Kleiderhaken bürgen für Qualität – Max Goldts Buch „QQ“

Wenn man mal wieder nicht so recht weiter weiß im (Gesellschafts)-Leben, dann ist es an der Zeit, Max Goldt zu lesen. Er weist Wege, er schlägt Schneisen.

Sein neuer Band heißt „QQ”. Das Kürzel steht angeblich für „quiet quality”, also stille Güte. Nun ja. Gewiss. Der begnadete Kolumnist des Satireblattes „Titanic” steuert stets einen Schlingerkurs. Er kommt gedanklich von Hölzchen auf sonstwas, so dass man oft fürchtet: Jetzt trägt es ihn wirklich aus der Kurve, das kriegt er nicht mehr heil über die Runden. Doch man täuscht sich. Über dem assoziativen Gewimmel waltet denn doch sein gesunder Menschenverstand, der sich durch keine herrschende Meinung, keinen Trend und keinen Lifestyle blenden lässt.

Was lernen wir diesmal? Beispielsweise etwas über den Unterschied zwischen dem klugen und dem dusseligen Staunen. Zitat: „ . . . man sollte selbstdisziplinarische Maßnahmen ergreifen, um nicht an jene Grenze zu stoßen, hinter der das Staunen in Gaffen und entfesseltes Plappern übergeht.” Es folgt ein aberwitziges Beispiel: Jemand wird auf einer Party einem Moraltheologen vorgestellt, worauf man eben verschieden reagieren kann. Etwas weniger feinfühlige Variante: „Wow! Ich glaub, ich spinne: ein Moraltheologe! Ich dachte, die gäbe es nur im Fernsehen . . . Darf ich Sie mal fotografieren? Oh Schock, mein Akku ist fast alle . . .”

Mit Goldt sieht und hört man genauer hin: Da lernt man etwa den blasierten TV-Komponisten kennen, der für alle möglichen Sendeformate immerzu Mönchschöre einsetzt. Ferner geht’s um die bestürzend putzige Wesensart jener Frauen, an deren Handtaschen Teddy-Figürchen baumeln. Auch das soziale Prestige von Serien-Schauspielerinnen bei gewissen Privatsendern wird zeitdiagnostisch erörtert, es ist demnach vergleichbar mit dem eines Losverkäufers im Zoo. Wie präriehundsgemein!

Liebevoll geraten hingegen die kleinen Porträts wunderlicher alter Damen, die das Bild wahrer Großstädte laut Goldt mehr bereichern als jede schrille Jugend-Fraktion. Man schlürft dabei Formulierungen wie diese hier: „. . . während die andere mehr dem Typus des glückhaft im Eigenleben versumpften ,alten Mädchens‘ entsprach.”

Zwischendurch zerpflückt Goldt einen ebenso branchenüblichen wie bodenlosen Kritikersatz („Radikale Bestandsaufnahme des Lebensgefühls einer Generation”) in seine dummdreisten Bestandteile. Der Beitrag gehört in künftige Leitfäden für Leute, die über Kultur schreiben.

Ein Ausflug führt sodann in diverse Gaststätten. Als ein Qualitätsmaßstab wird da die Anzahl der Kleiderhaken hinzugezogen. Je mehr davon, umso solider und bodenständiger das Lokal! Sagen wir’s folglich mal so: Dieses Buch von Max Goldt ist ungelogen randvoll mit Kleiderhaken.

Max Goldt: „QQ”. Rowohlt Berlin, 156 Seiten, 17,90 €.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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