Wirren nach dem Wirbelsturm – Richard Ford lässt seinen Frank Bascombe wieder aufleben

Herbst 2012. Wirbelsturm Sandy zieht über die Ostküste der USA und hinterlässt eine Schneise der Zerstörung. Vor allem im sonst so idyllischen New Jersey werden schicke Sommerhäuser und teure Prachtvillen von den Naturgewalten hinweg gefegt und ganze Kleinstädte unbewohnbar. Doch ausgerechnet Frank Bascombe, der in seinem ereignisreichen Leben nicht gerade vom großen Glück verwöhnt wurde und sich als Schriftsteller, Sportreporter und Immobilienmakler mehr schlecht als recht durch gewurstelt hat, bleibt diesmal verschont.

Rechtzeitig, auf dem Höhepunkt der Immobilienblase und kurz bevor das ganze marode Bankensystem kollabierte, hat Frank für gutes Geld seine Strandvilla im (fiktiven) Örtchen Sea-Clift verkauft und sich ein anderes Haus gekauft, im Hinterland und weit genug von der Küste entfernt, um jetzt mit der ihm eigenen Mischung aus larmoyanter Melancholie und zynischem Nihilismus auf ein Amerika zu blicken, hinter dessen kaputter Fassade tiefe Verunsicherung lauert, aber auch trotziger, einfach nicht tot zu kriegender Pioniergeist haust.

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Welcome Back, Frank! Eigentlich wollte der US-amerikanische Autor Richard Ford seinen literarischen Lieblingshelden („Der Sportreporter“, „Unabhängigkeitstag“, „Die Lage des Landes“) ja in den Ruhestand schicken. Doch nach den vom Wirbelsturm Sandy angerichteten Verwüstungen konnte Ford nicht anders und musste den mittlerweile 68-jährigen Chronisten des modernen Amerika über die materiellen und emotionalen Schlachtfelder des Zeitgeistes schicken.

Entstanden sind vier Erzählungen, in denen Bascombe die Orte der Zerstörung besucht, sich mit Alter und Krankheit auseinandersetzt und – natürlich – die fragile Lage des Landes bitterböse seziert. Aus dem Wortspiel des amerikanischen Original-Titels („Let Me Be Frank With You“ – etwa: Lassen Sie mich offen mit Ihnen reden) wird in der deutschen Fassung einfach (und etwas weniger fantasievoll) „Frank“.

Einmal tröstet Frank einen Freund, dem er vor Jahren sein Haus in Sea-Clift verkauft hat und der nun fassungslos in den Ruinen herumstochert. Ein anderes Mal besucht er seine Ex-Gattin Ann, sie leidet an der Parkinson-Krankheit, und ihre superteure Senioren-Residenz kommt Frank vor wie ein bizarres Luxus-Gefängnis. Ein todgeweihter alter Bekannter macht Frank ein unerwartetes Geständnis.

Und dann ist da noch die fremde dunkelhäutige Frau, die plötzlich vor Franks Tür steht und um Einlass bittet. Als Kind hat sie hier einmal gewohnt, zu einer Zeit, als es noch eine Provokation war, dass Schwarze in einem für Weiße reservierten Viertel lebten. Frank führt die seltsam abwesende Frau durchs Haus und spürt, dass sie in den Räumen ihrer verlorenen Kindheit nach etwas Bestimmten sucht, vielleicht nach dem Echo ihrer schmerzlichen Erinnerungen, vielleicht nach Erlösung. Denn hier, in diesem unscheinbaren bürgerlichen Haus, hat sich einst eine fürchterliche Tragödie abgespielt. Nichts ist, was es scheint. Nur eines ist gewiss: der Tod. Das weiß auch Frank, der einmal sagt, das Leben sei vor allem etwas „Wimmelndes, Verwirrendes, gefolgt vom Ende.“

Mögen Frank, diesem passionierten Worte-Schmied, noch ein paar gute Jahre bleiben. Vielleicht gönnt ihm Richard Ford ja ein komisches Finale und einen würdigen Abgang. Als Leser wäre man gern dabei.

Richard Ford: „Frank“. Aus dem amerikanischen Englisch von Frank Herbert. Hanser Berlin. 223 Seiten, 19,90 Euro.