Soziale Miniaturen (18): Herrscher im Supermarkt

Nikolaustag. Im Supermarkt sind heute alle Mitarbeiter gehalten, Nikolausmützen zu tragen. Man fragt sich, was geschieht, wenn jemand dieser Anweisung nicht Folge leistet.

Über das Gehabe mancher Machthaber können diese Nikoläuse nur lächeln. (Foto: Bernd Berke)

Über das Gehabe mancher Chefs können diese Nikoläuse nur milde lächeln. (Foto: BB)

Möglich, dass manche bei diesem Mummenschanz gern oder wenigstens achselzuckend mitspielen. Es kann aber auch sein, dass es einigen unangenehm ist oder dass es gar auf eine kleine Demütigung hinausläuft. Es wirkt ja auf den ersten Blick nicht gerade souverän, wenn jemand die tagtägliche Arbeit vor aller Kundschaft mit einer solchen Mütze zu verrichten hat. Müsste man darauf nicht Rücksicht nehmen?

Jetzt aber aufgemerkt! Auf einmal ist zwischen den Regalen eine weithin dröhnende Stimme zu vernehmen, die allseits einen guten Tag wünscht. Sie gehört einem Mann, der buchstäblich großspurig daherkommt. Sogleich bemerken auch Kunden, die ihn nicht kennen: Das ist der Chef. Das muss er sein. Und er ist es.

Eine Assistentin (?) folgt ihm diensteifrig auf Schritt und Tritt. Das Ganze wirkt wie ein Kontrollgang, der Konsequenzen haben könnte.

Sein “Guten Tag!” klingt zunächst einmal leutselig, doch kann man sich sehr gut vorstellen, wie diese offenbar befehlsgewohnte Stimme im Nu ins Bedrohliche umschlagen kann. Denn der Mann ist in seinem Supermarkt-Reich ein Herrscher, wie er im Buche steht. Auf diesem Level kann das Gehabe eines Machtmenschen freilich leicht ins Lächerliche kippen.

Von einer Nachbarin hatte ich einige Wochen zuvor dies gehört: Sie habe sich im besagten Supermarkt über angegammeltes Bio-Hackfleisch beschweren wollen, und zwar beim Geschäftsführer. Da kam also der Herr gravitätisch daher, stellte sich namentlich vor, bewegte seine Hand im großen Kreis und teilte erst einmal mit, dass ihm “dies alles hier” gehöre. Der Nachbarin hat das nicht übermäßig imponiert. Ihre Antwort: “Das mag ja sein, aber mir geht es jetzt um dieses Hackfleisch…” Gut gegeben.

Auf jeder einzelnen Plastiktüte seiner Supermärkte (jawoll, er hat in mehreren Läden die Hoheit) lässt sich der Machthaber fotografisch als alles überragender, behütender Patriarch abbilden. Er hält ein Herz in den Händen, und in diesem Herzen drängeln sich wie auf einem Wimmelbild nahezu 200 seiner Angestellten. Ich werde mich hüten, die Illustration hier zu verwenden und bleibe lieber unverfänglich.

Warum aber hatte ich vorhin das dumpfe Gefühl, dass sich bei seinem leibhaftigen Erscheinen diese oder jene Mitarbeiterin ein klein wenig geduckt hat? Es war sicherlich nur ein Hirngespinst. Vergesst es.