Ein paar Erwägungen zur „Schande von Dortmund“ (Randale beim Spiel BVB gegen RB Leipzig)

Eigentlich wollte ich keine Zeile darüber schreiben, weil es sozusagen ums Gegenteil von Kultur geht. Aber: Man kann von den Dortmunder Fußball-Krawallen gar nicht absehen, wenn man hier lebt.

Also, ganz klar: Dass so genannte BVB-„Fans“ am letzten Samstag die Gäste aus Leipzig, darunter auch Frauen und Kinder, mit Steinen, Flaschen, Dosen, Feuerwerkskörpern und anderen Gegenständen beworfen haben, ist kriminell.

Transparent beim Pokalspiel gegen Hertha BSC Berlin am 8. Februar. (Screenshot / ARD)

Nachträgliches Statement: Transparent beim BVB-Pokalspiel gegen Hertha BSC Berlin am 8. Februar. (Screenshot / ARD)

Auch die teilweise extrem menschenverachtenden Hetz- und Hass-Transparente (Heda, BVB-Ordnungsdienst, wie konnten die in so großer Zahl ins Stadion gelangen?) und der versuchte Angriff auf den Mannschaftsbus der Leipziger sind schändlich und unverzeihlich.

Jeder feststellbare Einzelfall wird jetzt und in den nächsten Wochen zu untersuchen sein. Hoffentlich findet die Polizei die Schuldigen, hoffentlich werden sie von der Justiz angemessen zur Rechenschaft gezogen. Bundesweites Stadionverbot ist das Mindeste, im Falle entsprechender Taten sollten auch Paragraphen des Strafgesetzbuches greifen.

Es ist beschämend, dass das alles in Dortmund passiert ist, wo man sich rühmt, auf der Südtribüne die besten Fans Deutschlands, wenn nicht Europas oder gar der Welt zu haben. Leider können einige Dutzend oder hundert Vollidioten das alles an einem einzigen Tag zunichte machen – wenn man sie nicht hindert. Vielleicht lässt sich ja auch aufklären, aus welchem Umfeld diese Typen kommen?

Dortmunds Stadtobere und ihre Imagewächter sind bestimmt ebenfalls entsetzt. Die enthemmte Randale vom Samstag wird der Stadt und dem Verein noch lange als „Schande von Dortmund“ (andere Formel: „Schande für den Fußball“) nachhängen, die Boulevardpresse tut das Ihre, um es kräftig zuzuspitzen. Auch sind spürbare Strafen vom DFB zu erwarten, so etwa Heimspiele ganz ohne Zuschauer…

In den sozialen Netzwerken sind es keineswegs nur Leipziger und Schalker, die heftig (und zum Teil beklagenswert pauschal) über den BVB herziehen. Mag es auch ungerecht sein: Wenn man nicht aufpasst und entschieden gegensteuert, gelten hiesige Fans bald als Abschaum der Liga – auch die anständigen unter ihnen, die sicherlich bei weitem in der Mehrheit sind. Doch sobald sie die schwarzgelben Farben tragen, macht man vielleicht auswärts keine Unterschiede mehr. Da herrscht womöglich mal wieder ein „Generalverdacht“. Und es melden sich bereits BVB-Anhänger zu Wort, die künftig ganz auf Stadionbesuche verzichten wollen. Nicht, dass da etwas „kippt“…

Inzwischen weiß man bei Spiegel online, bekanntlich immer gaaaanz nah dran am BVB, schon genauestens Bescheid: Auch viele ganz normale Spießer, die anderntags mit ihrem Hund Gassi gehen, seien in Dortmund an den Ausschreitungen beteiligt gewesen. Beim Spiegel kennen sich offenbar besser aus als die zuständigen Ermittler. Oder etwa doch nicht?

Unterdessen wird BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke – mittlerweile auch von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) – mitverantwortlich gemacht, weil er gegen RB Leipzig aufgewiegelt habe. Die paar Andeutungen über einen Verein, der ausschließlich zur Promotion eines Getränks („Red Bull“) gegründet worden sei, sollen also ein Aufruf zur Gewalt gewesen sein? Ach, nö. Soll jetzt jede Kritik am Geschäftsmodell der Leipziger verboten sein? Übrigens: Auch der börsennotierte BVB ist vielfach als durchkommerzialisiert verschrien. Dann wird man eben auch daran Kritik üben dürfen. Tradition hin oder her.

Wie aber müsste man (im Vergleich zu Watzkes Äußerungen) den Ausspruch eines gewissen Uli Hoeneß bewerten, der – seinerzeit kaum wieder auf freiem Fuß – im November ganz unverblümt von den „Feinden“ aus Leipzig und Dortmund gesprochen hat? Nun gut, er hat die saublöde Formulierung hernach zurückgenommen, und die Bayern-Anhänger haben sich gottlob bislang nichts zuschulden kommen lassen. Aber dennoch.

Eine Aktion zum Spiel gegen Hertha deutet sich schon an (Screenshot der Facebook-Seite von schwatzgelb.de)

Eine Aktion zum Heimspiel gegen die Hertha (8. Februar, 20:45 Uhr) deutete sich schon vorher an. (Screenshot der Facebook-Seite von schwatzgelb.de)

Jedenfalls gibt es etliche Leute, die just der Polizei vorwerfen, sie habe kein durchgängig tragfähiges Sichheitskonzept gehabt. Will die GdP mit ihren schnellfertigen Schuldzuweisungen etwa davon ablenken? Wenn man eine Antenne für die Stimmungslage der „Fans“ gehabt hätte, so hätte man vielleicht ahnen können, dass dies ein Hochrisikospiel sein würde. Man mag noch gar nicht daran denken, wie wohl die nächsten Begegnungen dieser Clubs verlaufen.

Schon morgen gibt es das nächste BVB-Heimspiel (im Pokal gegen die Hertha aus Berlin); ob wir da wohl irgend eine Form von Gegenreaktion aus dem Publikum erleben werden? Der nebenstehende Screenshot von der Seite www.schwatzgelb.de deutet darauf hin.

Ich war am Samstag nicht im Stadion, sondern habe das Spiel auf Sky gesehen. Dort war, zumindest während der eigentlichen Spielzeit, von den Vorfällen nicht die Rede. Man will sich beim Bezahlsender offenbar den schönen Kommerzsport nicht kaputt machen lassen. Vielleicht hat man ja vor der Partie, in der Halbzeitpause oder nach dem Abpfiff ein paar verschämte Worte eingestreut. Ich weiß es nicht, denn das haltlose Gelaber außerhalb der 90 Minuten tue ich mir schon lange nicht mehr an.

Und wenn das alles so weiter geht, habe ich irgendwann gar keine Lust mehr auf die Liga.

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P.S.: Bedenkenswerte Beiträge zum Thema finden sich übrigens im vereinsnahen Fanzine-Blog www.schwatzgelb.de – durchaus auch (selbst)kritisch und nicht etwa pressestellenfromm und nibelungentreu.

Nachtrag am 9. Februar: Wie die WAZ heute berichtet, habe die Geschäftsführung von RB Leipzig das NRW-Innenministerium ausdrücklich um verstärkten Schutz bei den Auswärtsspielen in Dortmund, Schalke und Mönchengladbach gebeten, ohne dass entsprechende Konsequenzen gezogen wurden. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) sitzt ohnehin schon recht unsicher auf seinem Sessel. Link zum WAZ-Bericht.