Allerhand Allerlei zwischen Kabarett und Karneval: 25 Jahre Dortmunder „Geierabend“

„Gefühlt ist immer Geierabend“, sagt ein Zuschauerexperte, der schon bei der ersten Sitzung dabei war. Die Dortmunder Erfindung sollte damals eine alternative Karnevalssitzung sein wie etwa die Stunksitzung in Kön. Der Karneval war und ist die Hülle, der Kokon, in dem das Programm sich weiter entwickelt hat und immer wieder schlüpft, um sich in den Räumen der Zeche Zollern in Dortmund-Bövinghausen auszubreiten.

Mittlerweile ist der Geierabend ein Merkmal Dortmunds, zumindest für die Freunde der besonderen Unterhaltung. Und das in einer Region, die nicht zu den Karnevalshochburgen gehört. Konfetti gibt‘s auch zu anderen Anlässen.

Sitzungspräsident (Henri Marczewski) und Steiger (Martin Kaysh) singen  "Come As You Are" von Nirvana -endlich auf Deutsche übersetzt... (Foto: StandOut.de)

Sitzungspräsident (Henri Marczewski) und Steiger (Martin Kaysh) singen „Come As You Are“ von Nirvana – endlich auf Deutsch übersetzt… (Foto: StandOut.de)

In der intimen Atmosphäre der Zeche Zollern wähnt man sich in einem Cabaret. Die Bühne ist angerichtet zu allerhand Allerlei, sie ist bereit für Zoten, Sketche und Tanzbeine. Was ist es denn nun? Ein Unterhaltungsabend mit Elementen des Karnevals? Oder ein Kabarettabend mit bunten Kostümen und musikalischen Anleihen beim Humbtata? Comedy und Revue? Ein Zwitterabend, über dem der Geier geiert und das Publikum lokale und regionale Bezüge erwartet. Und die gibt es en masse. Das ist die Erfolgsschiene für jede Region, die sonst nur global überbelichtete Unterhaltung erfährt – zumindest auf den Sofas.

Und man hat hier im heimischen Geierabend seine Originale, mit denen man auf den Putz hauen kann. Asis, Fußballfans anne Pulle und tumbe Westfalen, schrille Schrille und eine Band, die hochkarätig besetzt, dem Ganzen eine verlässliche Linie gibt.

Das Programm heißt „Komm wiesse bis“. Für Karnevalsmuffel kann dies bedeuten: Ich muss mir keine Pappnase aufsetzten. Gute Idee und wenn man sowieso Pappnasenträger ist, auch gut. Man kommt eben, wie man ist. Und die drei Stunden Vollprogramm mit Schleudergang bieten auch keinen Anlass, am Ende darüber nachzudenken, ob man immer noch der ist, der man war, als man so kam, wie man ist.

Jedes Jahr ein neues Programm zu entwickeln, ist harte Arbeit. Man muss ausprobieren, verwerfen, ändern. Gags und Sketche zu formen gehört zu den schwierigsten Unterfangen in der Unterhaltungsbranche. Ist der Witz morgen schon wieder flau, trifft es den Publikumshumor an allen Tagen?

Dass bei einem Nummernprogramm nicht alles auf einer Höhe daherkommt, liegt in der Natur der Sache. Testen kann man nur mit Publikum und so wird sich noch die eine andere Szene verdichten oder ausweiten? Verdichtung durch Länge, das habe ich allerdings noch nicht erlebt. So könnte man vielleicht eher kürzen. Das verbindende Element der Show, der „Steiger“ in seiner Loge mit aktuellen Bemerkungen und Bezügen, funktioniert tadellos, eine Verdichtung eines Gesamtkarnevalskomitees sozusagen.

Zweihundertjahrfeier Westfalen: Fünf Westfalen zeigen einem Reporter, wo es langgeht... (Foto: StandOut.de)

Zweihundertjahrfeier Westfalen: Fünf Westfalen zeigen einem Reporter, wo es langgeht… (Foto: StandOut.de)

Die Menschen brauchen Wiedererkennung; deshalb sind die eingeführten Figuren wie die zwei von der Südtribüne und der Herr aus dem Sauerland mit seiner kleinen Quetschkommode wohl unverzichtbar. „Wemser und Missgeburt“, auch ein Paar mit Comic-Charakter („Arbeit und ich – wir sprechen nicht dieselbe Sprache“) klotzt mit derben Sprüchen.

Am frischesten erscheint die You-Tuberin – nah an der virtuellen Wirklichkeit als Satire, für Kenner ein Abziehbild der Realität. Es scheint nicht einfach, neue Stereotype einzuführen, in Zeiten, da alles komplizierter und gleichzeitig gleichförmiger wird. Da bleibt es bei den alten notwendigen Klischees.

Natürlich wurde auch der Pannekopp des Jahres vergeben. Dieses Mal an die Stadt Essen für ihren kuriosen Stadionbau für Rot-Weiß-Essen (Fußball-Museum live).

Regisseur Günther Rückert hat das Ensemble aus Hans Martin Eickmann, Murat Kayi, Martin Kaysh, Hans-Peter Krüger, Roman Henri Marczewski, Franziska Mense-Moritz, Martin F. Risse und Sandra Schmitz bewährt eingerichtet, dazu die Band mit Oleg Bordo, Matthias Dornhege, Bettina Hagemann, Gilda Razani und Andreas Ruhnke als Tüpfelchen auf dem i.

Das Programm läuft quasi nonstop bis zum 9. Februar. Infos und Tickets u.a. unter www.geierabend.de