Abgebrühte Mädchen

Wir wissen’s ja: Brave Mädchen kommen in den Himmel, freche überall hin. Diesem Leitsatz folgt der Film „Die Girls von St. Trinian”.

Schauplatz ist ein britisches Mädchen-Internat mit Horror-Garantie. Alle schrillen Girlie-„Szenen”, besonders die düsteren, scheinen hier Stützpunkte zu haben. Schlimmer: Schnapsbrennen, Drogenmissbrauch und Bombenbasteln beherrschen die Schülerinnen aus dem Effeff. Sie sind clever und abgebrüht.

Nachmittags im Kriminal-Unterricht (Lernziel heute: „Wir komme ich schnell zu ganz viel Geld?”) lobt der Lehrer, ein schmieriger Ganove: „Richtig! Fein! Erpressung ist eine prima Idee.” Man ahnt schon: „Pisa” interessiert hier keinen. Im Lehrerzimmer wird beim Pokern gesoffen, die schräge Direktorin (männlich besetzt mit Rupert Everett, der auch ihren Bruder mimt) kifft, was die Tüte hält.

Die Regisseure Barnaby Thompson und Oliver Parker (zuvor hauptsächlich mit Komödienstoffen von Oscar Wilde befasst) schicken anfangs eine neue Schülerin (Typ „zarte Elfe”) ins sittenlose Inferno. Was die Kleine nicht umwirft, härtet sie ab.

Und so geht’s Runde um Runde durch diese halbwegs flotte, aber auch schon etwas rostige Geisterbahn. Die Provokatiönchen verbrauchen sich rasch. Fast könnte man von heiler Welt der Anarchie sprechen. Hier werden alle Kulte routiniert verwurstet. Mal zaubert’s wie bei „Harry Potter”, mal glitzert’s wie in der „Rocky Horror Picture Show”. Na, und so weiter. Doch die liebevolle Akribie und der tiefschwarze Humor der Cartoon-Vorlage von Ronald Searle („St. Trinian’s” aus den 1940er Jahren) werden nicht annähernd erreicht.

Damit das Ganze nicht nur aus lauter Wiederholungsschleifen besteht, tritt ein neuer Bildungsminister (Colin Firth) auf den Plan, der diese Anstalt auf Vordermann bringen will und dabei ein ums andere Mal scheitert.

Schließlich wird noch eine Rififi-Geschichte um Kunstraub angepappt. Um ihre schräge Schule vor der Pleite zu retten, wollen die Girls in der National Gallery Jan Vermeers berühmtes Gemälde „Das Mädchen mit dem Perlenohrring” an sich bringen. Dass einige Schülerinnen Vermeers Bild für ein Porträt von Scarlett Johansson halten, ist noch einer von den besseren Gags.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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