Ist die Finanzwelt etwa kulturlos?

Sie wird gern beschworen, die Gesprächskultur. Sie wird gern zitiert, die Unternehmenskultur. In vieler Munde ist sie, die Esskultur, oder auch die Tischkultur, beim Kochen spricht man häufig sogar von Kochkunst. Wir hätten auch noch die Diskussionskultur, Streitkultur oder sogar dann und wann Aussagen über Formen der politischen Kultur.
Auffällig indes ist, das mit keinem zusammengesetzten Wort eine Bankenkultur oder Finanzweltkultur erwähnt wird, und zwar nirgendwo. Offenbar handeln dort kulturlose Wesen.

Gänzlich abwegig finde ich meine Vermutung nicht. Ein Merkmal von Kulturen ist es doch, dass sie Werte erschaffen. Aus einem Grundstoff (Stein, Lehm, Farbe, oder, oder …) etwas Neues bilden, ja selbst der gute alte Kapitalismus, er sollte, und tat das, wenn auch unter gewissem Druck, er schuf Neues aus manchem und wandelte das am Ende in Mehrwert um, dass viel Geld daraus gewonnen werden konnte, mit dem entsprechenden Außendruck sogar dann und wann zum Wohle des Menschen.

Und was unternehmen heutzutage Banken, Banker oder Broker allermeistens? Sie unternehmen es, aus etwas vorgegeben, Geld nämlich, dasselbe zu erschaffen, nur mehr, viel mehr.

Sie machen also munter Wasser zu Wasser, so dass es schlussendlich ein Strom wird und nicht mehr als Flüsschen daher kommt. Eine bewundernswerte Leistung, genauso bewundernswert wie die Leistung, es bei diesem Bemühen zu vollbringen, dass aus dem Ursprungsgeld auch mal ein Nichts werden kann, dass dieses unversehens verschwindet.

Da fällt mir ein, die befrackten Herren, die früher albinöse Nager in Zylindern verschwinden ließen, nannte man Magier, nicht etwa Banker. Und die vollbrachten Kunststückchen – also doch eine gewisse Kultur?

Nein, denn sonst hätte unser Sprachgebrauch längst die Allmacht der Finanzwelt akzeptiert und den Begriff Großbank-Kultur erfunden. „… drum lernt‘ ich traurig den Verzicht, kein Ding‘ sei, wo das Wort gebricht.“ So dichtete Stefan George, dass es nichts gibt, wenn es keinen Begriff dafür gibt. Lernen wir also, dass alle an den Finanzmärkten Handelnde ohne Kultur sind, folglich ohne Sinn dafür, dass es einer gesellschaftlichen Gruppe besser oder vielleicht schlechter gehen könnte. Sie schaffen und produzieren nichts, allenfalls und ungünstigstenfalls ganze Länderpleiten, an denen man immer noch verdienen kann.

Sie sind halt kulturlos.

Wohin geht die kulturelle Reise? (Foto: Bernd Berke)

Wohin geht die kulturelle Reise? (Foto: Bernd Berke)