„Lost in Translation“: Das Wort für die Zeit, die man braucht, um eine Banane zu essen – und mancher treffliche Ausdruck mehr

Das ist doch mal eine nette Buchidee, unterhaltsam und durchaus mit geistreicher Substanz behaftet: Ella Frances Sanders hat für ihren Band mit dem kinobekannten Titel „Lost in Translation“ treffliche Worte aus aller Welt gesammelt, die als unübersetzbar gelten und nur mit länglichen Umschreibungen einigermaßen zu fassen sind.

In jedem dieser Worte sind – wunderbar vielfältig – kollektive Erfahrungen aufgehoben. Nicht alle sind gleichermaßen prägnant, doch bei vielen klingt (auch fürs deutsche Sprachempfinden) manches Bedeutsame an und nach, beileibe nicht nur Exotik. Erstaunlich genug, für welche speziellen Phänomene es in manchen Sprachen eigene Worte gibt.

Das Rentier als Maß der Dinge

Man muss Beispiele nennen – und möchte am liebsten gar nicht mehr damit aufhören: So bezeichnet das schwedische mångata die „Spiegelung des Mondes auf dem Wasser, die wie eine Straße aussieht.“ Das malaiische pisan zapra steht für die (ungefähre) Zeit, „die man braucht, um eine Banane zu essen.“ Den Finnen ist  hingegen ist die Entfernung wichtiger, die ein Rentier ohne Pause zurücklegen kann, sie heißt poronkusema.

Ein geradezu lachhaft schlechter Witz

Mit dem knappen Ausdruck tíma benennt man in Island die Weigerung, „Zeit oder Geld in etwas zu investieren, obwohl man es sich leisten könnte.“ Ganz ähnlich liest sich das Wort tiám aus der iranischen Sprache Farsi, es bedeutet „das Funkeln in den Augen, wenn man einen Menschen das erste Mal sieht“. Universell verwendbar ist auch der indonesische Ausdruck jayus, mit dem ein Witz gemeint ist, der so schlecht ist, dass man nur noch entwaffnet lachen kann.

Einige Worte muten so skurril an, dass man sie einfach mögen muss, so etwa das lettische kaapshljmurslis für das Gefühl, in einem öffentlichen Verkehrsmittel eingequetscht zu sein. Tatsächlich sieht schon die bloße Buchstabenfolge recht gepresst aus.

Das Kribbeln vor dem Whiskey-Schluck

Kaufen Sie öfter mal Bücher und legen sie dann gleich ungelesen weg? Das nennt man in Japan tsundoku. Kribbelt Ihre Oberlippe, bevor Sie einen Schluck Whiskey trinken? In Irland, wo man sich damit auskennt, sagt man auf Gälisch sgrìob dazu. Stecken Sie Ihr Hemd nicht in die Hose? Dann sind Sie (im karibischen Spanisch) ein cotisuelto.

Wie man sieht, gibt es für so ziemlich jede Lebenslage ein passendes Wort, man muss halt „nur“ den reichlichen Vorrat an Sprachen durchforsten. Jede dieser Sprachen öffnet einen anderen Horizont, eine andere (Klang)-Welt. Auch davon bekommt man mal wieder eine Ahnung, wenn man die Wörter in diesem Buch nachschmeckt.

Im Anhang des Buches, das sich übrigens bestens als Geschenk eignet, steuert auch das Deutsche ein paar kaum übertragbare Kostbarkeiten bei: Kummerspeck, Kabelsalat, Waldeinsamkeit…

Wir wollen ja nicht übermäßig drängeln, aber: Wann kommen endlich der zweite und der dritte Band heraus?

Ella Frances Sanders: „Lost in Translation. Unübersetzbare Wörter aus der ganzen Welt.“ Aus dem Englischen übertragen von Marion Herbert. 112 Seiten (ohne Paginierung). Durchgehend mit farbigen Zeichnungen der Autorin illustriert. DuMont Verlag, Köln. 18 €.