„Das Lachen der Täter“: Klaus Theweleits Gedanken zur monströsen Mordlust

Wir erinnern uns schemenhaft: Damals, ab 1977, haben praktisch alle links bewegten Leute Klaus Theweleits „Männerphantasien“ gelesen oder wenigstens darin geblättert und sich die Köpfe heiß geredet.

Da ging es um soldatisch zugerichtete Männerkörper und ihre Panzerungen, um ihre psychophysische Angst vor Fragmentierung und Auflösung, die sie dann als entgrenzte Gewalt nach außen kehrten – nicht nur in beiden Weltkriegen. So ungefähr. In zwei Bänden mit 1174 Druckseiten war das natürlich alles ungleich differenzierter und vielfältiger ausgeführt.

Klaus Theweleit bei seiner Lesung in Dortmund. (Foto: BB)

Klaus Theweleit bei seiner Lesung in Dortmund. (Foto: BB)

Klaus Theweleit (73) ist sich offenkundig treu geblieben. Noch immer wandelt er konsequent auf den Spuren seines einstigen Kultbuches, dessen Grundlinien er mit neuen Akzenten bis in unsere Gegenwart fortführt. Jetzt war er zu Gast in der „Blackbox“, einer an- bis aufregenden Lese- und Gesprächsreihe im Dortmunder Schauspielstudio, wo er seinen im März 2015 erschienenen Band „Das Lachen der Täter“ vorstellte, der bis zum Attentat auf das Pariser Satiremagazin „Charlie Hebdo“ (Januar 2015) reicht. Theweleit wirkte dabei nicht so sehr wie ein funkelnder, sondern eher wie ein bedächtiger, bedachtsamer Intellektueller.

Universelle Gültigkeit

Ein Ausgangspunkt des Buches ist das Gelächter des Anders Breivik, der 2011 in Oslo und vor allem auf der norwegischen Insel Utoya 77 Menschen erschoss und dabei immer wieder lauthals lachte. Ein wahnwitziger Einzelfall? Gewiss nicht. Denn Theweleit zeigt, dass das Phänomen des lachenden (Massen)-Mörders geradezu universell gilt. In allen Weltgegenden und vielen historischen Zusammenhängen lassen sich solche monströsen Ausbrüche verfolgen.

Klaus Theweleit hat denn auch zahllose abgründige Vorfälle gesammelt, bei denen einem der Atem stockt. Wem ist schon gegenwärtig, dass in den 60er Jahren in Indonesien Hunderttausende, ja Millionen bestialisch als „Kommunisten“ ermordet wurden – mit staatlicher Lizenz und Billigung, vielfach ausgeführt von „ganz normalen“ Zivilisten. Später haben sie solche straffreien Massaker lachend gefeiert.

Wähnten sich SS-Schergen unter ihresgleichen, so haben auch sie einander lachend mit ihren Untaten geprahlt. Ganz ähnlich im mörderischen Konflikt zwischen Hutu und Tutsi in Ruanda, wo der massenhafte Mord an der Tutsi-Minderheit zuweilen regelrecht als Unterhaltungsprogramm der totalen Enthemmung inszeniert wurde. Und so weiter, kreuz und quer über den Globus, vor- und rückwärts durch die Zeiten.

„Volksfeste des Tötens“

Theweleit schildert natürlich nicht nur die bloßen Phänomene, sondern sucht eine Theorie zu entwickeln, die in Dortmund freilich nur in Stichworten anklingen konnte: „Volksfeste des Tötens“, völlige Absorbierung durch die eigene Tat, Berufung auf ein „höheres Recht“, Entstehung eines schier unverletzlichen kollektiven „Überkörpers“, Durchbruch zu einer „neuen Körperlichkeit“, Grenzüberschreitung und gesteigertes Leben durch den Tötungsakt…

Wer es genauer wissen will, lese am besten im Buch nach. Wobei Theweleit, zumal in der von Alexander Kerlin (Dortmunder Schauspiel-Dramaturg) moderierten Fragerunde mit Publikum, auch schon mal punktuelles Nichtwissen eingesteht. Nicht alle Zusammenhänge sind wirklich zweifelsfrei geklärt; sofern das überhaupt menschenmöglich ist.

Erektion im Blutrausch

Jedenfalls stellt Theweleit auch äußerst schmerzliche Fragen, wie beispielsweise die, warum Täter bei Vergewaltigungen, die mit grausamsten Verstümmelungen einhergehen, überhaupt eine Erektion haben. Nicht Sexualität, sondern der Blutrausch unumschränkter Machtausübung scheint in solchen Extremfällen den tödlichen Trieb zu steigern. Eine wahrlich finstere Erkenntnis.

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Nach all den schrecklichen Beispielen hätte man meinen können, Theweleit sehe keinerlei Ausweg aus der ubiquitären Gewalt. Doch gegen Schluss warf er doch noch einen Hoffnungsanker aus. Er hält dafür, dass wir Heutigen und Hiesigen im Großen und Ganzen doch etwas beherrschter und zivilisierter seien als frühere Generationen – nicht zuletzt, weil Kleinkinder viel seltener durch Prügelstrafen fürs Leben verängstigt werden.

Auch beklagt Theweleit zwar das lachlustige „Happy Slapping“ (genüsslich mit Handy gefilmte Schüler-Gewalt), glaubt aber, dass etwa Schulhofschlägereien in den 50er und 60er Jahren viel härter und häufiger gewesen seien als jetzt. Da hört man schon die Skeptiker raunen: Alles nur Firnis, im Zweifelsfalle nicht haltbar…

Wie bitte? Ob Theweleit auch die unvermeidliche Frage nach Silvester in Köln gestellt worden sei? Aber ja. Doch da wich er wohlweislich aus und ließ lediglich vernehmen, dort habe sich ein ungutes Machtvakuum aufgetan.

Klaus Theweleit: „Das Lachen der Täter. Breivik u.a. – Psychogramm der Tötungslust“. Residenz Verlag. 248 Seiten, 22,90 Euro.