Sympathischer Tourneebeginn: Daedalus-Quartett mit amerikanischer Musik der Gegenwart in Essen

Das Daedalus-Quartett hat sich seit seiner Gründung im Jahr 2000 zu einem der führenden amerikanischen Streichquartette entwickelt. Beginnend mit einer Matinee in der Essener Philharmonie tourt das Ensemble im Februar und März mit 20 Konzerten durch deutsche Städte. Wenn ein solch profiliertes Quartett nach Europa kommt, liegt es nahe, auch zeitgenössisches Schaffen aus dem musikalisch hierzulande weithin unbekannten Land jenseits des Ozeans vorzustellen.

Das Daedalus-Quartett. Foto: Lisa-Marie Mazzucco

Das Daedalus-Quartett. (Foto: Lisa-Marie Mazzucco)

Zum Glück hat sich die Philharmonie nicht Beethoven, Brahms und Puccini gewünscht, sondern das Daedalus-Quartett mit einem ungewöhnlichen und alleine daher reizvollen Programm debütieren lassen: Umrahmt von Felix Mendelssohn-Bartholdys letzten Streichquartett-Kompositionen, dem Tema con Variazioni und dem Scherzo aus den vier Sätzen op. 81 und einem Satz aus Joseph Haydns op. 1/3 als Zugabe, spielte die amerikanische Formation Sergej Prokofjews selten aufgeführtes Streichquartett Nr. 1 in der ungewöhnlichen Tonart h-Moll und die „Chaconne“ von Fred Lerdahl. Der in den USA bekannte Komponist und Musiktheoretiker, der u.a. bei Wolfgang Fortner in Freiburg studiert hat, schrieb das Werk 2016 zum 15jährigen Bestehen des Daedalus-Quartetts, das zuvor schon Lerdahls drittes Streichquartett uraufgeführt und gemeinsam mit den Quartetten Nummer eins (1978/2008) und zwei (2010) auf CD aufgenommen hatte.

Dramatische Impulse und virtuoser Anspruch

Die Bezeichnung „Chaconne“ weist auf Bach zurück und unterstreicht, dass Lerdahl seine Erfindungsgabe im Dialog mit der Tradition entfaltet. Und wie bei Bach prägen die mit Buchstaben aus dem Namen des Quartetts korrespondierenden Noten (D, A, E) das musikalische Material. Dieses stellen die vier Musiker im stillen, fragmentarisch wirkenden Beginn vor.

Allmählich bildet sich aus den wie vor ferne her wehenden Motiven ein Zusammenhang, der sich zunehmend verdichtet und zu einem komplexen harmonischen Geflecht mit dramatischen Impulsen und virtuosem Anspruch entwickelt. Das Ende knüpft nach den labyrinthischen Verschlingungen der Stimmen – passend zum Namen der Quartetts, denn Dädalus gilt als Erfinder des Labyrinths – wieder am Beginn an. Eine zyklische Form, die in der zeitgenössischen Musik beliebt ist.

Min-Young Kim, Matilda Kaul, Jessica Thompson und Thomas Kraines umrahmen das Konzert mit europäischer Tradition: Die beiden Quartettsätze aus op. 81 von Felix Mendelssohn-Bartholdy und den Satz aus Haydns op. 1/3 spielen sie mit leichtem, aber nicht zu glattpoliert verschmelzendem Ton. Bewundernswert konzipiert ist die strukturell fundierte Dynamik: Der große Bogen korrespondiert mit der harmonischen Verdichtung in Mendelssohns Variationen. Die federleichte Agilität des Quartetts lässt das Scherzo in genießerischer Delikatesse vorbeihuschen.

Energie im Rhythmus und nervöse Bewegung

Das schlanke, manchmal eine Spur zu zurückhaltende Klangbild des Quartetts führt in Sergej Prokofjews selten gespieltem Ersten Streichquartett zu einer struktursichtigen Darstellung mit Energie im Rhythmus und einer drängenden, nervösen Bewegung. Die differenziert markierte, weit gespannte, aufwärts strebende Melodie der ersten Violine nimmt Min-Young Kim mit drängendem Elan. Die Achtelbegleitung in punktierten Terzen und Quarten gibt dem Streben einen nervösen Zug; die Pizzicati des Cellos setzt Thomas Kraines etwas zu sanft. Der Schwung hält im weichen Allegro moderato etwas inne. Die Polyphonie wird aber im Marcato mit rhythmisch akzentuierten Repetitionen zur ersten Violine wieder reduziert, der nervös drängende Zug gewinnt wieder die Oberhand. Die melodische Phrase des Beginns wandert, harmonisch in der Begleitung vielfach gespiegelt, durch die Instrumente.

Der zweite Satz mit seinem inneren Bruch vom langsamen zu schnellem Tempo beginnt satt und dunkel, steigert sich dann zu unruhiger, vitaler Expression. Den dritten Satz mit seiner dichten harmonischen Faktur durchleuchtet das Quartett exemplarisch genau und klarsichtig. Ein Prokofjew, der im noblen Zugriff des Daedalus-Quartetts eher in eine klassizistisch polierte als in eine expressiv aufgeraute Richtung weist. Ein sympathisches Debüt.

Am Mittwoch, 14. März, 19.30 Uhr ist das Daedalus-Quartett noch einmal in der Region zu erleben. Auf Schloss Heessen in Hamm spielt es Mendelssohn, Brahms und das Streichquartett Nr. 2 op. 19 von Charles Ives. Info auf der Webseite des Stadt Hamm.

 

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Über Werner Häußner

Redakteur, Musikkritiker, schreibt u.a. für WAZ (Essen), Die Tagespost (Würzburg), Der Neue Merker (Wien) und das Online-Magazin www.kunstmarkt.com.
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1 Antwort zu Sympathischer Tourneebeginn: Daedalus-Quartett mit amerikanischer Musik der Gegenwart in Essen

  1. Frank Hirsch sagt:

    In der Tat ein hervorragendes Konzert. Mit einem erstaunlichen Understatement präsentierte sich dieses erstklassige Quartett. Kein Standard -Repertoire, sondern Kompositionen die den Zuhörer forderten und in Atem hielten. Und dass die Musiker sich anschließend nicht zu schade sind, persönlich ihre CDs zu verkaufen und bereitwillig zu signieren -Chapeau!

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