Markus Becker beim Klavier-Festival in Essen: Für links geht nicht „mit links“

Der Pianist Markus Becker. Foto: KFR/Roland Schmidt

Der Pianist Markus Becker. Foto: KFR/Roland Schmidt

Verlässt das Klavier-Festival Ruhr die breite Straße, um sich auf verschlungenen Wegen in abgelegene Regionen der Klaviermusik zu begeben, eröffnen sich oft reizvolle Ausblicke. So im Konzert mit Markus Becker und den Bochumer Symphonikern unter Steven Sloane. Becker spielte zwei kaum gehörte Werke für die linke Hand.

Das eine hat Alexandre Tansman für den berühmten einarmigen Pianisten Paul Wittgenstein 1943 skizziert, aber nicht vollendet. In Polen geboren, im Paris der Zwischenkriegszeit sozialisiert, als Emigrant in den USA geschätzt, nach dem Krieg bis ins hohe Alter in Paris aktiv, gehört Tansman zu den erfolgreichen, heute weitgehend vergessenen Komponisten des wechselvollen 20. Jahrhunderts. Die „Pièce concertante“ für die linke Hand und Orchester hat – wie in vielen anderen Fällen – der einarmige Pianist Paul Wittgenstein bestellt. Ausgeführt wurde das einsätzige Werk jedoch nicht. Es lag lange im Nachlass Tansmans, bis es sein polnischer Landsmann Piotr Moss 2008 vollendete.

Die Bochumer Symphoniker unter ihrem Chef Steven Sloane stellten sich brillant der farbenprächtigen Instrumentation von Moss: Strawinsky-Anklänge und Tanzrhythmen, üppige Filmmusik und virtuose Einwürfe fordern ihren Klangsinn; Schellen, Glöckchen und allerlei anderes unterhaltsames Schlagwerk zünden Mini-Eruptionen.

Der Rhythmus klingt manchmal nach Jazzband, manchmal nach gezähmtem Schostakowitsch. Becker nimmt Skalen, Figuren und Sprünge als sportliche Herausforderung für seine Treffsicherheit. Eine schräge Fuge mit drei Blasinstrumenten, Klavier und Xylophon wirkt wie ein ironischer Kommentar auf deutsche Gelehrsamkeit – oder auf das Wiederentdecken alter musikalischer Formen, das damals von Ravel bis Respighi sehr en vogue war.

Auch das andere Werk für links lässt sich nicht „mit links“ nehmen: Franz Schmidt – im Klassik-Betrieb ebenso ungerecht wie Tansman an den Rand gedrängt – hat mehr als den glühenden Zwischenspiel-Hit aus seiner Oper „Notre Dame“ geschrieben. Seine Variationen über ein Thema von Beethoven verorten sich in bester Spätromantik: süffige Harmonik, Bruckner’sches Leuchten und die Eleganz Korngold’scher Klanglust.

Für Becker sind die wasserfallartigen Kaskaden, groß bemessenen Arpeggien und die gestochene Präzision der Finger ebenso wenig ein Problem wie die apart rhythmisierten Tanzmusik-Variationen. Wenn ihm da die Holzbläser der Bochumer folgen, zeigen sie die nötige Präzision und den Sinn für die Balance im Klang, die das Orchester an anderen Stellen recht burschikos rüberkommen lässt.

Schmidts süße Harmonien und der leuchtende, an Antonín Dvořák erinnernde Klangschmelz bleiben streckenweise unerfüllt. Vor allem die Hörner fanden sich diesmal im Klang nicht zusammen; auch das Blech intonierte eher schrill als pastos-samtig.

Was Steven Sloane getrieben hat, die „Eroica“ in zwei Teile zu reißen und je zwei Sätze an den Beginn und das Ende des Konzerts zu stellen, weiß wohl niemand außer ihm. Der Sinn erschließt sich nicht; eher wirkt Beethovens Musik nach der Präsentation spätromantischer Üppigkeit karg. Wenn dann noch die Konzentrationslücken der Symphoniker dazukommen, wirkt Beethovens Dritte umso deutlicher fehlplatziert. Zumal sich Steven Sloane im gestaltenden Zugriff zurückhält, unentschlossen wirkt und im letzten Satz das Tempo schleppt. Zeit wird’s, dass die Ferien kommen …