Romantik und Alltag: Tanzabend b.21 an der Düsseldorfer Rheinoper

„Alle meine Schwänlein schwimmen auf dem See“: Eine Reihe kleiner weißer Gummi-Schwänchen sitzt an der Rampe und schaut ins Publikum. Doch das eigentliche Geschehen spielt sich hinter ihnen auf der großen Bühne des Düsseldorfer Opernhauses ab. Als Hommage an das romantische Ballett – allen voran Schwanensee – hat Düsseldorfs Ballettchef Martin Schläpfer eine neue Choreographie zur Sinfonie Nr. 2 von Johannes Brahms kreiert.

Symphonie Nr. 2, Foto: Gert Weigelt/Deutsche Oper am Rhein

„Symphonie Nr. 2“, Foto: Gert Weigelt/Deutsche Oper am Rhein

Heiter und sonnig klingt die Musik und lässt an einen sommerlichen Tag am See denken. Die Tänzerinnen tragen blaue und grüne Anzüge und sind Wellen, Wassernixen, Strudel oder windgepeitschte Wogen. Es plätschert und gurgelt, es glitzert und unter Wasser umhüllt einen grünes Licht. Wie Luftgeister treiben männliche Tänzer in silbrigen Suits nun die grünen und blauen Damen vor sich her: Sie bewegen das Wasser, sie entfachen einen Sturm, sie wehen ganz sanft.

In wechselnden Formationen zeigt das Ballett der Deutschen Oper am Rhein eine schier unerschöpfliche Bewegungsvielfalt. Dabei bleibt der Bühnenraum von Keso Dekker abstrakt: Das Tableau im Hintergrund ist erdfarben, kräftige Striche sind auf eine Art Leinwand gezeichnet, die von Anselm Kiefer stammen könnte. Das Design wiederholt sich in den Kostümen und die Wasserbilder entstehen allein im Kopf –hervorgerufen durch die expressive Bewegungssprache des Ensembles.

Ein Solo von höchster Anmut und zugleich individuellster Ausdruckskraft zeigt Marlúcia do Amaral im Allegro grazioso: Hier erweitert der Tanz die Musik (gespielt von den Düsseldorfer Symphonikern) um eine weitere Dimension, doch der Körper bleibt zugleich auf dem Boden der Tatsachen.

"Alltag", Foto: Gert Weigelt/Deutsche Oper am Rhein

„Alltag“, Foto: Gert Weigelt/Deutsche Oper am Rhein

Als inspirierende Muse für den Künstler überzeugt do Amaral auch im zweiten Teil des Abends, der Uraufführung „Alltag“. Der 82jährige Hans van Manen schuf erstmals ein neues Werk für das Ballett am Rhein, im Besonderen für dessen Leiter Martin Schläpfer. Denn es thematisiert den Schaffensprozess des Choreographen. Schläpfer tanzt diesen Part selbst und man meint, einen exklusiven Einblick in die Entstehung einer Choreographie zu gewinnen, indem man auf eine Art Probebühne mitgenommen wird, angedeutet durch einen Stuhl im Hintergrund.

Umfangen von Musik probiert Schläpfer ein paar Schritte, hält inne, beginnt von vorne, hat eine zündende Idee, folgt mit seinem Körper begeistert den Bildern in seinem Kopf. Zum Pas de deux erscheint do Amaral und der Schöpfer findet den Weg heraus aus der kreativen Einsamkeit zum Du. So wird sein Werk Realität und kann auch von anderen getanzt werden, in diesem Fall von Doris Becker und Alexandre Simoes. Sie setzen auf der Bühne um, was Schläpfer im Kopf hatte und eine neue Choreographie ist geboren.

"Serenade": © The George Balanchine Trust, Foto © Gert Weigelt

„Serenade“, © The George Balanchine Trust, Foto © Gert Weigelt

Es wäre falsch zu sagen, der dreiteilige Abend b.21 endete mit der „Serenade“ von Peter I. Tschaikowsky, choreographiert von George Balanchine, denn tatsächlich begann er mit ihr. Doch dieser Part scheint ästhetisch aus einer anderen Zeit zu stammen: Der Bühnenhintergrund ist lichtblau, die Tänzerinnen tragen weiße, wadenlange Tutus und die wechselnden Formationen folgen der strengen Sprache des neoklassischen Balletts – von heute aus betrachtet.

Zu seiner Entstehungszeit 1934 wies Balanchines Tanzstück, das er für seine neugegründete School of American Ballett in New York City entwickelte, in die Moderne. Denn es dient nicht nur dazu, dass die Schüler die richtigen Schritte, Sprünge und Armhaltungen lernen, sondern bricht diese strengen Formen auch auf: Plötzlich fällt eine Tänzerin hin (Ann-Kathrin Adam) und ist wie verwandelt. Sie löst ihr Haar vom strengen Dutt und wirkt wie befreit. Ihre Kollegin tut es ihr nach und der Bann ist gebrochen, die Tänzer sind freigelassen. Zu was sie in Freiheit fähig sind, zeigt der weitere Abend eindrücklich.

Karten und Termine: http://www.ballettamrhein.de