„Göttliche Lage“ – eindrucksvoller Dokumentarfilm über Dortmunds Phoenix-See

Phoenix-See

Phoenix-See 2012

„Eine göttliche Lage“, so beschreibt einer der Menschen sein frisch erworbenes Grundstück am Dortmunder Phoenix-See. Das ist schon etwas her. Ob er das heute noch so sieht, bleibt offen. Es ist eine von vielen sorgfältig ausgesuchten Szenen und Bilder, die den Dokumentarfilm „Göttliche Lage – eine Stadt erfindet sich neu“ ausmachen, der nun nach fünfjähriger Herstellungszeit Premiere hatte.

Die Macher des Films, Ulrike Franke und Michael Loeken (Filmproduktion Loekenfranke), waren bereits mit ihrem Film vom Abbau eines Hochofens erfolgreich. Der Film über die chinesische Übernahme, den Abbau der Anlage („Losers and Winners – Arbeit gehört zum Leben“, aus dem Jahre 2006) wurde weltweit mit zahlreichen Preisen versehen und ist ebenso wie dieses Werk ein Beispiel. Die Filme bleiben nicht am Lokalen oder Regionalen hängen. Beide sind Gesellschaftsbilder, die exemplarisch sind für Veränderungen und Einschnitte in das Leben der Menschen, private ebenso wie berufliche. Beide zeigen Beispiele aus Dortmund, ein Ort, der sich stets bemüht, seine Innovationskraft herauszustellen und Neues der Vermarktung anzupreisen.

Der Phoenix-See in Dortmund-Hörde ist ein großer Eingriffe ins Stadtbild, hat einen Ort verwandelt, vom lauten und schmutzigen Stahlwerk „befreit“, hin zum stillen See, an dessen Ufern sich Investoren versammeln, die den Seeblick anpreisen, als sei es die Toskana, verlegt an den Gardasee.

Hier wird nicht mehr gearbeitet, am See wird jetzt gewandelt. Das Umfeld des Stadtteils, der sich als eigene Einheit sieht, passt da nicht recht ins Bild. Der Film zeigt sie und lässt sie zu Wort kommen, die Anwohner, wie auch in „Losers  and Winners“, ohne Kommentare der Macher. Man hat hier einen Glücksgriff getan. Die beiden älteren Herren, die – auf das Gebiet, später den See, schauend – ihre Kommentare abgeben wie zwei gelassene Chronisten am Rande des Spielfeldes des kleinen Lokalvereins. Sie sind ein roter Faden und sorgen ebenso für Erheiterung wie die Ausschnitte von Sitzungen der Phoenix-Gesellschaft, wie Gespräche über das architektonische Ambiente oder ein Einsatz von Larry Hagman (J.R.), der souverän, wahrscheinlich nicht genau wissend, wo er sich befindet, den See offiziell eröffnet. Sicher hat ihn eine Agentur irgendwo aus Deutschland einfliegen lassen. Das passt wunderbar in das Unternehmen – weil es eben nicht wirklich passt.

Wir schließen andere Figuren ins Herz wie die Budenbetreiberin aus Serbien, die lange aushält, bevor an ihrem Kiosk nichts mehr geht, wie den Streifenpolizisten, der die abgewrackten Häuser der Nachbarschaft abgeht und die Bewohner kennt. „Das ist doch ein Schauspieler“, höre ich mich denken. Aber nein, so sind die Menschen hier und haben so gar nichts gemein mit den gewünschten Mies-van-Der-Rohe-Villen am Ufer. Da sind die beiden Männer, die am Hügel ihre Wohnungen und Gelände aufhübschen wollen und eine Spalte in der neuen Bebauung als Ausblick aufs Wasser nutzen. Man erlebt viele kleinere Ansichten, die uns Veränderung vor Augen führen. Gleichzeitig ist aber dieser Film keine Anklage an „die da oben“. Es ist die Haltung der Macher, die ihn trägt.

Phoenix-See 2010

Phoenix-See 2010

Nach den gigantischen Bauarbeiten auf dem von der Industrie verlassenen Areal, die in wunderbaren Sequenzen Bagger und anderes Gerät wie in einem Science-Fiction-Film zeigen, die scheinbar als eigene Wesen ihre Arbeit verrichten, wird die Entwicklung zum jetzigen See eindrucksvoll dokumentiert. Das Wachsen der Landschaft, die künstlich zu einem Erholungsgebiet mutiert – wie viele sagen: ein Meisterwerk der Ingenieurstechnik.

Und am Ende sind es die Kleinigkeiten, die die Absurdität der Unternehmung deutlich machen: Das Problem „Kanadagänse“, die Europa zuscheißen und auch den See in Hörde als ihre Heimat entdecken, Neuanwohner, die sich über Lärm von Jugendlichen beschweren, neuerdings der Schilderwald mit Verbotslisten, die wunderbar auf das „wirkliche Leben“ hinweisen.

Das Dortmunder Kino „Sweet Sixteen“ war bis auf den letzten Platz gefüllt. Das Publikum beteiligte sich engagiert und zahlreich an der Diskussion mit den beiden Filmemachern, Betroffene wie Beobachter. Auch dieser Film wird Preise gewinnen!