Auf der Demo gegen die Rundschau-Demontage

Der Demonstrationszug an der Reinoldikirche (Foto: Bernd Berke)

Der Demonstrationszug an der Reinoldikirche (Foto: Bernd Berke)

Es war beileibe nicht nur eine gewerkschaftliche Routine-Veranstaltung.

Wer an der Dortmunder Demo gegen die Schließung der Rundschau-Redaktion teilgenommen hat, hat die Atmosphäre spüren können: Es war eine Mischung aus Sprachlosigkeit, Zorn, tiefer Bedrückung und Sorge um die Zukunft. Viele Kolleginnen und Kollegen, zumal auch freie Mitarbeiter, die nicht einmal Abfindungen nach Sozialplan bekommen, stehen jetzt vor schweren Zeiten.

Doch es war auch nicht nur ein Trauerzug. Denn gleichzeitig war da eine Stimmung des Aufbegehrens. Selbst wenn die WAZ-Gewaltigen ihre Entscheidung kaum revidieren dürften, hatte die Veranstaltung ihren Sinn. Denn schon aus blanker Selbstachtung und aus demokratischer Verantwortung muss man mit diesem Verlagsskandal an die breite Öffentlichkeit gehen und die Leser aufklären, dass ihnen ab Februar eine absurde Mixtur aus WAZ und Ruhr-Nachrichten (bzw. je nach Stadt Westfalenpost, Hellweger Anzeiger etc.) als nur noch so genannte „Westfälische Rundschau“ vorgesetzt wird.

Geschätzte 1000 Menschen (laut Polizei: 500) waren trotz schneidender Kälte im Demonstrationszug dabei, der vom Rundschauhaus am Brüderweg zur Kundgebung am Alten Markt im Herzen der Stadt führte. NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider und NRW-Medienministerin Angelica Schwall-Düren waren die prominentesten Redner auf dem Podium. Video-Ausschnitte aus den Ansprachen findet man hier.

Am bündigsten brachte wohl Martin Kaysh die Lage auf den Punkt, der Kabarettist und „Steiger“ beim Dortmunder Alternativkarneval „Geierabend“, der zeitweise selbst als Journalist (u.a. bei der WAZ) gearbeitet hat. Sein komplettes Manuskript ist hier nachzulesen.

Unter den Medienleuten, die die Demo begleiteten, waren auch Fotografen der Ruhr-Nachrichten und der Westfälischen Rundschau. Man darf gespannt sein, was am Montag in den beiden Blättern vorzufinden sein wird. Am Rande der Veranstaltung war zu hören, dass selbst eine WR-Schlagzeile zur Kältewelle („Es hat uns eiskalt erwischt“) vor Drucklegung gestrichen wurde, weil man sie als Anspielung auf die Schließung der WR-Redaktion hätte verstehen können… Soll man lachen über solche Hysterie oder soll man weinen über das Zensoren-Gehabe, das sich in den letzten Tagen bei der WAZ-Gruppe geradezu breit gemacht hat?

Übrigens wurden auf der Demonstration auch WR-Chefredakteur Malte Hinz (der seinen Posten auch künftig behält) und sein ehemaliger Stellvertreter Frank Fligge (der jetzt in der Essener WAZ-Zentrale tätig ist) gesichtet. Im Protestblog www.medienmoral-nrw.de haben die beiden häufig verbale Prügel bezogen. Aber dieses Fass machen wir hier jetzt nicht auf. Dazu ist die Gemengelage denn doch zu kompliziert. Doch sagen wir mal so: Es muss für Hinz schon ein ganz eigentümliches Gefühl sein, gut dotierter Chef eines redaktionslosen Titels zu bleiben, während seine bisherige Truppe ein ungleich schlechteres Ende erwischt.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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14 Antworten zu Auf der Demo gegen die Rundschau-Demontage

  1. REmo sagt:

    Die WAZ-Medienmitteilung kommt ja in allerschönstem Neusprech daher. George Orwell hätte es nicht besser gekonnt: http://www.neusprech.ch

  2. Rudi Bernhardt sagt:

    Lieber Bernd, zumindest ärgert es die Mittäter bei den Gazetten, die monatelang mit der WAZ verhandelt hatte. Die würden doch ein wenig unsicher, ob sie das Richtige dachten, als sie vorausschauten, dass viele Rundschau-Leser und – innen bei ihrer Auflage landen würden.

  3. Bernd Berke sagt:

    Rudi, der Hinweis klingt aber höchst originell. Glaubst du, dass man auf diese Weise etwas Gutes bewirkt?

  4. Rudi Bernhardt sagt:

    Mist Bernd, wir haben uns beide übersehen, waren zu viele Leute. Schade.
    Aber nur mal ein Hinweis: Wie wäre es denn, wenn plötzlich ganz viele die Rundschau bestellen würden?

  5. Günter Heerich sagt:

    Wenn die WR Leser denen an der Macht zeigen, welche Macht der Kunde ausüben kann und alle die WR kündigen, werden sie warscheinlich ihre Entscheidung rückgängig machen. Also packen wir es an.

  6. WAZ-Insider sagt:

    Malte Hinz kann seinen Posten behalten, weil auch eine zusammengeschnippelte WR presserechtlich einen Chefredakteur braucht. Er wird allerdings nicht mehr beim Zeitungsverlag Westfalen, sondern irgendwo im WAZ/Funke-Bereich angestellt sein und ein Büro in Essen haben.

  7. Jan Mertens sagt:

    Bitterkeit und hilflose Wut: diese Reaktionen habe ich gespürt im Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen über die strenge Zensur, mit der Essen redaktionelle Beiträge wie Leserreaktionen zum Etikettenschwindel bei der WR bislang rigoros unterbindet. Was für ein Elend: Vor dem finalen Arschtritt mal zwei Wochen bei der Peking-Rundschau knechten…
    Doch das Kalkül der WAZ-Chefetage, mit der fremdbefüllten WR längerfristig Kasse zu machen, könnte scheitern. In hellen Scharen spucken Leserinnen und Leser in die fade Suppe – und kündigen das Blatt. Oft mit dem Hinweis, dies rückgängig machen zu wollen, wenn denn die WR wieder von WR-Leuten gemacht werde. Angesichts dieser Entwicklung sehen offenbar auch viele Anzeigenkunden in der WR keinen guten Platz mehr für ihre Werbung.

  8. Bernd Berke sagt:

    Die Information wird von der WAZ-Gruppe offiziell bestätigt. Da der Titel „Westfälische Rundschau“ erhalten bleibt, obwohl es keine eigene Redaktion mehr gibt, muss wohl schon aus formalen Gründen ein(e) Chefredakteur(in) im Impressum stehen. Dieses Impressum dürfte ohnehin die reinste Farce werden.

  9. Gerhard Hausen sagt:

    Mich interessiert, woher die Information ist, dass Malte Hinz seinen Posten behält. Warum bleibt Malte Hinz im Amt, wenn alle anderen rausgeworfen werden? Was hat er dann noch als Chefredakteur der WR zu tun, wenn es das Journal nur noch auf dem Papier gibt?

  10. Sigrid Rogowski sagt:

    Es tut mir leid fuer alle Leute, die ihren Job verlieren.

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