Galaxie Schrebergarten in Sicht: Raumschiff Geierabend auf „Planet Pott“ gelandet

Dortmund, wir haben kein Problem. Die Premiere ist geschafft. Das inzwischen 25 Jahre alte Raumschiff Geierabend begibt sich diesmal auf die „Mission Planet Pott“, so das diesjährige Motto des Geierabend-Teams unter der bewährten Regie von Günter Rückert. Direkt hinter der Galaxie Schrebergarten landet das Ensemble auf Zeche Zollern für einen furiosen Auftakt im Astronauten-Look.

"Der Steiger" Martin Kaysh im Raumfahrer-Outfit. (© StandOut)

„Der Steiger“ Martin Kaysh im Raumfahrer-Outfit. (© StandOut)

Der Geierabend ist aus dem alternativen Ruhrgebiets-Karneval nicht mehr wegzudenken, genau wie sein moderierender „Steiger“ Martin Kaysh, auch wenn dieser direkt zu Beginn mit seinem Abgang droht – kann man doch auf der Route der SPD-Kultur so viel mehr Öcken anstrengungslos mit ein paar Vorträgen einsacken.

Einstweilen aber führt Kaysh, mittlerweile sogar Ehrenhauer auf Auguste Victoria, gewohnt spitzzüngig souverän durch den Abend. Von seinen punktgenau sitzenden Seitenhieben bleiben weder das „Rum-Geluthere auffem Weg zum Kirchentach“ noch das NRW-Abitur oder die Fußballer, die so viel verdienen, dass sie sich jedes Jahr einen eigenen Phoenixsee kaufen könnten, verschont.

Aus Rashid wird ganz fix der Ralle

Im Programm sind es dann doch eher nicht so die unbekannten Weiten, die das Raumschiff Geierabend erkundet. Auch wenn es einen Abstecher „wacker na Rakka“ gibt, bleibt man doch eher auf der Südtribüne und anderen bewährten Locations aussem Pott und umliegenden Dörfern wie dem sauerländischen Schnöttentrop. Dessen Bauernschaft sorgt mit seiner pragmatischen Lösung der Integrationsfrage für den ersten Höhepunkt des Abends. Schon auf dem fliegenden Teppich wird aus Rashid Alfonso der Ralle und die Scheherazade muss sich wohl an den Kosenamen Resi gewöhnen. Geht doch. Läuft in Schnöttentrop.

Szenenbild aus dem "Promi-Himmel" (ç StandOut)

Szenenbild aus dem „Promi-Himmel“ (© StandOut)

Andere Nummern hingegen laufen eher langatmig. So zeigt sich bei der Präsentation der AfD-Wahlkampf-Geschenke schnell, dass diesem Trupp mit normalen Kalauern nicht beizukommen ist. Das Lustigste an diesem Sketch ist noch der blinkende Schriftzug, dem mit schöner Regelmäßigkeit das R und das T abhanden kommt und so aus der selbsternannten Alternative eine alte Naive macht.

Diagnose Bademantel

Gleichermaßen einfallslos in die olle Kamellenkiste greifend präsentieren sich das Wahlbüro inne Kneipe oder die wirklich trutschigen Tannen im Dialog mit den Piss-Bäumen der Nordstadt. Auch die im Vorjahr gefeierte You-Tuberin Fiffi kann aus dem inhaltsbefreiten Geschwurbel der gutverdienenden Jugendkanäle nichts Humoriges zaubern. Bei diesen Nummern könnte die eine oder andere Umlaufbahn durchaus abgekürzt werden oder wie der Steiger es sagen würde: „Manchmal ist Bademantel schon die ganze Diagnose“.

Immer am Ball: die Zwei vonne Südtribüne (Franziska Mense-Moritz, Hans Martin Eickmann). (© StandOut)

Immer am Ball: die Zwei vonne Südtribüne (Franziska Mense-Moritz, Hans Martin Eickmann). (© StandOut)

Zeit, das Publikum aufzuwecken mit dem Pannekopp des Tages. Zur Wahl für den schwersten und unbeliebtesten Karnevalsorden der Welt steht – tadaaa! – Frauke Petry. Erstaunlicherweise hat auch diese Dame sich um das Revier verdient gemacht: Mit der Erfindung der mobilen No-Go-Area, welche die Dame selbst in Bergkamen verortete, die aber in Wirklichkeit immer da ist, wo Frau Petry ist.

Erwartungsgemäß gewann sie eindeutig, wohl auch, weil ihr „Gegner“ NRW-Verkehrsminister Michael Groschek für den wundersam durch Aufkleber wiederauferstandenen RRX (Rhein-Ruhr-Express) nicht ganz so starke Geber-Qualitäten aufweist. Es darf befürchtet werden, dass die Frau(ke) es bis in die Endauswahl schafft und schmerzbefreit anreist, um den Preis anzunehmen. Doch man gibt sich zuversichtlich: „Mit der werden wir auch noch feddich“.

„Make Bottrop great again“

Während die Panneköppin des Abends eher hämische Reaktionen auslöste, rief die ihren Kummer ersäufende Freiheitsstatue Begeisterungsstürme hervor. Die Arme wurde von einem Ganzkörper-Doppelkinn und dessen Politik ausse Unterbuxe vom Sockel gerissen und auch sonst will sie niemand haben. Bis auf den Moviepark, in dem sie ihr Dasein als Bergarbeiter-Mantra (Auffe Zeche, aumPütt, auffe Schicht, im Streb, am Malochen usw.) aufsagende 450-Euro-Jobberin fristet. „Make Bottrop great again“. Man kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass das jüngste Ensemble-Mitglied Sandra Schmitz dem Publikum hier mal ganz genau zeigt, wo der Mottek kreist.

Die Freiheitsstatue kann sich nur noch besaufen. (© StandOut)

Wennn dieser Donald (Martin F. Risse) auftaucht, will sich die Freiheitsstatue (Sandra Schmitz) nur noch besaufen. (© StandOut)

Als eine der wenigen Neuerungen gönnt man sich im Jahr des silbernen Dienstjubiläums eine Saalwette. Wetteinsatz: eine „24Stunden-Chaos-und-Konfetti-Blitztour“ durch alle 53 Orte des Ruhrgebiets – wenn in dieser Session wirklich Besucher aus jeder Stadt des Ruhrgebiets kommen. Zur Premiere wurde Gelsenkirchen kontrolliert. Schalker werden in Dortmund als Publikumsopfer ja immer gerne genommen. Die königsblauen Gäste nahmen es sportlich und trösteten sich mit dem zu ihren Ehren schnell laminierten Spontangedicht.

Ruhries in der Notaufnahme

Publikumslieblinge sind am Premierenabend Murat Kayi, der wirklichkeitsnah als ambitionierter Trainer des Tus Krackel gegen die Trägheit seiner Kevins und deren Pokemon-Jagdfieber kämpft und die bei jedem Auftritt bejubelte großartige Franziska Mense-Moritz, die im übrigen auch für die aufwändigen Kostüme verantwortlich zeichnet. Ihre wandelnde Raucherecke mit Helmut-Schmidt-Gedächtnis-Fotto hat diesmal Bandscheibe. Macht aber nix, so hat sie wenigstens die Gelegenheit, das Treiben schräger Ruhries in der Notaufnahme zu studieren.

Und wer es aus der Notaufnahme nicht mehr hinaus schafft, kann sich das Promi-Catchen im Himmel begucken. Mit dieser Nummer endet das gut dreistündige Programm, das gesamte Ensemble schwingt noch einmal seine untoten Knochen und singt (zur Melodie von „Knockin‘ on Heavens Door“) „Gott iss datt ganz egal, wer kommt“. Ja, nee, iss klar.

Enormer Aufwand

„Fleiß kannsse vortäuschen, aber faul musse schon sein“ – die Weisheit der zwei „Stehplatz-Paselacken vonne Südtribüne“ hat sich bis zum Geierabend-Team noch nicht herumgesprochen. Es ist ein enormer Aufwand, der für das dreizehnköpfige Ensemble betrieben wird, um nicht nur den Karneval auf’s Korn zu nehmen.

Nicht alles dabei ist witzig, manches kommt eher als magere Astronautenkost daher. Man merkt schon, dass derzeit die Realität oft genug die höchste Form der Groteske ist und Satire gar nicht mehr überzeichnen kann, weil es absurder kaum noch geht. Schade auch, dass das eigentlich dankbare Motto von der „Mission Planet Pott“ im Laufe des Abends immer seltener aufgegriffen wird. Alles in allem aber bleibt der Geierabend ein in diesen „Das-wird-man-ja-wohl-noch-sagen-dürfen“-Zeiten ein dringend benötigtes Korrektiv im Revier – und ein großer Spaß.

Auf der Dortmunder Zeche Zollern ist noch bis Ende Februar Geierabend. Tickets und weitere Informationen über Geierabend.de

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