Videospiele, Spiegelungen: „Glückliche Tage“ und „Das letzte Band“ im Dortmunder Theater

Merle Wasmuth mit Publikum

Merle Wasmuth als Winnie, Publikum (Foto: Birgit Hupfeld/Theater Dortmund)

„Glückliche Tage“ und „Das letzte Band“ – zwei kurze, intensive Stücke von Samuel Beckett, düstere Lebensbilanzen alle beide, haben jetzt den Weg auf die Studiobühne des Dortmunder Theaters gefunden.

Merle Wasmuth ist die monologisierende Winnie in ihrem halben Erdengrab, Ekkehard Freye ihr im Publikum sitzender, sie mit einigen sparsamen Stichworten versorgender Mann Willie. Freye ist im Anschluß auch Krapp, der Mann mit den alten Tonbändern, und beide Darsteller muß man für ihr intensives, nuanciertes Spiel loben. Denn leicht haben sie es nicht.

Den Ausstattern des Bühnenspiels – das Programm nennt Pia Maria Mackert für Bühne und Kostüme, Michael Deeg für Video, Rolf Giese für Licht und Joscha Richard für Videoassistenz – hat es gefallen, den Bühnenraum vom Zuschauerraum mit einer Spezialfolie vollständig abzuteilen, in der sich das Publikum spiegelt, wenn es beleuchtet wird, die aber auch durchsichtig ist, wenn die Szenerie dahinter Licht bekommt und die Zuschauer im theatergemäßen Dunkel sitzen.

Spiel mit Licht und Technik

Man ahnt die Möglichkeiten: Mit unterschiedlichen Beleuchtungen lassen sich Bühnengeschehen und Publikum – oder Teile davon – zu einer Art Gesamtbild mischen, was verblüffende Effekte zeitigt und durchaus nicht immer sinnfrei ist. Wenn etwa Winnies stilisierter Erdhügel sich im Verlauf des Monologs unmerklich von rechts nach links über die Bühne bewegt, um schließlich an einen Haufen von Totenschädeln zu stoßen, dann verschwindet das Bild der blaß geschminkten Frau am Ende der Fahrt, löst sich auf im Spiegelbild des Publikums. Wirklich bemerkenswert, was technisch heute alles möglich ist.

Ekkehard Freye

Ekkehard Freye als junger Krapp in der Videoprojektion (Foto: Birgit Hupfeld/Theater Dortmund)

Doch verbessert diese ausgebuffte Lichttechnik das Stückverständnis? Oder schärft sie die Intensität? Gemeinhin bieten gerade diese beiden Beckett-Einakter Schauspielerinnen und Schauspielern Möglichkeiten für fulminante Auftritte, für die Darbietung intensiver Bühnenkunst, wobei dahingestellt bleiben muß, wie diese Rollen „richtig“ anzulegen sind.

Hier jedoch stellt sich zunächst der Eindruck ein, Merle Wasmuth müsse gegen die inszenatorischen Zauberkunststückchen anspielen, um Intensität zu gewinnen. Das geht zu Lasten der Charakterisierung Winnies, sie bleibt nicht nur im wörtlichen Sinne blaß. Schuld an der Blässe hat aber auch die Lichtführung, die wohl wegen der technischen Zwänge recht steil von oben erfolgen muß und das Gesicht der Darstellerin deshalb stets etwas verschattet zeigt. Immerhin jedoch ließ Marcus Lobbes (Regie) ihr ihren Text, dem konzentriert zu folgen auch in dieser Inszenierung noch ein Gewinn ist.

Anders als Winnie hat Krapp im „Letzten Band“ keine Probleme, erkennbar zu bleiben; den alten, verbitterten, sich als einen Gescheiterten Erlebenden spielt Ekkehard Freye gut ausgeleuchtet und gespiegelt in der ersten Stuhlreihe sitzend; als jungen, arroganten Krapp erlebt ihn das Publikum per Videoprojektion. Kann man machen.

Weitergehende Aktualisierungsversuche sind nicht festzustellen, wofür man dankbar sein muß. Krapp und Winnie überzeugen auch so – wenn man sie nur läßt. Das Publikum dankte mit reichem Applaus.

Weitere Termine: 11., 23. September, 1., 25., 28. Oktober
Informationen und Karten Tel. 0231 5027 222
www.theaterdo.de