Ein Platz für Tiere im Kunstmuseum – Ausstellung „Arche Noah“ im Dortmunder U

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Die größte Arbeit dieser Schau ist von Christiane Möbus, 11 Meter lang und heißt „Auf dem Rücken der Tiere“ (Foto: Museum Ostwall/VG Bild-Kunst, Bonn 2014, Helge Mundt, Hamburg)

Groß war sie angekündigt, die Jahresendausstellung im Dortmunder U. „Arche Noah – Über Tier und Mensch in der Kunst“ ist sie überschrieben, der Titel ist – bar jeder Doppeldeutigkeit – redliche Inhaltsangabe. Sucht man nach einem positiven Eigenschaftswort, das die Schau des Ostwall-Museums am trefflichsten kennzeichnet, so fällt einem am ehesten wohl „fleißig“ ein, vielleicht auch „redlich“ oder „korrekt“, mit etwas gutem Willen gar „engagiert“. Jedoch die Superlative haben Pause. Das sollte man wissen und seine Erwartungen entsprechend justieren, wenn man sich diese Tierschau ansehen will.

Aus dem Pressetext zitiert sind dies die Gliederungspunkte von „Arche Noah“: „Mensch – Tier – Stadt“, „Tiere ausstellen“, „Tierstudien“, „Naturidyllen“, „Natur beherrschen (Dressur/Rituelles/Tötung von Tieren)“, „Tier – Kunst – Wissenschaft“, „The Dark Museum“, „Naturzerstörung“, „Tiere als Co-Produzenten“, „Kunst für Tiere“, „Tierische Sounds“, „Annäherung & Transformation“, „Ängste – Träume – Fantasien“, „Tiersymbolik“, „Tierkomik“. Eine Fleißarbeit, wie gesagt. Und sicherlich ist es sinnvoll, das Thema in einer solchen Weise zu systematisieren, wenn man eine Global-Ausstellung wie die Nämliche plant.

Allerdings wäre es schön gewesen, wenn die Ausstellungsmacher in einem der nächsten Schritte dem sinnlichen Erleben mehr Gewicht zugebilligt hätten. Wenn sie einen Blickfang im Eingangsbereich geschaffen hätten, ihm vielleicht auch eine besondere Lichtsituation hätten zukommen lassen. Dann auch stünde die wuchtigste Arbeit, die raumgreifende Installation „Auf dem Rücken der Tiere“ von Christiane Möbus – 12 Ganztierpräparate tragen auf ihren Rücken ein Boot, der Katalog nennt für diese Arbeit die Maße 400x1100x420 cm – vielleicht im Eingangsbereich und nicht erst in einem der letzten Räume der Schau. Eventuell hätte man dafür die Eingangssituation ändern müssen, was aber doch möglich wäre. Jetzt aber startet man den Rundgang mit viel Kleinkram, zwischen dem sogar August Mackes „Großer Zoologischer Garten“ von 1912 verloren wirkt. Dabei ist dies doch ein besonders wertvolles Bild, auf das das Ostwall Museum auch besonders stolz ist (Was würde es wohl bei Christie’s in der Auktion bringen?).

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Eins der bekanntesten Stücke aus dem Eigenbestand paßt hervorragend in die Ausstellung: „Großer zoologischer Garten“ von August Macke aus dem Jahr 1912 (Foto: Museum Ostwall Jürgen Spiler)

 

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Die Skulptur „All you can lose“ von Deborah Sengl (2009) zeigt sehr naturalistisch eine Art Menschenschwein auf dem Heimtrainer und ist ein bißchen zum fürchten (Foto: Museum Ostwall/Courtesy Galerie Deschler, Berlin)

Einige schöne Einzelstücke findet man natürlich schon, zumal im skulpturalen Bereich. Deborah Sengls furchteinflößender Schweinemensch auf dem Heimtrainer („All you can lose“, 2009) gehört dazu, ebenso Patricia Piccininis verstörendes Mädchen mit schwarzer Beinbehaarung, das ein irgendwie anthropomorphes Fleischwesen im Arm hält („The Comforter“, 2010).

Natürlich fehlt in einer Tierausstellung wie dieser nicht die abstoßende Schlachthofarbeit („Schlachthaus Berlin“ von Jörg Knoefel, 1986/88), bestehend aus einem Blechplattenlabyrinth, in welchem unregelmäßig etliche Schwarzweiß- und einige Farbfotos aufgehängt sind, die blutige Details des unappetitlichen Schlachthofgeschehens zeigen. Möglicherweise soll man sich in diesem Blechkorridor fühlen wie das berühmte Lamm auf dem Weg zur Schlachtbank, bzw. das Schwein zur Hinrichtung. Nun denn.

Erwähnenswert ist vieles mehr, doch ersetzt das nicht den Gang durch die Ausstellung, und deshalb soll das Auflisten hier auch sein Ende haben. Lediglich auf das schöne Gemälde „Aquarium“ (2007) von Norbert Tadeusz sei noch verwiesen, immerhin ist Tadeusz ein Sohn der Stadt Dortmund (wenngleich 2011 in Düsseldorf verstorben).

Ein mindestens ebenso bedeutender Dortmunder Künstler ist wohl Martin Kippenberger (gest. 1997), den man hier allerdings vergeblich sucht. Dabei war es ja sozusagen eine tierische Arbeit, nämlich ein gekreuzigter Laubfrosch, mit der der „junge Wilde“ bei Dortmunds katholischer Kirche so tief in Ungnade fiel, daß nach wie vor nicht mal ein kleines Sträßchen in U-Nähe nach ihm heißt. Womit nichts gegen Leonie Reygers gesagt sein soll, die es fraglos verdient, Namenspatronin zu sein. Jedenfalls: Auf dieser Arche kein Kippenberger.

Kein Kippenberger, kein Nitsch-Adept, der mit Tierblut rumsaut, kein Damien Hurst, der einst Kühe in Scheiben schnitt und die Schnitte, mit Formalin haltbar gemacht, in Plexiglasbehältern präsentierte. Keine Provokationen jenseits der politisch korrekten Abscheu in dieser Ausstellung, nichts, das zum Widerspruch reizte.

Dabei ist die Arche eigentlich doch ein Skandalon, Symbol massenhafter Vernichtung von Mensch und Tier, denn wer nicht an Bord durfte, mußte (elendig, wie wir vermuten wollen) ersaufen. Wo in der Ausstellung ist das Mahnmal für all jene Arten, die seit der Sintflut nicht mehr unter uns weilen! Zugegeben: Diese Argumentation streift schon verdächtig am Rand des Humorversuchs entlang. Humor jedoch ist, wenngleich auch mehr oder weniger auf eine Abteilung begrenzt, durch große Künstler der Neuen Frankfurter Schule wie Robert Gernhardt oder Hans Traxler bereits manierlich vertreten.

„Arche Noah“, 15. November 2014 bis 12. April 2015. Museum Ostwall im Dortmunder U, Leonie-Reygers-Terrasse, Dortmund. Geöffnet Di+Mi 11-18 Uhr, Do+Fr 11-20 Uhr, Sa+So 11-18 Uhr. Eintritt 6 Euro.

www.museumostwall.dortmund.de

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