Aus Sicht der Drohne: Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ bei der Triennale

René Jacobs dirigierte Haydns "Schöpfung". Rechts neben ihm die Sopranistin Sophie Karthäuser (Foto: Wonge Bergmann/Ruhrtriennale)

René Jacobs dirigierte in der Kraftzentrale des Duisburger Landschaftsparks Haydns Oratorium „Die Schöpfung“. (Foto: Wonge Bergmann/Ruhrtriennale)

Berittene Polizei musste für Ordnung sorgen, als es im Jahr 1798 zur halbprivaten Uraufführung von Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ kam. Groß war der Zulauf auch bei den weiteren Wiener Aufführungen, von denen die meisten in drangvoller Enge stattgefunden haben.

Haydns Meisterwerk traf nicht nur den Nerv der Epoche: Seine weltfreudige Religiosität, sein vom christlichen Dogma emanzipiertes Menschenbild, der tönende Optimismus des aufklärerischen Denkens hat Musikfreunde über alle Zeiten hinweg begeistert. Geist, Licht und Vernunft sind Kernworte des Librettos von Gottfried van Swieten, das auf biblischen Texten und auf John Miltons Dichtung „Paradise Lost“ beruht.

Auch im Duisburger Norden entfaltete Haydns Oratorium jetzt seine Zugkraft. Die Ruhrtriennale präsentierte „Die Schöpfung“ dort mit einem begleitenden Film von Julian Rosefeldt, in edler Besetzung zudem. Denn für die singuläre Aufführung im Duisburger Landschaftspark hatten sich namhafte Interpreten gewinnen lassen: der belgische Dirigent und Barock-Spezialist René Jacobs, das Collegium Vocale Gent und das B’Rock Orchestra. Wie gut das verfing, war schon eine Stunde vor Vorstellungsbeginn am Andrang auf die Parkplätze zu spüren.

Wer sich in Oper und Konzert über manch überflüssige, ja sogar störende Video-Installation geärgert hat, sah sich bei dieser Aufführung höchst angenehm enttäuscht. Der in München lehrende und in Berlin arbeitende Filmkünstler Julian Rosefeldt hat einen genialen Kniff gefunden, um „Die Schöpfung“ filmisch zu begleiten. Er zeigt uns Wüstenlandschaften aus der Perspektive von Kameradrohnen, gleichsam aus kosmischer Sicht, in einem ruhigen Gleitflug mit wenigen Schnitten.

Mögen Spötter ruhig behaupten, da könne man ebenso gut mit Google Earth um die Welt surfen und dazu eine Haydn-CD auflegen. Sie haben die Rechnung ohne die Komparsen gemacht, die in Zeitlupe durch die Szenerie laufen. Diese tragen weiße Schutzanzüge und Masken, wirken winzig klein und der Erde vollkommen entfremdet. Es könnten Abgesandte einer Spezies sein, die längst auf den Mars ausgewandert ist und nur noch gelegentlich zum ruinierten Heimatplaneten zurückkehrt, um nach dem Stand der Dinge zu sehen.

Marokkanische Landschaften und die verlassenen Filmkulissen der Atlas-Studios spielen in der Umsetzung von Jürgen Rosefeldt eine wichtige Rolle (Foto: Wonge Bergmann/ Ruhrtriennale)

Marokkanische Landschaften und die verlassenen Filmkulissen der Atlas-Studios spielen in der Umsetzung von Jürgen Rosefeldt eine wichtige Rolle (Foto: Wonge Bergmann/ Ruhrtriennale)

Mit gleichsam hypnotischer Kraft werden diese Bilder zum Kommentar, stumm und vielsagend zugleich. Während Chor und Orchester unter der Leitung von René Jacobs ein vielstimmiges Lob der Schöpfung anstimmen und uns mit der Imitation von Naturlauten erfreuen, sehen wir halb verrottete Filmkulissen in der marokkanischen Ödnis. Zerstörte Tempel, versteppte Weiten, vertrocknete Flussläufe. Auch hiesige Mondlandschaften sind zu sehen, geschaffen vom Braunkohle-Abbau in Garzweiler oder von der Schwerindustrie, wie Aufnahmen aus Bottrop, Essen und Duisburg zeigen. Eine gründlichere Verwüstung lässt sich nicht denken.

Die musikalische Qualität der Aufführung ist erwartungsgemäß hervorragend. Das B’Rock Orchestra klingt transparent und sprühend; der Chor ist punktgenau bei der Sache und verkündet Gottes Lob mit großem vokalem Glanz. Sophie Karthäuser (Sopran), Maximilian Schmitt (Tenor) und Johannes Weisser (Bass) sind ein ausgewogenes Solisten-Trio. Ihre Stimmen sind durchweg schlank, fern opernhaft-dramatischer Durchschlagskraft, aber ungemein textverständlich und wendig in allen Verzierungen.

Auszüge aus der Arbeit von Julian Rosefeldt wird die Triennale bis 26. September weiter zeigen. Sie sind unter dem Titel „In the land of drought“ („Im Land der Dürre“) im Schalthaus Ost im Duisburger Landschaftspark-Nord zu sehen. Der Eintritt ist frei.

(Der Bericht ist zuerst im Westfälischen Anzeiger erschienen. Informationen: www.ruhrtriennale.de/de/land-drought)