pressematerial von, sagen wir, dem MMK in Frankfurt, dem HdK in München oder dem WKV in Stuttgart. Was herrscht dort für ein sprachlicher Duktus? Die Sache zu vertreten, ohne aufzutreten, als müsse ein Raabsches TV-Format vermarktet werden, das ist es (nur: wenn da keine Sache ist?): Es geht in unserem Business auch um Credibility. Wäre ich Künstler, entfleuchte ich umgehend dieser Agentur.

    Im Übrigen ist die Story kein Bericht, sondern ein Kommentar, mit dem eine Meinung vertreten wird, die nach einem Prozess des Lesens, Nachdenkens und Vergleichens gebildet wurde. Abgesehen davon: Wer das Parkett der Öffentlichkeit betritt, muss eben damit leben, dass sein Auftreten kommentierend begleitet wird.

    Beste Grüße, MKampmann

  10. Charlotte von Graupenfeld sagt:

    Lange nicht mehr so einen Schwachsinn gelesen! Die Ausstellung ist von den Künstlern unabhängig von Galeristen organisiert worden, um freie Kunst präsentieren zu können. Da wird nichts verkauft, folglich auch kein Profit generiert. Unterstützung von einer PR-Agentur zu bekommen ist für die Künstler Hilfestellung und weit weg von Geldmacherei. Ich nehme an Sie haben nie ein Wort mit den Initiatoren gewechselt, sonst würden Sie hier nicht diese zahllosen Unterstellungen verbreiten.

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