Nachrichten aus der Dingwelt: Vom finalen Absturz einer Waschmaschine

Zu den Grundannahmen einer stilleren Nachdenklichkeit oder auch des gepflegten Spintisierens zählt die Vorstellung eines geheimen Lebens der Dinge, die uns tagtäglich stumm umgeben. Was tun sie, wenn wir nicht da sind? Ja, was treiben Teller, Toaster und Tisch nur ohne uns? Das fragt sich nicht nur der Spökenkieker.

Wieder auf den Sockel gehievt: die durchgedrehte Waschmaschine. (Foto: BB)

Ein letztes Mal auf den Sockel gehievt: die durchgedrehte Waschmaschine. (Foto: BB)

Zu berichten ist von einem Vorfall nicht der dezenten, sondern der polternden, eher ungebührlich lärmenden Art. Die inzwischen 18 Jahre alte Waschmaschine, die getreuliche Dienste geleistet hat und die einem in ihrer rührend altmodischen Art ein wenig ans Herz gewachsen war, drehte in letzter Zeit dann und wann durch.

Von einer zunehmenden Unwucht geplagt, ruckelte sie im Schleudergang über den Betonsockel, auf dem sie im Waschkeller postiert war. Zentimeter für Zentimeter. Kürzlich hatte sie schon einmal fast den Rand erreicht. Bislang hatte es nach solchen Cliffhangern noch stets genügt, sie zurückzuschieben – bis zum nächsten Mal.

Doch man hätte alarmiert sein sollen. Denn das anfangs unscheinbare Übel verschlimmerte sich. Nun kamen wir von einer abendlichen Kulturveranstaltung (diese pflichtgemäße Erwähnung bin ich dem Kulturblog schuldig) zurück – und was war unterdessen geschehen?

Die Waschmaschine musste in wilde, taumelnde und torkelnde Bewegung geraten sein. Sie hat sich schließlich kopfüber vom etwa 10 Zentimeter hohen Sockel gestürzt und lag auf der Bullaugenseite, schwerstens lädiert. Ein kläglicher, leicht verstörender Anblick. Dabei hatte sie Teile der Installation brachial mit sich gerissen. Ihr elektrisches Leben war vollends erloschen. Die Tür, mitten im Waschgang natürlich blockiert, ließ sich nur noch gewaltsam mit einem Stemmeisen öffnen, um wenigstens die klatschnasse Wäsche zu retten.

War’s ein Aufstand, war’s Verzweiflung über die allzu lange Knechtschaft? War die Maschine von einem Dämon besessen? Wollte sie – einem Derwisch vergleichbar – in tanzende Trance geraten? Es ließen sich garantiert noch viele hilflose „Erklärungs“-Ansätze aus allzu menschlicher Sicht finden.

Doch gerade nach solch einem spektakulären Akt werden wir dem Eigenleben der Dingwelt nicht genauer auf die Spur kommen. Dieser Sturz führt uns womöglich in die Irre, weil der sonstige Spuk viel leiser und geradezu unmerklich vor sich gehen dürfte. An dieser Stelle lassen wir ein paar inszenatorisch wirksame Nebelschwaden wabern. Doch den raunenden Nachruf auf eine Waschmaschine verkneifen wir uns.

Und damit wieder zurück in die lichte Welt der rationalen Tagesgeschäfte, hin zu Aufklärung und Vernunft.