Der Hochstapler, der die Nazis hasste – Jan Zweyers Roman „Eine brillante Masche“

Er besaß zweifelsohne ein hohes Maß an krimineller Energie, trat wechselweise unter sieben verschiedenen Namen auf, vor Gericht versuchte er aber dann den Biedermann oder gar den Helfer in der Not zu geben. Die Rede ist von Johann Bos, dem der Journalist und Schriftsteller Jan Zweyer sein neues Buch widmet.

Zweyer erzählt – nach wahren Begebenheiten – die Geschichte eines ausgebufften Betrügers, der in den Wirren der ersten Nachkriegsjahre „Eine brillante Masche“ (So der Titel des Buches) fand, um sich zu bereichern. Bos hatte es auf die engsten Angehörigen von Nazi-Funktionären abgesehen, die noch in Haft saßen. Der größte Wunsch der Familien bestand natürlich darin, ihre Männer oder Väter wieder frei zu bekommen. Da klammerte man sich an jeden Strohhalm und fiel auf Leute wie Bos schnell herein, dem es immer wieder gelang, sich das Vertrauen der Verwandten zu erschleichen und sie um große Mengen an Schmuck zu erleichtern.

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Er gaukelte den Leuten vor, durch diese „Vorkasse“ bei Aufsehern oder Führungskräften von Gefängnissen die Freilassung erwirken zu können. Dazu erfand er glaubhafte Geschichten zu seiner eigenen Person, stellte sich als Kripobeamter oder einflussreicher Industrieller vor. Er  hatte sich zuvor im Umfeld der späteren Opfer umgehört.

Die Kripo war zwar hinter ihm her, aber es kam dem Gesuchten anfangs sicherlich zugute, dass es im Polizeisystem um den Austausch an Informationen – beispielsweise über seine Aufenthaltsorte – nicht zum allerbesten bestellt war. Aber selbst, wen man ihn verhaftet hatte, was mehrfach geschah, sollte es dem wendigen Bos gelingen, aus dem Knast zu türmen.

Doch im Januar 1948 war dann das Spiel endgültig vorbei, der Mann hatte es offensichtlich zu weit getrieben. Handel mit gefälschtem Schmuck war es unter anderem, der die Polizei auf die Fährte von Johann Bos brachte. In der Anklageschrift war die Rede von Diebstahl,  vollendetem Betrug in 45 und versuchtem Betrug in 20 Fällen. Auch Beamtenbestechung und Urkundenfälschung wurden ihm vorgeworfen.

Schon die Lebensgeschichte dieses Draufgängers, der neben seiner Frau noch zwei Verlobte hatte, ist fesselnd, spannend und unterhaltsam zugleich. Durch die Art und Weise, wie der Autor die Biographie des gebürtigen Osnabrückers aufbereitet hat, wird aus dem Buch ein Lesestoff, den man nicht mehr aus der Hand legen möchte. Zweyer hat nicht nur Gerichtsakten studiert, sondern vor allem auch die Presseberichte zu dem Prozess vor dem Arnsberger Landgericht im Jahr 1950 zur Hand genommen. Dadurch gelingt es ihm, das Bild eines äußerst zwiespältigen Menschen zu zeichnen: Während der Metzgerlehre bestiehlt er seinen Chef mehrfach, bis der ihn schließlich rauswirft, dagegen erweist er sich später als vertrauenswürdiger und liebevoller Vater.

Mit dem geklauten Geld hat er sich übrigens den ersten Besuch in einem Stripteaselokal finanziert. Als ihn während des NS-Regimes der Gestapo-Mann im KZ verschwinden lässt, den er beim Schäferstündchen mit seiner Frau erwischt hatte, bleibt seine Rolle im Konzentrationslager im Ungefähren. Dass er dort aber nicht zu den Tätern gewechselt ist, wie er später beteuert, mag man ihm schon glauben. Das Arnsberger Gericht versucht er auch davon zu überzeugen, dass er – bei allen seinen menschlichen Schwächen – doch eigentlich ein gutes Herz hatte. Nachprüfen ließ sich seine Beweisführung zum Zeitpunkt der Verhandlung nur nicht mehr, denn da waren die Lebensmittel, die er Mitmenschen gespendet oder an Kinderheime verteilt haben will, wohl schon längst verspeist gewesen sein.

Offen ließ es Bos, wo er sein ergaunertes Geld versteckt hatte, sofern überhaupt noch etwas vorhanden war. Für das Motiv seiner Taten legte er ein klares Bekenntnis ab: Er mochte die Nazis nicht leiden und „die meisten, die in den Internierungslagern sitzen, sind dort völlig zu Recht“.

Wenn der Leser am Ende des Buches erfährt, dass nicht alles, was er über Johann Bos erfahren hat, den Tatsachen entspricht, sondern vielmehr der Autor sich hier und da auch schriftstellerische Freiheiten gegönnt hat, ist das dem Band nicht abträglich. Im Gegenteil. So ist es wirklich spannend, sich mit einer solch schillernden Persönlichkeit zu befassen, wobei sich schon die Frage stellt, warum man so wenig über Johann Bos weiß, der auch in Städten wie Hagen und Herne sein Unwesen trieb.

Jan Zweyer: „Eine brillante Masche – Die fast wahre Geschichte eines Lügners“. Roman. Grafit Verlag, Dortmund, 221 Seiten, 9,99 Euro.