Vor 45 Jahren: „Zur Sache Schätzchen“

Als ich heute morgen wie gewohnt meiner Leib-und-Magen-Sendung „Zeitzeichen“ lauschte, überkam mich das gewaltige Grinsen. Das hatte den Vorteil, dass auf dem Bahnsteig niemand die scheibenwischende Bewegung vollzog, weil ich eben nicht lauthals lachte und man hätte denken können, dass ich wohl einen an der Waffel habe. Es beim Grinsen zu belassen, fiel mir leicht, hat dieser Gesichtsausdruck doch etwas von wohlwollender Weisheit und warmer Rückschau.

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Was da mein zugegebenermaßen träumerisches Nostalgie-Gemüt bewegte? Am 4. Dezember 1968 wurde der Film „Zur Sache Schätzchen“ von May Spils uraufgeführt und führte dazu, dass ein Schwarz-Weiß-Streifen mit dem possierlichen Budget von 350.000 Mark (Für die, die nur Euro kennen, das waren ca. 175.000 Euro.) mitten in den Bierernst aufrührerischer Zeiten ausgelassene Heiterkeit kübelte und Typen als solche geradezu adelte, die den Tag vergammelten und sekündlich saucoole (den Begriff gab es zwar noch nicht, aber coole Typen gab’s) Sprüche absonderten und die uniformierte Staatsgewalt nicht mit Eiern oder ähnlichem bewarfen, sondern sie nach Strich und Faden verarschten, eben nicht ernst nahmen.

„Zur Sache Schätzchen“ war kein großer Film und auch nicht die Antwort auf das frankophone Kino seiner Zeit. Es war nicht einmal ein Spross des „Neuen deutschen Films“, der im allgemeinen ziemlich schwermütig daherzukommen pflegte. Aber er war ein Film, den mensch nie vergaß, den mensch sich noch heute anschauen kann. Er ist zeitlos und er zeigt, was in der Zeit, zu der er spielt, los war.

May Spils, die eine Hypothek, die sie auf den elterlichen Hof aufnahm, verfilmte, schrieb das Drehbuch gemeinsam mit Freund Werner Enke. Und der war dann auch Hauptdarsteller des Films – oder mehr seiner selbst. Denn bisweilen erschien er erst gar nicht am Set oder wollte gleich wieder verschwinden, weil er an dem Drehtag „so Scheiße aussah“. Die geliebte May und das „Schätzchen“ Uschi Glas mussten dann angestrengt sein fabelhaftes Aussehen preisen, um ihn bei der Arbeit zu halten. Produzent Peter Schamoni dankte es den beiden immer wieder mit ungespielter Erleichterung.

Dafür schenkte Werner Enke der deutschen Umgangssprache jede Menge Floskeln, die ihr bis dahin nicht wirklich bekannt waren. „Fummeln“ im Sinne von zwischenmenschlichem Körperkontakt (damals höchstens mal im Sinne von „Fummel nicht in den Haaren rum!“ benutzt) beispielsweise oder „abgeschlafft“ für antriebsarm oder so was. Ich maule heute noch allzu rasante Chauffeure mit den Worten an: „Fahr‘ nicht so einen harten Reifen!“. Das sagte Werner Enke zu einem Freund, der sein Auto von einer Münchner Straßenbahn schleppen ließ. Und wenn es wieder mal ganz übel kommt, so Schicksal oder ähnliches, dann kommt unweigerlich: „’s wird böse enden.“ Aber ich gestehe, so schön sonor und gelangweilt wie Werner Enke kriege ich das nicht hin.

Das „Schätzchen“ war d e r Erfolgsfilm der End-60er und ihres Stimmungsbildes. Millionen amüsierten sich über die anarchisch-flippigen Ideen, die eine Handlung begleiteten, die eigentlich keine richtige war. Sie begeisterten sich am possierlichen Uschi-Glas-Figürchen und ihrer Film-Figur. Irgendetwas zwischen Setzkasten und begabter Schauspielerei. Reichlich Nacheiferer liebten den luschigen Werner und wollten wie er sein, was vielen nicht schwer fiel, denn sie waren längst wie er. Und ich kann noch heute über abgeschlaffte Scherze grinsen, obwohl ich seit dem 4. Dezember 1968, also vor 45 Jahren, schon reichlich mehr im Kino sah und manche Filme besser waren. Aber das „Schätzchen“ konnte eben zeitlos sein und zugleich zeigen, was in der Zeit los war.

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Hier ein Trailer zum Film: http://www.youtube.com/watch?v=P9EsMknKgSI