„Tatort“: Dringliches aus Dortmund

Halten wir uns nicht lange mit inhaltlichen Details und bis ins Letzte gefädelten Plausibilitäten auf. Was den Psychodramen-Faktor angeht, so dürfte der Dortmunder „Tatort“ mit Kommissar Faber (Jörg Hartmann) wohl spätestens jetzt bundesweit die Führung übernommen haben.

Nun wissen wir es: Ein Mann namens Markus Graf, Sohn eines Mädchenmörders und Vergewaltigers, den Faber vormals in Lübeck „zur Strecke gebracht“ hatte, war jenes Phantom, das Faber bis nach Dortmund verfolgte und bestürzende Botschaften in seinem Schreibtisch hinterließ. Immer wieder war Faber schon in den letzten Folgen aufwühlend an den gewaltsamen Tod seiner Frau und seiner Tochter erinnert worden. Eigentlich kein Wunder, wenn einer dabei durchdreht. Jetzt kam es zum Psycho-Duell zwischen den beiden zutiefst Traumatisierten, zwischen Graf und Faber. Abgründig. Mit nahezu allen Mitteln. Bis auf den Grund der Existenz.

Psycho-Duell, nur selten so handgreiflich: Kommissar Faber (Jörg Hartmann, rechts) und Markus Graf (Florian Bartholomäi) (© WDR/Thomas Kost)

Psycho-Duell, nur selten so handgreiflich: Kommissar Faber (Jörg Hartmann, rechts) und Markus Graf (Florian Bartholomäi) (© WDR/Thomas Kost)

In beängstigend kurzer Folge verschwanden in der Folge (mit dem Untertitel „Auf ewig Dein“) drei Mädchen im Alter von 12 und 13 Jahren. Schon zu Beginn wurde die erste Leiche im Wald gefunden. Zunächst stand der Stiefvater dieses Opfers unter Verdacht, der sich in kinderpornographischen Chatrooms herumgetrieben hatte. Weitere Verdächtige wurden zwischendurch nur halbherzig ins Visier genommen. Bald konzentrierte sich alles auf den smart-diabolischen Graf junior. Wie er auch noch Austern schlürfte…

Nicht nur Wortklauberei: Das Dortmunder Kripo-Team ist zusammengewachsen – und es ist zusammen gewachsen. Auch die anfangs etwas schwächer erscheinende Aylin Tezel ist gleichsam etwas hinan gezogen worden. Jörg Hartmann und Anna Schudt (als ebenbürtige Kollegin Bönisch) waren eh von der ersten Episode an höchst präsent. Und wenn es jetzt heißt, der „Tatort“ aus dem östlichen Revier sei bei sich selbst angekommen, so mag das meinethalben stimmen. Doch es war von allem Anfang an angelegt, dass es sich so entwickeln würde.

Etwaiges Lokalkolorit ist eine hie und da kraftvoll würzende Zutat. Diese Filme müssten freilich auch ein Publikum in Rio, Sydney oder sonstwo in Atem halten. Dieses Dortmund ist überall, ganz so wie beispielsweise Stockholm, Göteborg oder auch manche US-Metropole.

Das Privatleben des Teams wird bekanntlich keineswegs ausgespart, es drängt sogar mit Macht in den Vordergrund. Was anderorts gelegentlich als Schmankerl nervt, ist hier Grundierung, ist fester und notwendiger Bestandteil der Fälle. Faber könnte sich nicht in die perversesten Täterphantasien versetzen, wenn er nicht so bestialisch gelitten hätte. Deutsche Krimis mit dichteren Szenenfolgen muss man lange suchen. Hier geht es dringlich aufs Ganze.

Ob das alles für Faber kathartisch und heilsam gewesen ist? Ob seine Figur dadurch an Wucht, Fallhöhe und Tiefenschärfe verliert? Wir werden es erleben. Und wir sind schon gespannt. Oder etwa nicht?