„Nach dem Applaus“ – ein Krimi aus dem Theatermilieu in Berlin und Wien

Es ist bitterkalt. Schnee und Eis haben die Mitte Europas fest im Griff. Eigentlich möchte man sich es sich nur noch mit einem heißen Getränk und einem guten Buch in der gut geheizten Wohnung gemütlich machen. Doch dann müssen der Berliner Kommissar Thomas Bernhardt und seine Wiener Kollegin Anna Habel doch vor die Tür und hinaus ins Frostige.

In den Hauptstädten Deutschlands und Österreichs geschehen Morde, die offensichtlich enger zusammenhängen, als es auf den ersten Blick scheint. In Berlin wird eine junge Schauspielerin grausam zerstückelt, die noch vor gar nicht langer Zeit in Wien große Bühnentriumphe feierte. Und war sie nicht mit jener Frau näher befreundet, deren kopflose Leiche man in Wien auf den Gleisen eines Rangierbahnhofs findet?

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„Nach dem Applaus“ heißt der neue, nunmehr dritte „Fall für Berlin und Wien“, den das Autoren-Duo Bielefeld & Hartlieb mit liebevoll-zynischer Lust geschrieben hat. Nachdem der Berliner Literaturkritiker Claus-Ulrich Bielefeld und die Wiener Buchhändlerin Petra Hartlieb ihr unterhaltsames Spiel mit den blutigen Machenschaften unter Schriftstellern und Verlegern („Auf der Strecke“) und mit den politischen Irrungen und Wirkungen unter ehemaligen RAF-Terroristen („Bis zur Neige“) geführt haben, wagen sie diesmal einen Ausflug ins Theatermilieu. Das ist schon deshalb nicht ohne Hintersinn und Humor, weil Berlin und Wien seit jeher um die Theaterkrone im deutschsprachigen Raum kämpfen.

Natürlich war die in Berlin ermordete Schauspielerin eine Lieblings-Diva von Claus Peymann, dem ehemaligen Chef des Wiener Burgtheaters, der seit einigen Jahren das Berliner Ensemble leitet und immer wieder vollmundig verkündet, sein Theater solle Reißzahn im Hinterteil der Herrschenden sein. Peymann wird im Krimi zwar nicht direkt beim Namen genannt, aber auch so ist jedem Leser klar, wer da seine aufbrausenden Bühnenweisheiten und arroganten Kunstsentenzen von sich gibt.

Dass der Theaterdirektor ausgerechnet von einem Kommissar namens Thomas Bernhardt (mit „dt“) verhört wird, raubt dem ehemaligen Weggefährten des (fast) gleichnamigen österreichischen Schriftstellers (mit „d“) beinahe den Verstand. Auch als Kommissar Bernhardt in eine Schauspielprobe platzt, bei der „Peymann“ sich an einer Bühnenversion von Georg Büchners „Lenz“-Erzählung abarbeitet und sich – ausgerechnet! – vom prolligen Volksbühnen-Kollegen Frank Castorf ein paar Ratschläge erbittet, ist der Humorfaktor groß.

Aber bei allen komischen Seitenhieben auf die Theaterszene kommt das bizarre mörderische Treiben nicht zu kurz. Ein zum Eisklotz gefroren toter Schriftsteller im See, ein in luftiger Höhe an die Flügel eines Windrades gebundener Schauspieler, ein Kunst-Mäzen, der gern Gutes tut, aber selbst nicht ohne Makel ist: Es wird Zeit, dass Bernhardt und Habel, die nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander können, gemeinsam am komplizierte Fall bosseln.

Ob die beiden bei ihren Recherchen in Szene-Cafés oder Theater-Kantinen Station machen, immer spürt man, dass jedes Detail stimmt und jede Anspielung bis aufs I-Tüpfelchen durchdacht ist. Zwar versichern Bielfeld&Hartlieb, dass alle Personen und Ereignisse frei erfunden sind. Trotzdem ist es ein kriminalistischer Spaß, die Fantasie mit der Realität abzugleichen.

Bielefeld & Hartlieb: „Nach dem Applaus“. Kriminalroman. Diogenes Verlag, Zürich. 390 Seiten, 14,90 Euro.