In öffentlicher Mission – Cecilia Bartoli ehrt den Komponisten und Diplomaten Agostino Steffani

Cecilia Bartoli schwungvoll in der Philharmonie Essen. Foto:  Sven Lorenz

Cecilia Bartoli bei ihrem schwungvollen Auftritt in der Philharmonie Essen. Foto: Sven Lorenz

Am Anfang war sie ein Geheimtipp. Eine junge Stimme unter den Mezzosopranistinnen. Mit gleichwohl schon charakteristischem, dunklem Timbre, einer eminenten Freude am Gesang, und, wie es hieß, mit einer großartigen, charakterstarken Bühnenpräsenz.  Kurzum: Die musikalische Welt staunte nicht schlecht über die Römerin Cecilia Bartoli.

Wir hörten ihre Rossini-CD’s und waren berauscht von der Geläufigkeit ihrer Gurgel, von der Perfektion ihres akrobatischen Singens. Und die Künstlerin schien die natürlich Gabe zu besitzen, all das in eine Stimme zu legen, was es braucht, um einer Opernfigur Leben einzuhauchen.

Das liegt nunmehr zwei Jahrzehnte zurück. Es war der Ausgangspunkt einer großen, bis heute andauernden Karriere. Dass die PR-Maschinerie schnell mit dem Vergleich „die neue Callas“ zur Hand war, flankiert von einer mehr oder minder sachkundigen Journaille, gehört leider zu den Mechanismen des Klassikmarktes. Von solcherart Glorifizierung ist indes längst nicht mehr die Rede. Jüngere Sängerinnen, deren Namen hier nichts zur Sache tun, sind nachgerückt, und wurden ihrerseits mit dem „Callas“-Titel beschwert. Bartolis Popularität hingegen hat Bestand.

Rossini, Mozart oder Partien des italienischen Belcanto – das war zunächst die musikalische Welt der Sängerin. In jüngerer Zeit folgte die Hinwendung zum Barock, legte sie dabei ihr Augenmerk auf das bisher kaum aufgeführte, gleichwohl hinreißend spannende Repertoire. Davon zeugt Bartolis Projekt „Mission“, dem Komponisten, Priester und Diplomaten Agostino Steffani gewidmet. 1654 in Venetien geboren, galt er  schnell als bedeutendster Vertreter der italienischen Oper in Deutschland – seine ersten Werke schrieb er bereits als 13jähriger im Dienste des Bayerischen Kurfürsten.

Bartoli hat nun ihr Programm in Essens Philharmonie präsentiert. Mit all dem gewohnten Temperament, der unbedingten Leidenschaft, die ihr Auftreten stets auszeichnen. Mit rasselndem Tambourin erstürmt sie die Bühne und schleudert uns triumphierend einen Siegesgesang aus Steffanis Oper „Alarico il Baltha“ entgegen. Die Bewegungen und Mimik der Sängerin sind dem Charakter der Texte aufs Schönste angepasst. Anders gesagt: Bartoli ist die Inkarnation barocker Affekte.

So singt sie sich durch Triumpharien, Nachtstücke, kecke Liebesbekundungen oder sanfte Weisen von intimer Reflektion. In tiefer Lage bisweilen mit gutturalem Ton, andererseits mit ausgefeiltem Legato und einer samtenen Höhe. Manchmal stürzt sie sich in einen spektakulären Koloraturenwettstreit mit Oboe oder Trompete, sehr zum Plaisir des Publikums. Mag das manchmal nach allzu mechanischer Reproduktion klingen, bleibt doch der positive Eindruck des kontrollierten, aber nicht künstlichen Überschwangs.

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Am Ende große Dankbarkeit für den verdienten, frenetischen Applaus. Foto: Sven Lorenz

Spätestens hier sei auf das bemerkenswerte Ensemble hingewiesen, mit dem Bartoli auftritt. I Barocchisti ist eine der besten Formationen, die es im weiten Feld der historisch informierten Aufführungspraxis gibt. Das Musizieren mit Originalinstrumenten wirkt nie spröde, vielmehr äußerst lebendig, besonders in rhythmischer Hinsicht. Andererseits gelingt dem Klangkörper ein piano von unendlicher Sanftheit, die uns scheinbar ins Sphärische katapultiert. Und wenn Cecilia Bartoli die Arie des Amphion aus Steffanis Oper „Niobe“ zelebriert – „Um der matten Seele Qualen zu mildern, kehre ich zu dir zurück, geliebter Ruheort“ –, wenn dazu ein Streichquartett höchst Sensibles intoniert und im Bühnenraum Glöckchen bimmeln, dann darf sich das Publikum getrost beseelt fühlen. Jedenfalls ist in solchen Momenten in der Philharmonie kein Laut zu vernehmen.

Dass Steffanis Musik so spannend wie zauberhaft aufleuchtet, ist nicht zuletzt dem Dirigat Diego Fasolis’ zu danken. Er ist ein wahrer Orchesterbeschwörer, der aus jedem noch so kleinen Einsatz eine staatstragende Sache macht. Mit Bewegungen, die bisweilen unfreiwillig komisch wirken. Andererseits entpuppt er sich so als idealer Partner der Bartoli. Mag es auch, bei soviel Temperament, mitunter zu rhythmischen Hakeleien kommen, bleibt doch der Eindruck eines großen Abends.

So gilt der frenetische Applaus einer Sängerin, die es über Jahre geschafft hat, sich ihr Repertoire Schritt für Schritt aufzubauen, die ihrer Stimme nichts Grenzwertiges zumutet. Manchmal scheint die Tragfähigkeit dieses Mezzo einen Hauch von Blässe zu zeigen, doch die Wirkung ihres Gesang ist noch immer unmittelbar. Typisch Bartoli eben.