Virtuose des 5/4-Taktes: Zum Tod von Dave Brubeck

Kennt Ihr, kennen Sie das? Du wachst am Morgen auf und es summst bereits hinter der Stirn: „Babm, Babm, Dadada, Dahada Da, Dahada Da“ Erkannt? Vermutlich nicht, es coolte sich „Take Five“ ins langsam erwachende Vegetativum. Jetzt erkannt? Wenn nicht, muss ich dringend üben, lautmalerisch Melodien nachzuahmen.

Was ich sagen will, ist aber, dass ich tieftraurig bin, weil Dave Brubeck einen Tag vor seinem 92. Geburtstag seinen letzten Takt gab. Es war zwar Paul Desmond, sein genialer Freund und Saxofonist, der dieses „Take Five“ geschrieben hatte, aber er tat das kongenial zum Bandleader, der sein Klavierspiel wirksam hinter den kühlen Klang von Desmonds Sax legte, dass dessen Größe so sich erst erheben konnte, auf ein Niveau jazziger Erhabenheit mit Ewigkeitsanspruch.

Der Virtuose ungerader Takte trat in mein Leben Anfang der 60er Jahre, als ich seinen Namen auf mein ledernes Federmäppchen kritzelte und ihn aufnahm in meine Hall of Fame, wo ich ebenso ungeordnet wie wahllos nur Namen aufnahm, die mir genehme Musik machten, Jazz-Musik. Jack Teagarden stand da schon drauf, Bix Beiderbecke auch und ich weiß nicht mehr. Brubeck gewann diesen Ehrenplatz und behielt ihn, auch als es dieses Federmäppchen nicht mehr gab, Dave aber immer noch spielte und musikalische Lebensabschnittsbegleitung bei mir ausübte.

Der gebürtige Kalifornier, der als Junge davon träumte, dass seine Viehherde mal den Tourbus von Benny Goodman stoppen würde, damit er ihm vorspielen könne, bewegte sich zickzackend auf seinem Karriereweg. Schon als Student gründete er ein Oktett, dem bereits Paul Desmond angehörte. Studierend scheiterte sein frühzeitiger Erfolg daran, dass er sich lieber seine Musik erspielte, sich weigerte, sie vom Blatt abzuspielen. Der Zweite Weltkrieg tat ein Übriges, ihn vom Aufstieg abzuhalten, er musste mit General Patton Europa befreien.

Aber als das erledigt war, da machte er einen Sprint, war flugs der zweite Jazzer nach Louis Armstrong, der den Titel des Time Magazine schmückte, half kräftig mit, den Jazz immer salonfähiger zu machen, spielte vor der damals noch relativ frischen Berliner Mauer und schenkte der Welt zusammen mit Bob Bates, Joe Dodge und Paul Desmond „Take Five“. Für Bates und Dodge folgten später Eugene Wright und Joe Morello. Wright als Afroamerikaner sah sich nach wie vor rassistischen Nachstellungen ausgesetzt. Unter anderem forderten Clubbesitzer, dass Brubeck sich nach einem anderen Bassisten umsehen möge oder TV-Sender verabredeten insgeheim, den Mann am Bass nicht zu zeigen. Der coole Jazzer Dave Brubeck tat dann stets das Richtige: Es sagte Auftritte ab, pfiff auf Gage und blieb Herr der Lage.

Die Combo-Besetzungen wechselten, unter vielen anderen gehörte auch mal Gerry Mulligan dazu, später seine Söhne. Dave blieb und musizierte. Bis ins hohe Alter trat er noch dann und wann auf. Noch im vergangenen Jahr setzte er sich ans Piano und spielte die gewohnt ungeraden Takte, wie es kein Zweiter konnte. Ihm wurde niemals langweilig. Daher mochte er auch nicht in Schubladen gesteckt werden, weil „die ihn langweilten“.

Irgendwie bedauere ich ja doch, dass ich dieses Federmäppchen irgendwann verloren habe.

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Offizielle Brubeck-Homepage: http://www.davebrubeck.com/live/