Horst Evers: Notizen aus dem skurrilen Alltag

Für Eile fehlt mir die Zeit Wenn sie ihm auch für Eile fehlt, für eine neue Buchveröffentlichung hat Kabarettist Horst Evers die Zeit gefunden. Wie in den fünf vorangegangenen Büchern ist auch dieses eine Sammlung von Alltagsgeschichten – von skurril bis surreal.

Evers, der den Namen seiner Geburtsstadt Evershorst (Niedersachsen) als Pseudonym benutzt, ist leidgeprüfter Wahlberliner und findet nicht nur, aber bevorzugt dort die Sujets seiner mit Lokalkolorit gewürzten Geschichten. „Wir nehmen allen Berlinern die Hunde weg und geben ihnen dafür 4 Eier. Dann lägen auf den Bürgersteigen Eier und wir hätten das ganze Jahr Ostern“. Spätestens seit dem „Ganzkörperadventskalender“ und Auftritten beim „Satiregipfel“ in der ARD ist er auch über die Grenzen seiner Wahlheimat hinaus bekannt.

Die Erzählungen sind unterteilt in die Abschnitte Frühling, Sommer, Herbst, Winter und zweiter Frühling. In ihnen beschreibt Evers Alltagssituationen mit hohem Wiedererkennungswert – vom heimischen Innenhof bis zur Fahrt mit der deutschen Bahn. So wie die Geschichte vom Vater, der verzweifelt versucht, zur Vervollständigung der Hausaufgaben seiner Tochter ein Säugetier mit U zu (er)finden. Wobei der Leser die Situationen zwar oft wiedererkennt, aber mit einem insgeheimen Seufzer der Erleichterung denken mag „Gut, dass wir soweit noch nicht sind.“ Um mit dem nächsten Seufzer zu zweifeln „Könnte aber jederzeit so weit kommen“. Manch überzeichenete Alltagssituation ist eben nur einen Schritt von der Real-Satire entfernt.

Horst Evers zeichnet seine Figuren und Geschichten wohl mit spitzer Feder und zumeist feiner Ironie, doch ein Meister der gehobenen Bösartigkeit ist er nicht und möchte das wohl auch nicht sein. Zielsicher legt er den Finger in die Wunden, aber er dreht ihn nicht auch noch um. Sich selber und seine zuweilen eigenwilligen Erziehungs- und Lebensbewältigungsmethoden verschont er dabei nicht. Nicht immer gelingt ihm dieser sprachliche Balanceakt. Kalauer wie „hätte,hätte, Herrentoilette“ sind der Lesbarkeit nicht unbedingt dienlich. Evers beginnt seine Geschichten witzig, um im Laufe des Erzählflusses vom „Höcksen auf Stöcksken“ zu kommen. Das ist zwar recht unterhaltsam, führt aber dazu, dass sich die Kreise seiner Geschichten nicht immer rund schließen und manchmal auch ins Klamaukige abdriften. Gut hingegen gelingt ihm der Kunstgriff, Figuren wie „Jack Bauer“ oder „Captain Kirk“ in seine Geschichten einzubauen und zu zeigen, wie diese die Situationen gelöst hätten.

Informiert man sich im Internet über Evers, sei es auf seiner Homepage oder in diversen Videoaufzeichnungen seiner Auftritte, verdichtet sich der Eindruck: Das Buch alleine funktioniert nur bedingt. Als Gesamtkunstwerk – mit den Hintergrunderläuterungen auf seiner Website oder gehört und vorgetragen – wirken die Geschichten erst richtig.

Im Internet wird  Horst Evers im Übrigen schon lange heimlicher und unerkannt gefeiert. Obwohl ich vor der Lektüre weder Leseproben noch Videos zu den Geschichten gesehen hatte, kam mir doch etliches sehr bekannt vor. Wohl aus dem Kurznachrichtendienst meines Vertrauens, wo der ein oder andere Spaßvogel sich griffiger Evers-Sätze bedient und diese ins „Twittuniversum“ zwitschert. Verständlich. So manche seiner Sätze und aufgeworfener Fragen wie „Was könnte man nicht alles machen, wenn man sich mal die Mühe machen würde“ oder mein Favorit: „Solche Orte gibt es ja, wo ein Gespräch über Tanztheater einfach nicht richtig in Gang kommt“ funktionieren in der Tat einzeln signifikant besser als im Kontext. Die alte Formel „Nachahmung ist eine hohe Form der Anerkennung“ gilt wohl auch für Horst Evers.

Horst Evers: „Für Eile fehlt mir die Zeit“. Rowohlt Verlag, Berlin. 222 Seiten, 14,95 Euro

Homepage des Autors:  www.horst-evers.de