Schnee statt Feuer: Die Csárdásfürstin am Theater Dortmund

Heike Susanne Daum als Csárdásfürstin mit Peter Bording als Edwin, Sohn des Fürsten zu Lippert-Weylersheim (Foto: Thomas M. Jauk)

Heike Susanne Daum als Csárdásfürstin mit Peter Bording als Edwin, Sohn des Fürsten zu Lippert-Weylersheim (Foto: Thomas M. Jauk)

Das Regieteam ist längst in alle Winde zerstreut. Angereist sind dafür die Kostüme und das Bühnenbild: Vom Staatstheater Nürnberg wurden sie für die Premiere der Operette „Die Csárdásfürstin“ zum Theater Dortmund gebracht. Hier erhält der Besucher statt eines Programmhefts nur mehr ein mageres Faltblatt. Das sind die Folgen von Sparmaßnahmen, die das Haus in seinem Kampf um größeren Publikumszuspruch verzweifelt auszugleichen versucht.

Nach Kräften müht sich das Dortmunder Ensemble, der in Nürnberg abgespielten Produktion neues Leben einzuhauchen. Aber so viel die Akteure auch auf dem Tisch tanzen mögen: Die Inszenierung der Berliner Choreographin und Regisseurin Ricarda Regina Ludigkeit, die sich auf ein Konzept des Gärtnerplatz-Theaterintendanten Josef Ernst Köpplinger stützt, ist viel zu schwach und zu schwunglos, um das ungarische Feuer von Emmerich Kálmáns Publikumshit zu entzünden. Selbst die Dortmunder Philharmoniker, die unter Leitung von Philipp Armbruster wirbelnde Csárdás- und schmachtende Walzerklänge anstimmen, klingen dafür oft zu behäbig.

Im historisierenden Ambiente, gerahmt von einer stuckverzierten Säulenfront, konzentriert sich die Regie vor allem darauf, niemandem weh zu tun. Der soziale Sprengstoff, der durch Standesdünkel entsteht, bleibt ebenso zaghaft gestreift wie der plötzliche Kriegsausbruch auf dem Balkan, den Soldaten durch ein chaplineskes Spiel mit der Weltkugel andeuten. So versinkt die Operette müde im Plüsch des Theatersessels, statt mit gefährlicher Leichtigkeit auf dem Abgrund zu taumeln. Im Bühnenhintergrund, wo es unentwegt schneit, öffnen sich immer wieder Türen, um den Blick auf traumgleiche Bilder frei zu geben. Dieser szenische Adventskalender, übrigens weitgehend sinnbefreit, lenkt indes nicht davon ab, wie zäh die Regie mit Kálmáns Operette ringt.

Unterdessen hat Heike Susanne Daum in der Titelpartie ein Glaubwürdigkeitsproblem. Von Statur und Ausstrahlung könnte sie eher als Edwins Mutter durchgehen als für dessen große Liebe. Für eine Varieté-Tänzerin wirkt sie zu unbeweglich; für eine große Diva fehlt ihr die Eleganz. Stimmlich bietet sie robuste, nicht ohne Druck erreichte Höhen, die hart in galligen Trotz umschlagen können. Peter Bording, der als Edwin für den erkrankten Lucian Krasznec einspringt, hebt das Niveau des Abends mit seinem angenehm balsamischen Tenor um eine beachtliche Stufe an. Dies lässt sich sonst nur noch von schauspielerischen Einzelleistungen sagen: Zum Beispiel von Thomas Günzler, der einen grandios verschlampten Wiener Portier mimt, und von Johanna Schoppa, die als Frau des Fürsten zu Lipper-Weylersheim eine wunderbar raue Herzensweisheit verströmt. Selbst der unverwüstliche Hannes Brock (als Feri Bácsi) und der gut disponierte Opernchor können an diesem Abend nicht viel ausrichten.

Nur die gute Zusammenarbeit mit anderen Bühnen erlaube es dem Dortmunder Opernhaus, noch immer zehn Neuproduktionen pro Spielzeit herauszubringen, betonte Intendant Jens-Daniel Herzog im Anschluss an die Premiere. Im Vergleich zu den fünf Premieren des Essener Aalto-Theaters klingt das zunächst imposant. Ob die schiere Quantität wirklich einen Ausweg aus der Krise bietet und ob sich diese Vielzahl auf Dauer stemmen lässt, steht freilich auf einem anderen Blatt. Gerüchte besagen, dass Dortmunds Stadtväter in der kommenden Opernsaison weitere Einsparungen in Höhe von 750.000 Euro verlangen werden.

(Informationen zum Stück: http://www.theaterdo.de/detail/event/1835/)