Ein Herz für die Sammlung und eine Absage an Blockbuster – Peter Gorschlüter wird neuer Direktor des Folkwang-Museums

Peter Gorschlüter (geb. 1974 in Mainz) wird der neue Direktor des Essener Folkwang-Museums. Bis er kommt, dauert es allerdings noch etwas. Sein Vertrag mit dem Museum für moderne Kunst (MMK) in Frankfurt endet erst Mitte 2018. Gorschlüters anschließender Essener Vertrag soll über acht Jahre laufen, und man darf gespannt sein, ob er es hier so lange aushält.

Peter Gorschlüter wird zum 1. Juli Direktor des Essener Folkwang-Museums.(Foto: rp)

Gorschlüters Vorgänger waren schneller wieder weg; Hubertus Gassner zog es 2006 nach nur vier Jahren in die Hamburger Kunsthalle, Hartwig Fischer, wiewohl erster Chef im neuen Chipperfield-Gebäude, verließ Essen nach sechs Jahren in Richtung Dresden (dann London), Tobia Bezzola wechselte jetzt nach fünf Jahren gen Lugano, um sich dort dem Aufbau des Museo d’arte della Svizzera italiana zu widmen.

Überstürzter Abschied

Zwar war in den letzten Jahren manchmal zu hören, daß es Tobia Bezzola in Essen nicht wirklich gut gefiele, trotzdem kam sein vorzeitiger Abgang etwas überraschend, zumal seine Leistungsbilanz sich sehen lassen kann. Man denke etwa an die Ausstellung des Fotografen Thomas Struth, an die deutschlandweit erste Präsentation der edlen zeitgenössischen Sammlung François Pinaults oder die Lagerfeld-Schau. Auch die Entscheidung der Krupp-Stiftung, fünf Jahre lang freien Eintritt in die Folkwang-Sammlung zu finanzieren, fiel in Bezzolas Amtszeit. Die Absage der Balthus-Ausstellung wegen des vehement erhobenen Pädophilie-Vorwurfs gegen Künstler und Werk im Jahr 2013 wiederum kann sicherlich nicht als Ausdruck persönlichen Scheiterns des Museumsdirektors gesehen werden.

Andrea Bezzolas Ausstellungen hatten Strahlkraft

Bezzola weiß um die Bedeutung großer Veranstaltungen für ein großes Haus, um deren Strahlkraft und Attraktivität. Es muß ja nicht gleich ein „Blockbuster“ sein wie vor 17 Jahren die Turner-Schau. Die wäre heutzutage, ohne potente Sponsoren und angesichts immer höherer Versicherungsprämien, sowieso nicht mehr vorstellbar.

Gorschlüter jedoch hält von Blockbustern wenig, er nennt sie nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen möchte er andere Formen der Museumsarbeit erschließen, die er im Pressegspräch kurz umriß. So strebt er „Interdisziplinäre Ausstellungsformate“ an, die Kunst etwa mit Mode, Musik oder Theater verbinden sollen. Mit „gemeinsamen Themenschwerpunkten“ möchte er unterschiedliche Teile der Sammlung neu präsentieren, „Vergangenheit und Zukunft“ oder „Utopie und Dystopie“ wären vorstellbare Überschriften. Auch zahlreiche Aspekte des Riesenthemas „Großstadt“ böten sich an.

Kooperieren und kartographieren

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt, so Gorschlüter, könnten Kooperationen mit Künstlern aus anderen Disziplinen sein. In Liverpool zum Beispiel, einer seiner früheren Wirkungsstätten, arbeitete der neue Folkwang-Chef mit Carol Ann Duffy zusammen, der Hofdichterin der Queen immerhin.

Die Sammlung möchte Gorschlüter „neu kartographieren“, aufs Neue sozusagen fragen nach den Beziehungen zu anderen Kulturen, zu bisher unberücksichtigten Impulsen. Dies sei ein lohnender Ansatz auch für eine gewachsene Sammlung.

Schließlich geht es Gorschlüter um den Dialog des Museums mit der Stadtgesellschaft. Das Museum solle sich durchaus stärker in Richtung Innenstadt bewegen, gerne auch performativ.

100 Jahre Folkwang – ein trauriger Tag für Hagener

Das konkreteste Projekt der vor ihm liegenden Amtszeit indes ist definitiv für das Jahr 2022 vorgesehen. Da wird das Essener Folkwang-Museum nämlich 100 Jahre alt. „Ich denke daran, das Museum dann in die Stadt zu bringen“, sagt Gorschlüter.

Sollen sie feiern, die Essener, es sei ihnen gegönnt. Weiter östlich im Revier wird das Fest gemischte Gefühle auslösen, markiert es doch den Verlust der einzigartigen Osthaus-Sammlung für die Stadt Hagen. Tröstlich ist da lediglich das Wissen, daß das Essener Folkwang-Museum mit der Osthaus-Sammlung gut umgegangen ist und dies, da sind wir ganz sicher, auch in Zukunft tun wird. Gorschlüter zeigt sich der Osthaus-Tradition bewußt und strebt (auch) deshalb eine enge Kooperation mit dem Fotoarchiv Marburg an, wo im Jahre 1933, was aber kaum einer weiß, das Fotoarchiv von Karl-Ernst-Osthaus verblieb.

Gern auf Augenhöhe mit Ludwig und MoMA

Tja. Um mal kurz persönlich zu werden: Ich hätte nichts gegen einige Ausstellungen, die bundesweit oder auch in den Nachbarländern wahrgenommen würden und Folkwang zumindest zeitweise auf Augenhöhe mit Ludwig in Köln oder Gropius in Berlin brächten (oder MoMA in New York oder Centre Pompidou in Paris usw.).

Es wäre schon sehr schön, wenn man Finanzierungsmöglichkeiten fände, um die eine oder andere große, „wandernde“ Schau nach Essen zu holen; es wäre auch sehr gut für die Wahrnehmung all dessen, was Folkwang überdies zu bieten hat, allem voran natürlich die eigene Sammlung. Die starke Fokussierung der Museumsarbeit auf den Eigenbestand, die in den programmatischen Äußerungen Gorschlüters anklang, kann hingegen zu einem Bedeutungsverlust des Hauses führen.

Kuratoren gesucht

Doch man soll nicht unken. Der neue Mann muß sich noch etwas sortieren für seinen neuen Job, „ein halbes Jahr Findung – die Zeit braucht es“ sagt er selbst. Und dann schauen wir mal.

Wichtig ist natürlich auch, daß bald neue Leute für die beiden anderen Vakanzen im Folkwang-Museum gefunden werden. Nach dem Weggang von Florian Ebner wird ein neuer Kurator für die fotografische Sammlung gesucht, ebenso einer für die Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts.