Tränen am liebsten in Superzeitlupe: Die verfälschten Emotionen bei RTL

Der grobe Unfug beginnt schon beim Titel der von Sonja Zietlow präsentierten Show: „Die 25 emotionalsten TV-Momente des Jahres“. In Wahrheit kann man das natürlich gar nicht so steigern: emotional, emotionaler, am emotionalsten. Doch bei RTL geht das.

Die marktschreierische Rückblickssendung, in der praktisch unentwegt „Sensation, Sensation!“ gerufen wurde, erwies sich als hemmungsloses Ausschlachten von Gefühlen. Ob Trauer oder Jubel, Scham oder Schadenfreude – hier wurde nahezu alles über einen Leisten geschlagen.

Sonja Zietlow präsentierte "Die 25 emotionalsten TV-Momente des Jahres". (© RTL/Stephan Pick)

Sonja Zietlow präsentierte „Die 25 emotionalsten TV-Momente des Jahres“. (© RTL/Stephan Pick)

Auch Sonja Zietlow zeigte sich der Materie nicht annähernd gewachsen. Sie moderierte den im Grunde zutiefst gefühllosen Hitparaden-Countdown („Platz 25 bis Platz 1“) allenfalls an der äußersten Oberfläche.

Schwachsinnige Vergleiche

Ob nun der angebliche „Pop-Titan“ Dieter Bohlen schluchzend seinen Entdecker Rainer Felsen wiedersah, ob Boris Becker sich jene peinliche Schlammschlacht mit Oliver Pocher lieferte oder krebskranke Menschen sich einen letzten Wunsch erfüllen konnten – das sollte auch nur annähernd gleichwertig sein? Schwachsinn! Dass im pakistanischen Fernsehen ein lebendiges Baby zu gewinnen war, soll auch nur irgendwie vergleichbar sein mit Waldi Hartmanns läppischem Fehler in Jauchs Millionärs-Quiz? Blödsinn!

Die durch lange Werbeunterbrechungen und dämliches Gewinnspiel gestreckten Beiträge waren indes alle nach gleichem Muster zusammengestoppelt. Stets mussten RTL-bekannte Sternchen, Juroren und Moderatoren die vorgeführten Emotionen verstärken und „erklären“, als könnten die Zuschauer selbst nicht bis drei zählen.

Was war denn nun wirklich echt?

Ansonsten wurde jede Träne vielfach und am liebsten in wiederholter Superzeitlupe gezeigt, damit man sich an jeder entgleisenden Mimik weiden konnte. Die bloße Wirklichkeit (sofern es denn eine ist) genügt in solchen Sendungen einfach nicht mehr, sie muss immer ins schier Unglaubliche gesteigert werden.

Ohne das US-Fernsehen hätte man sowieso einpacken können. Die meisten Stories stammten von dort. Was da wirklich echt war, sei einmal dahingestellt, es ist halt auf dem weltweiten Fernseh-Markt zu haben. Viele Szenen kamen einem jedenfalls gestellt vor. Mal ehrlich: Haben Sie beispielsweise ohne weiteres geglaubt, dass der niedliche Hund tatsächlich genau in dem Moment vor laufender Kamera lebend in den Tornado-Trümmern auftauchte? Oder war da etwa Regie im Spiel?

So weit haben sie’s gebracht

Ein solches Misstrauen haben besonders einige Privatsender seit Jahren mit zynisch präparierten und dilettantisch gespielten, also verlogenen „Emotionen“ selbst gesät. So weit haben sie’s gebracht. Und so entwerten sie – wie überaus traurig – auch noch die bewegendsten Momente.