Die schier unerträgliche „Spannung“ vor dem Ende der Rundschau-Redaktion

Es würde einen jetzt doch mal brennend interessieren, wie Rundschau-Chefredakteur Malte Hinz das gemeint hat, als er dem NDR-Medienmagazin „Zapp“ sagte, er erwarte die neue „Westfälische Rundschau“ nachgerade mit Spannung. Der Mann, der seinen gut dotierten Posten behält, jedoch (weil ohne eigenes Redaktionsteam) ab Februar an einem Essener Schreibtisch sitzt, ist also wahrhaftig „gespannt“ auf die künftig fremdbelieferte Zombie-Zeitung. Ist das bloß einfältig oder ist es schlimmer?

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Im selben „Zapp“-Beitrag äußert sich Christian Nienhaus, einer der mächtigen Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe, beinahe schon rührend blauäugig: Er behauptet, die Tradition der WR werde weiterhin beachtet. Auch hoffe er, dass die Abonnenten von der Umstellung möglichst wenig merken…

Wie gut, dass es jetzt ein spürbares Gegengewicht zu solchen – um es überaus höflich zu sagen – verwaschenen Äußerungen gibt, nämlich eine von 216 Kolleg(inn)en der WAZ und der NRZ in Essen unterzeichnete Erklärung zur Schließung der WR-Redaktion, die u.a. hier im Wortlaut nachzulesen ist und an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Alle Achtung! Auch Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) hat inzwischen – wie berichtet – klare Worte gefunden, desgleichen der Bürgermeister von Arnsberg, Hans-Josef Vogel. Überdies haben (Stand 24. Januar, 13:00 Uhr) schon rund 5400 Menschen einen Solidaritäts-Aufruf für die WR-Redaktion online unterzeichnet.

Dennoch sieht es leider so aus, als könnte in Kürze – ungeachtet aller menschlichen Schicksale, die an der Schließung hängen – die Liegenschaftsverwaltung der WAZ-Gruppe verstärkt tätig werden. Denn mit der Entlassung der WR-Redaktion und der freien Mitarbeiter würden etliche Immobilien (bisherige Redaktionsräume) in zentralen Ortslagen frei werden; im einstigen Haupthaus am Dortmunder Brüderweg sogar mehrere Etagen mit Pförtnerloge und einigen Tiefgaragenplätzen. Da kann man also entweder Mieten sparen oder sogar Verkaufs- und Vermietungs-Einnahmen erzielen. Sag’ ich mal als Laie.

„Gespannt“ darf man auch sein, wie der Dortmunder Häuserblock Brüderweg/Ostenhellweg sich künftig darstellen wird. Falls der WR-Leserladen am Ostenhellweg bestehen bleibt (wonach es – ausweislich heute flugs geschalteter Eigenanzeigen – erst einmal aussieht), würde freilich die Seite am Brüderweg reichlich kahl wirken. Oder montiert man die alten Rundschau-Schilder etwa gar nicht ab? Vielleicht sollte man nun noch mal die Geschichte mit Potemkin nachlesen, um mental gewappnet zu sein.

Furchtbar „gespannt“ bin ich auch auf die Namen und sonstigen Angaben im künftigen Impressum der Etikettenschwindel-WR. Hierbei darf man sicherlich besondere Kreativität, wenn nicht gar avancierte Gebrauchslyrik aus dem Geist des Absurden erwarten.

Und weiter mit der schier unerträglichen „Hochspannung“: Wie wird die WAZ in ihrem Mantelteil eigentlich künftig aus Dortmund berichten? Schickt sie gelegentlich eigene Leute aus Essen hin? Oder wird die Lokalredaktion der Ruhr-Nachrichten künftig den WAZ-Videokonferenzen zugeschaltet und nimmt etwaige Themenwünsche entgegen? Wird da überhaupt koordiniert oder darf man sich schon jetzt auf prächtige „Doubletten“ und andere Pannen einstellen?

Ja, die „Spannung“ hört gar nicht mehr auf: Was ist an dem Gerücht dran, dass die Ruhr-Nachrichten – nach einer gewissen Schamfrist – ihre Bochumer Lokalredaktion schließen könnten, nachdem die WAZ-Gruppe den RN in Dortmund das Feld überlassen hat? Sollte es da etwa Gebietsabsprachen geben? Da wäre ja geradezu…

P.S.: Ich bin seit Kindertagen ein Anhänger von Borussia Dortmund und freue mich immer, wenn der Verein gewinnt. Nun aber mal in aller Freundschaft so gefragt: Hat sich eigentlich der ruhmreiche BVB, der seit vielen Jahrzehnten von der Berichterstattung (phasenweise auch von nibelungentreuer Hofberichterstattung) der WR profitiert hat, mit einer einzigen Zeile zur bevorstehenden Schließung der WR-Redaktion geäußert? Sollten wir da etwas übersehen haben? Dann sind wir für spannende Hinweise sehr dankbar. Wie bitte? Der BVB und die Ruhr-Nachrichten seien „Medienpartner“? Und BVB-Pressesprecher Sascha Fligge sei just aus dem Hause Ruhr-Nachrichten zu Borussia gekommen? Ja, was sollen wir denn jetzt denken?

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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12 Antworten zu Die schier unerträgliche „Spannung“ vor dem Ende der Rundschau-Redaktion

  1. Bernd Berke sagt:

    Andreas Rossmann spricht im heutigen FAZ-Feuilleton von einem Verlust an Urbanität, den die Redaktionsschließung für Dortmund bedeute. Näheres hier: http://www.faz.net/aktuell/waz-gruppe-nach-den-zechen-sterben-die-zeitungen-12042555.html

  2. Bernd Berke sagt:

    Inzwischen scheint auch klar zu sein, an welche Sprachregelungen sich das Callcenter der WAZ in (gewiss nicht seltenen) Fällen empörter Leseranrufe halten soll. Da biegen sich die Balken:
    https://www.facebook.com/WRMussBleiben/posts/393816314043180
    Offenbar gilt der Ukas schon seit dem 15. Januar, dem Tag, als die bevorstehende Schließung der WR-Redaktion verkündet wurde; ein weiterer Hnweis darauf, dass die ganze Maßnahme (natürlich) von langer Hand vorbereitet worden ist. In diesem Zusammenhang noch einmal zurück zum NDR-Interview mit Malte Hinz (Langfassung): Einerseits rühmt sich der WR-Chefredakteur seines kurzen Drahtes zur WAZ-Geschäftsführung, andererseits will er im Vorfeld nichts, aber auch gar nichts von der beabsichtigten Redaktionsschließung gewusst haben.

  3. Bernd Berke sagt:

    Völlig d’accord. Aber ein Signal des BVB hätte natürlich eine besondere Außenwirkung.

  4. Burkhard Sauerwald sagt:

    Mir würden neben dem BVB auch noch andere Institutionen einfallen, die sich mal äußern könnten. Technische Universität, Konzerthaus, Orchesterzentrum, …

  5. Bernd Berke sagt:

    Vom (in den Fragestellungen gut geführten) NDR-Interview mit WR-Chefredakteur Malte Hinz gibt es auch eine quälende, über 23 Minuten dauernde Langversion: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/media/hinz111.html

  6. Bernd Berke sagt:

    Sascha Fligges Laufbahn ist bekannt. Frank Fligge, den Wanderer zwischen den Dortmunder Zeitungswelten, habe ich bei der Rundschau noch als WR-Lokalredakteur, WR-Lokalchef Dortmund und gegen Schluss als stellv. Chefredakteur erlebt, bevor er als Beauftragter für Qualitätssicherung und Weiterentwicklung der lokalen Berichterstattung in die Zentrale der WAZ-Gruppe ging. Es gibt nicht wenige, die ihm seine Karriere neiden. Tatsächlich jiepert er seit jeher nach höheren Aufgaben. Aber gesteigertes Wirkungsbedürfnis allein ist noch keine Missetat.

  7. Martin Schrahn sagt:

    Jaja Bernd, PS: Sascha Fligge war jahrelang Sportredakteur bei den Blau-Weißen. Sein Vorgänger im BVB-Amt, Josef Schneck, war ûbrigens zuvor RN-Lokalchef in Dortmund. Und wenn meine Erinnerung nicht trügt: Frank Fligge wiederum, Saschas Bruder, arbeitete erst bei der WR, wurde dann von den RN quasi abgeworben, in die Dortmunder Lokalredaktion, kehrte aber irgendwann zur WR zurück. Passt alles wunderbar.

  8. ingo sagt:

    NB Und wenn es noch einen Grund gebraucht hätte, Malte H. für eine Fehlbesetzung zu halten, das Interview lieferte ihn fuderweise.

  9. ingo sagt:

    Der Dortmund/ Bochumer- Tauschkuhhandel ist schon seit etlichen Jahren auf den Fluren unterwegs, denke, das hier ist wirklich die passende Gelegenheit.
    Wird kommen mit nur geringstmöglicher Schamfrist.

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