Beispiel Ennepe-Ruhr-Kreis: Wie vor acht Jahrzehnten die erste deutsche Demokratie unterging

Nun sind schon fast achtzig Jahre vergangen, seit in Deutschland die erste Demokratie gescheitert oder besser verraten worden ist. Was damals, im Winter 1932/33 los war, kann heute fast niemand mehr erzählen. Die damals jungen Menschen sind inzwischen fast alle tot. Aber es gibt ja andere Quellen der Warnung.

Die Gevelsberger Einkaufstraße hieß schon bald Adolf-Hitler-Straße.

Die NSDAP und ihre SA fanden nicht nur in den Großstädten immer mehr Anhänger, sondern auch in Kleinstädten wie Gevelsberg im Ennepe-Ruhr-Kreis. Dort war traditionell die linke Arbeiterbewegung stark, der Metallarbeiterverband und die Kommunistische Partei bestimmten zunächst die Politik auf der Straße und in den Gaststätten, bevor die SA auftrat. Im Mai 1931 gab es im Saal Buschmann die erste „Saalschlacht“ zwischen NSDAP- und KPD-Anhängern, und zahlreiche weitere folgten.

Die Polizei kam meistens zu spät und war dann großen Gefahren ausgesetzt, im Nachbarort Milspe wurde bei einer solchen Gelegenheit ein Teilnehmer erschossen. Auch Brandanschläge auf Parteibüros oder Wohnungen prominenter politischer Gegner häuften sich. Vor allem nach Aufhebung des Uniformverbots im Sommer 1932 durch die im Putsch ausgetauschte preußische Regierung eskalierten die Auseinandersetzungen. Eine NSDAP-Kundgebung mit Dr. Goebbels am 11. Juli 1932 in Hagen zum Beispiel wurde von KPD-Anhängern massiv gestört, genauso wie umgekehrt die KPD-Kundgebung am Tag danach mit Ernst Thälmann in Elberfeld durch die Nationalsozialisten.

Überliefert sind auch Drohbriefe der Nazis gegen demokratische gewählte Bürgermeister wie Konrad Rappold in Gevelsberg. Seine Stadt war, wie die meisten anderen auch, durch die wirtschaftliche Lage in einer schlimmen Situation: 1932 wurden bereits 56 Prozent der Gevelsberger Bevölkerung mit öffentlichen Mitteln unterstützt, vor allem durch Mietbeihilfen. Die KPD im Stadtrat agierte mit populistischen Anträgen und organisierte schließlich, wie in Nachbarstädten auch, einen „Hungermarsch“ mit anschließendem Rathaussturm. Mit dabei waren auch zahlreiche Kinder.

Interessant ist die Entwicklung der „weltlichen Schule“, die auf Druck der Kommunisten im November 1920 wegen der Gesetzeslage an der Mittelstraße errichtet wurde. Ausgerechnet diese allgemeinbildende Schule ohne Religionsunterricht wurde nach und nach von nationalsozialistischen Lehrern „unterwandert“. Obwohl die Lehrer auf die Verfassung vereidigt wurden, würden die Schüler nun gegen die Republik erzogen, erklärte ein Stadtverordneter damals in einem offenen Brief an die Lokalzeitung.

Das alles war wenige Wochen vor dem berüchtigten 30. Januar 1933, an dem der rechtsnationale Reichspräsident Hindenburg den Nationalsozialisten die Macht übergab und Hitler zum Reichskanzler machte.